Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Altenberg, Peter: Pròdrŏmŏs. 2. Aufl. Berlin, 1906.

Bild:
<< vorherige Seite

Kleider müssen lose an dir hängen, gleichsam verkündend: Die Bewegungsfreiheit unseres Herrn ist uns heiliger als unsere eigene sogenannte Schönheit! Ärmellöcher können nicht weit genug sein! Wir wollen unserem Herrn, unserer Frau den edlen Port-de-bras ermöglichen! Das sei unser Kleiderschönheitsehrgeiz!

[Abbildung]

Beurteile die Schönheit des Antlitzes einer Dame erst in dem Augenblicke, da ihr endlich einer, von dem sie es längst erwartete, sagte: "Ich habe Sie sehr, sehr lieb." - - -

Dann erst befindet sie sich in ihrem überhaupt erreichbaren Schönheitshöhepunkte!

[Abbildung]

Naturalismus und Romantik. Man kommt eben allmählich darauf, dass die "blaue Blume" der Romantiker ganz einfach wirklich auf dem wirklichen Felde wachse - - - die Feld-Glockenblume, die Kornblume, das Vergissmeinnicht etc. etc., und zwar schöner, lieblicher, weltentrückter und sanft-mysteriöser als die Blumen auf dem lächerlichen Humus von Wolkenkuckucksheim - - -! Im "Realen" das "Ideale" noch aufspüren können - - - das allein heisst wirklich ein Romantiker sein!

[Abbildung]

Kleider müssen lose an dir hängen, gleichsam verkündend: Die Bewegungsfreiheit unseres Herrn ist uns heiliger als unsere eigene sogenannte Schönheit! Ärmellöcher können nicht weit genug sein! Wir wollen unserem Herrn, unserer Frau den edlen Port-de-bras ermöglichen! Das sei unser Kleiderschönheitsehrgeiz!

[Abbildung]

Beurteile die Schönheit des Antlitzes einer Dame erst in dem Augenblicke, da ihr endlich einer, von dem sie es längst erwartete, sagte: „Ich habe Sie sehr, sehr lieb.“ – – –

Dann erst befindet sie sich in ihrem überhaupt erreichbaren Schönheitshöhepunkte!

[Abbildung]

Naturalismus und Romantik. Man kommt eben allmählich darauf, dass die „blaue Blume“ der Romantiker ganz einfach wirklich auf dem wirklichen Felde wachse – – – die Feld-Glockenblume, die Kornblume, das Vergissmeinnicht etc. etc., und zwar schöner, lieblicher, weltentrückter und sanft-mysteriöser als die Blumen auf dem lächerlichen Humus von Wolkenkuckucksheim – – –! Im „Realen“ das „Ideale“ noch aufspüren können – – – das allein heisst wirklich ein Romantiker sein!

[Abbildung]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0123" n="123"/>
        <p>Kleider müssen lose an dir hängen, gleichsam verkündend: Die Bewegungsfreiheit unseres Herrn ist uns heiliger als unsere eigene sogenannte Schönheit! Ärmellöcher können nicht weit genug sein! Wir wollen unserem Herrn, unserer Frau den edlen Port-de-bras ermöglichen! Das sei unser <hi rendition="#g">Kleiderschönheitsehrgeiz</hi>!</p>
        <figure/><lb/>
        <p>Beurteile die Schönheit des Antlitzes einer Dame erst in dem Augenblicke, da ihr endlich einer, von dem sie es längst erwartete, sagte: &#x201E;Ich habe Sie sehr, sehr lieb.&#x201C; &#x2013; &#x2013; &#x2013;</p>
        <p>Dann erst befindet sie sich in ihrem überhaupt erreichbaren Schönheitshöhepunkte!</p>
        <figure/><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Naturalismus</hi> und <hi rendition="#g">Romantik</hi>. Man kommt eben allmählich darauf, dass die &#x201E;blaue Blume&#x201C; der Romantiker ganz einfach wirklich auf dem <hi rendition="#g">wirklichen Felde</hi> wachse &#x2013; &#x2013; &#x2013; die Feld-Glockenblume, die Kornblume, das Vergissmeinnicht etc. etc., und zwar <hi rendition="#g">schöner, lieblicher, weltentrückter</hi> und <hi rendition="#g">sanft-mysteriöser</hi> als die Blumen auf dem lächerlichen Humus von Wolkenkuckucksheim &#x2013; &#x2013; &#x2013;! Im &#x201E;Realen&#x201C; das &#x201E;Ideale&#x201C; noch aufspüren können &#x2013; &#x2013; &#x2013; das allein heisst wirklich ein <hi rendition="#g">Romantiker</hi> sein!</p>
        <figure/><lb/>
        <p>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0123] Kleider müssen lose an dir hängen, gleichsam verkündend: Die Bewegungsfreiheit unseres Herrn ist uns heiliger als unsere eigene sogenannte Schönheit! Ärmellöcher können nicht weit genug sein! Wir wollen unserem Herrn, unserer Frau den edlen Port-de-bras ermöglichen! Das sei unser Kleiderschönheitsehrgeiz! [Abbildung] Beurteile die Schönheit des Antlitzes einer Dame erst in dem Augenblicke, da ihr endlich einer, von dem sie es längst erwartete, sagte: „Ich habe Sie sehr, sehr lieb.“ – – – Dann erst befindet sie sich in ihrem überhaupt erreichbaren Schönheitshöhepunkte! [Abbildung] Naturalismus und Romantik. Man kommt eben allmählich darauf, dass die „blaue Blume“ der Romantiker ganz einfach wirklich auf dem wirklichen Felde wachse – – – die Feld-Glockenblume, die Kornblume, das Vergissmeinnicht etc. etc., und zwar schöner, lieblicher, weltentrückter und sanft-mysteriöser als die Blumen auf dem lächerlichen Humus von Wolkenkuckucksheim – – –! Im „Realen“ das „Ideale“ noch aufspüren können – – – das allein heisst wirklich ein Romantiker sein! [Abbildung]

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-04-18T07:14:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-04-18T07:14:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-04-18T07:14:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/altenberg_prodromos_1906
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/altenberg_prodromos_1906/123
Zitationshilfe: Altenberg, Peter: Pròdrŏmŏs. 2. Aufl. Berlin, 1906, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/altenberg_prodromos_1906/123>, abgerufen am 24.11.2024.