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Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890.

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Körner und Fäden der Zellen.
nicht in häutigen Canälen eingeschlossen ist, sondern sich an
den Wänden frei zu bewegen scheint.

Berthold ist dieser Weber'schen Idee mit grosser Sach¬
kenntniss und Gründlichkeit nachgegangen und hat in con¬
sequenter Weise die physikalischen Gesichtspunkte durchge¬
arbeitet, welche sowohl die amoeboiden Bewegungen, als auch
die Innenströmungen des Protoplasmas erklärlich machen könnten;
die Körnchen des Protoplasmas hält Berthold, wie schon er¬
wähnt, für todte Einlagerungen; durch direkte Beobachtungen
konnte er sich von der Analogie der Bewegung lebloser Emul¬
sionen und lebender Plasmen überzeugen.

Als Pendant zu diesen Bemühungen Berthold's können
wir die neuesten Versuche Bütschli's1 betrachten, der das Proto¬
plasma ebenfalls für eine Emulsion hält, aber im Anschluss an
Heitzmann und Frommann im Sinne eines Seifenschaumes, bei
welchem das Plasma das äusserst feine wabige Gerüstwerk
bildet, während die rundlichen Lücken von indifferenter Flüssig¬
keit gefüllt würden. Wie Berthold, so hat auch Bütschli in
Anlehnung an die Versuche von G. Quincke2 Bewegungen an
diesen leblosen Emulsionen beobachtet, welche den Protoplasma¬
bewegungen ähnlich sein sollen, ja sogar die Wirkung der
Temperatur und der Elektricität daran nicht ganz vermisst.

Solche Bemühungen, an Stelle der unklaren vitalen Ursachen
physikalische Erklärungen zu schaffen, sind immer dankbar auf¬
zunehmen, selbst wenn sie wie meistens so auch hier nicht ganz
hinreichend sein sollten, die Unklarheiten der Vitalität auf¬
zuhellen.

Wie bis jetzt der Sachverhalt liegt, glaube ich, dass man
in Zukunft die Beobachtungen solcher vitalen Bewegungen, wie
sie an Hauser's Zoogloeen von Proteus vulgaris gesehen werden
können, mit jenen physikalischen Emulsionsbewegungen wird
combiniren müssen, um zu einem allmählichen Verständniss der
Protoplasmabewegungen zu gelangen. Zunächst wird man sich
natürlich über die Grundlagen einigen müssen, dass das Proto¬

1 Bütschli, Biologisches Centralblatt 1888, S. 161. Derselbe, Ueber
die Structur des Protoplasmas. Aus d. Verhandl. des nat. Vereins zu Heidel¬
berg 1889.
2 G. Quincke, Ueber period. Ausbreitung etc. Annalen der Ph. u. Ch. 1888.

Körner und Fäden der Zellen.
nicht in häutigen Canälen eingeschlossen ist, sondern sich an
den Wänden frei zu bewegen scheint.

Berthold ist dieser Weber'schen Idee mit grosser Sach¬
kenntniss und Gründlichkeit nachgegangen und hat in con¬
sequenter Weise die physikalischen Gesichtspunkte durchge¬
arbeitet, welche sowohl die amoeboiden Bewegungen, als auch
die Innenströmungen des Protoplasmas erklärlich machen könnten;
die Körnchen des Protoplasmas hält Berthold, wie schon er¬
wähnt, für todte Einlagerungen; durch direkte Beobachtungen
konnte er sich von der Analogie der Bewegung lebloser Emul¬
sionen und lebender Plasmen überzeugen.

Als Pendant zu diesen Bemühungen Berthold's können
wir die neuesten Versuche Bütschli's1 betrachten, der das Proto¬
plasma ebenfalls für eine Emulsion hält, aber im Anschluss an
Heitzmann und Frommann im Sinne eines Seifenschaumes, bei
welchem das Plasma das äusserst feine wabige Gerüstwerk
bildet, während die rundlichen Lücken von indifferenter Flüssig¬
keit gefüllt würden. Wie Berthold, so hat auch Bütschli in
Anlehnung an die Versuche von G. Quincke2 Bewegungen an
diesen leblosen Emulsionen beobachtet, welche den Protoplasma¬
bewegungen ähnlich sein sollen, ja sogar die Wirkung der
Temperatur und der Elektricität daran nicht ganz vermisst.

