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Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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uns verwundert an. Der Baron gab ihm eine Visitenkarte mit dem Auftrag, er lasse den Amtmann um eine kurze Unterredung ersuchen.

Diese Meldung stärte, wie ich später erfuhr, Herrn O., welcher, von seiner Schlittenfahrt bereits zurückgekehrt, beim Frühstück saß, in einer an Fräulein von Halden gerichteten Rede, welche von meiner Abreise beginnend zu einer Zergliederung meines Charakters im Allgemeinen und meiner "gewissenlosen" Handlungsweise im Besondern überging, dann meine armseligen Verhältnisse und die Unmöglichkeit ausführte, daß ich je zu einer anständigen Versorgung gelangen konnte. Er war gerade bei der näheren Begründung dieses letztern Punktes, als ihm die Karte und Bestellung des Barons überbracht wurde.

Was will der Mann von mir? Ich kenn' ihn nicht, sagte der Amtmann.

Der Name ist mir bekannt, rief das Fräulein, es ist ein alter Freund meines seligen Vaters.

Der Amtmann entfernte sich.

Herr Friedmann ist auch wieder mit angekommen, bemerkte der Kutscher.

Was? wie kommt Der hierher?

Im Wagen des Barons.

Ich will von Beiden nichts wissen, rief der Amtmann heftig; sie sollen sich packen, ich bin nicht zu Hause. Aber ich, sagte das Fräulein sich erhebend mit fester Stimme, ich will den Freund und Waffenbruder meines Vaters sehen; ich glaube ein Recht dazu zu haben.

Das haben Sie allerdings, mein Fräulein, sagte der bei diesen Worten mit mir ins Zimmer tretende Baron, und ich bin hier, Sie in diesem, wie in ihren sonstigen Rechten zu vertreten.

Er verbeugte sich gegen den Amtmann.

Dieser erhob sich und maß den Baron mit einem stechenden Blicke.

uns verwundert an. Der Baron gab ihm eine Visitenkarte mit dem Auftrag, er lasse den Amtmann um eine kurze Unterredung ersuchen.

Diese Meldung stärte, wie ich später erfuhr, Herrn O., welcher, von seiner Schlittenfahrt bereits zurückgekehrt, beim Frühstück saß, in einer an Fräulein von Halden gerichteten Rede, welche von meiner Abreise beginnend zu einer Zergliederung meines Charakters im Allgemeinen und meiner „gewissenlosen“ Handlungsweise im Besondern überging, dann meine armseligen Verhältnisse und die Unmöglichkeit ausführte, daß ich je zu einer anständigen Versorgung gelangen konnte. Er war gerade bei der näheren Begründung dieses letztern Punktes, als ihm die Karte und Bestellung des Barons überbracht wurde.

Was will der Mann von mir? Ich kenn' ihn nicht, sagte der Amtmann.

Der Name ist mir bekannt, rief das Fräulein, es ist ein alter Freund meines seligen Vaters.

Der Amtmann entfernte sich.

Herr Friedmann ist auch wieder mit angekommen, bemerkte der Kutscher.

Was? wie kommt Der hierher?

Im Wagen des Barons.

Ich will von Beiden nichts wissen, rief der Amtmann heftig; sie sollen sich packen, ich bin nicht zu Hause. Aber ich, sagte das Fräulein sich erhebend mit fester Stimme, ich will den Freund und Waffenbruder meines Vaters sehen; ich glaube ein Recht dazu zu haben.

Das haben Sie allerdings, mein Fräulein, sagte der bei diesen Worten mit mir ins Zimmer tretende Baron, und ich bin hier, Sie in diesem, wie in ihren sonstigen Rechten zu vertreten.

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[0070] uns verwundert an. Der Baron gab ihm eine Visitenkarte mit dem Auftrag, er lasse den Amtmann um eine kurze Unterredung ersuchen. Diese Meldung stärte, wie ich später erfuhr, Herrn O., welcher, von seiner Schlittenfahrt bereits zurückgekehrt, beim Frühstück saß, in einer an Fräulein von Halden gerichteten Rede, welche von meiner Abreise beginnend zu einer Zergliederung meines Charakters im Allgemeinen und meiner „gewissenlosen“ Handlungsweise im Besondern überging, dann meine armseligen Verhältnisse und die Unmöglichkeit ausführte, daß ich je zu einer anständigen Versorgung gelangen konnte. Er war gerade bei der näheren Begründung dieses letztern Punktes, als ihm die Karte und Bestellung des Barons überbracht wurde. Was will der Mann von mir? Ich kenn' ihn nicht, sagte der Amtmann. Der Name ist mir bekannt, rief das Fräulein, es ist ein alter Freund meines seligen Vaters. Der Amtmann entfernte sich. Herr Friedmann ist auch wieder mit angekommen, bemerkte der Kutscher. Was? wie kommt Der hierher? Im Wagen des Barons. Ich will von Beiden nichts wissen, rief der Amtmann heftig; sie sollen sich packen, ich bin nicht zu Hause. Aber ich, sagte das Fräulein sich erhebend mit fester Stimme, ich will den Freund und Waffenbruder meines Vaters sehen; ich glaube ein Recht dazu zu haben. Das haben Sie allerdings, mein Fräulein, sagte der bei diesen Worten mit mir ins Zimmer tretende Baron, und ich bin hier, Sie in diesem, wie in ihren sonstigen Rechten zu vertreten. Er verbeugte sich gegen den Amtmann. Dieser erhob sich und maß den Baron mit einem stechenden Blicke.

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Zitationshilfe: Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/70>, abgerufen am 24.11.2024.