Solche Bemühungen, an Stelle der unklaren vitalen Ursachen
physikalische Erklärungen zu schaffen, sind immer dankbar auf¬
zunehmen, selbst wenn sie wie meistens so auch hier nicht ganz
hinreichend sein sollten, die Unklarheiten der Vitalität auf¬
zuhellen.

Wie bis jetzt der Sachverhalt liegt, glaube ich, dass man
in Zukunft die Beobachtungen solcher vitalen Bewegungen, wie
sie an Hauser's Zoogloeen von Proteus vulgaris gesehen werden
können, mit jenen physikalischen Emulsionsbewegungen wird
combiniren müssen, um zu einem allmählichen Verständniss der
Protoplasmabewegungen zu gelangen. Zunächst wird man sich
natürlich über die Grundlagen einigen müssen, dass das Proto¬

1 Bütschli, Biologisches Centralblatt 1888, S. 161. Derselbe, Ueber
die Structur des Protoplasmas. Aus d. Verhandl. des nat. Vereins zu Heidel¬
berg 1889.
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[45/0061] Körner und Fäden der Zellen. nicht in häutigen Canälen eingeschlossen ist, sondern sich an den Wänden frei zu bewegen scheint. Berthold ist dieser Weber'schen Idee mit grosser Sach¬ kenntniss und Gründlichkeit nachgegangen und hat in con¬ sequenter Weise die physikalischen Gesichtspunkte durchge¬ arbeitet, welche sowohl die amoeboiden Bewegungen, als auch die Innenströmungen des Protoplasmas erklärlich machen könnten; die Körnchen des Protoplasmas hält Berthold, wie schon er¬ wähnt, für todte Einlagerungen; durch direkte Beobachtungen konnte er sich von der Analogie der Bewegung lebloser Emul¬ sionen und lebender Plasmen überzeugen. Als Pendant zu diesen Bemühungen Berthold's können wir die neuesten Versuche Bütschli's 1 betrachten, der das Proto¬ plasma ebenfalls für eine Emulsion hält, aber im Anschluss an Heitzmann und Frommann im Sinne eines Seifenschaumes, bei welchem das Plasma das äusserst feine wabige Gerüstwerk bildet, während die rundlichen Lücken von indifferenter Flüssig¬ keit gefüllt würden. Wie Berthold, so hat auch Bütschli in Anlehnung an die Versuche von G. Quincke 2 Bewegungen an diesen leblosen Emulsionen beobachtet, welche den Protoplasma¬ bewegungen ähnlich sein sollen, ja sogar die Wirkung der Temperatur und der Elektricität daran nicht ganz vermisst. Solche Bemühungen, an Stelle der unklaren vitalen Ursachen physikalische Erklärungen zu schaffen, sind immer dankbar auf¬ zunehmen, selbst wenn sie wie meistens so auch hier nicht ganz hinreichend sein sollten, die Unklarheiten der Vitalität auf¬ zuhellen. Wie bis jetzt der Sachverhalt liegt, glaube ich, dass man in Zukunft die Beobachtungen solcher vitalen Bewegungen, wie sie an Hauser's Zoogloeen von Proteus vulgaris gesehen werden können, mit jenen physikalischen Emulsionsbewegungen wird combiniren müssen, um zu einem allmählichen Verständniss der Protoplasmabewegungen zu gelangen. Zunächst wird man sich natürlich über die Grundlagen einigen müssen, dass das Proto¬ 1 Bütschli, Biologisches Centralblatt 1888, S. 161. Derselbe, Ueber die Structur des Protoplasmas. Aus d. Verhandl. des nat. Vereins zu Heidel¬ berg 1889. 2 G. Quincke, Ueber period. Ausbreitung etc. Annalen der Ph. u. Ch. 1888.

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Zitationshilfe: Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/altmann_elementarorganismen_1890/61>, abgerufen am 21.11.2024.