Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Hier in meinem lichten Atelier ist es endlich zur
Aussprache zwischen uns gekommen, und nirgends anders
durfte es auch sein, -- denn von sämtlichen Männern,
die ich gekannt, gehörst du am engsten und intimsten in
alles das hinein, was mich als Künstlerin angeht: mehr
vielleicht noch, wie wenn du selbst ausübender Künstler
wärst. Wenigstens kommt es mir immer vor, als übte
ich mit Kunstmitteln das ein wenig aus, was du mit dem
ganzen Leben lebst, in deiner reichen Art, die Dinge voll
und ganz zu nehmen und ihnen zu lebendiger Schönheit
zu verhelfen. Für solch ein volles, ganzes Ding nahmst
du auch mich, und liebtest darum mich vor allen andern,
-- ich weiß es wohl. In meinen Bildern und Skizzen,
denen niemand so fein nachgegangen ist wie du, schien
dir mein ganzes Ich enthalten zu sein, und dahinter
-- ach dahinter lag nur eine alte Jugendschwärmerei,
die kaum von der Wirklichkeit berührt worden ist. Du
hast darin ja auch recht. Und doch -- und doch --?
Warum trennten wir uns dann bis auf weiteres, warum
gehst du jetzt umher mit zögernder, halb schon versagen¬
der Hoffnung auf unsre Zukunft, -- und ich, anstatt in
fröhlicher Arbeit vor meiner Staffelei zu stehn, warum
sitze ich hier am Tisch gebückt, tief gebückt, und schreibe

Hier in meinem lichten Atelier iſt es endlich zur
Ausſprache zwiſchen uns gekommen, und nirgends anders
durfte es auch ſein, — denn von ſämtlichen Männern,
die ich gekannt, gehörſt du am engſten und intimſten in
alles das hinein, was mich als Künſtlerin angeht: mehr
vielleicht noch, wie wenn du ſelbſt ausübender Künſtler
wärſt. Wenigſtens kommt es mir immer vor, als übte
ich mit Kunſtmitteln das ein wenig aus, was du mit dem
ganzen Leben lebſt, in deiner reichen Art, die Dinge voll
und ganz zu nehmen und ihnen zu lebendiger Schönheit
zu verhelfen. Für ſolch ein volles, ganzes Ding nahmſt
du auch mich, und liebteſt darum mich vor allen andern,
— ich weiß es wohl. In meinen Bildern und Skizzen,
denen niemand ſo fein nachgegangen iſt wie du, ſchien
dir mein ganzes Ich enthalten zu ſein, und dahinter
— ach dahinter lag nur eine alte Jugendſchwärmerei,
die kaum von der Wirklichkeit berührt worden iſt. Du
haſt darin ja auch recht. Und doch — und doch —?
Warum trennten wir uns dann bis auf weiteres, warum
gehſt du jetzt umher mit zögernder, halb ſchon verſagen¬
der Hoffnung auf unſre Zukunft, — und ich, anſtatt in
fröhlicher Arbeit vor meiner Staffelei zu ſtehn, warum
ſitze ich hier am Tiſch gebückt, tief gebückt, und ſchreibe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0105"/>
        <p><hi rendition="#fr #in">H</hi>ier in meinem lichten Atelier i&#x017F;t es endlich zur<lb/>
Aus&#x017F;prache zwi&#x017F;chen uns gekommen, und nirgends anders<lb/>
durfte es auch &#x017F;ein, &#x2014; denn von &#x017F;ämtlichen Männern,<lb/>
die ich gekannt, gehör&#x017F;t du am eng&#x017F;ten und intim&#x017F;ten in<lb/>
alles das hinein, was mich als Kün&#x017F;tlerin angeht: mehr<lb/>
vielleicht noch, wie wenn du &#x017F;elb&#x017F;t ausübender Kün&#x017F;tler<lb/>
wär&#x017F;t. Wenig&#x017F;tens kommt es mir immer vor, als übte<lb/>
ich mit Kun&#x017F;tmitteln das ein wenig aus, was du mit dem<lb/>
ganzen Leben leb&#x017F;t, in deiner reichen Art, die Dinge voll<lb/>
und ganz zu nehmen und ihnen zu lebendiger Schönheit<lb/>
zu verhelfen. Für &#x017F;olch ein volles, ganzes Ding nahm&#x017F;t<lb/>
du auch mich, und liebte&#x017F;t darum mich vor allen andern,<lb/>
&#x2014; ich weiß es wohl. In meinen Bildern und Skizzen,<lb/>
denen niemand &#x017F;o fein nachgegangen i&#x017F;t wie du, &#x017F;chien<lb/>
dir mein ganzes Ich enthalten zu &#x017F;ein, und dahinter<lb/>
&#x2014; ach dahinter lag nur eine alte Jugend&#x017F;chwärmerei,<lb/>
die kaum von der Wirklichkeit berührt worden i&#x017F;t. Du<lb/>
ha&#x017F;t darin ja auch recht. Und doch &#x2014; und doch &#x2014;?<lb/>
Warum trennten wir uns dann bis auf weiteres, warum<lb/>
geh&#x017F;t du jetzt umher mit zögernder, halb &#x017F;chon ver&#x017F;agen¬<lb/>
der Hoffnung auf un&#x017F;re Zukunft, &#x2014; und ich, an&#x017F;tatt in<lb/>
fröhlicher Arbeit vor meiner Staffelei zu &#x017F;tehn, warum<lb/>
&#x017F;itze ich hier am Ti&#x017F;ch gebückt, tief gebückt, und &#x017F;chreibe<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0105] Hier in meinem lichten Atelier iſt es endlich zur Ausſprache zwiſchen uns gekommen, und nirgends anders durfte es auch ſein, — denn von ſämtlichen Männern, die ich gekannt, gehörſt du am engſten und intimſten in alles das hinein, was mich als Künſtlerin angeht: mehr vielleicht noch, wie wenn du ſelbſt ausübender Künſtler wärſt. Wenigſtens kommt es mir immer vor, als übte ich mit Kunſtmitteln das ein wenig aus, was du mit dem ganzen Leben lebſt, in deiner reichen Art, die Dinge voll und ganz zu nehmen und ihnen zu lebendiger Schönheit zu verhelfen. Für ſolch ein volles, ganzes Ding nahmſt du auch mich, und liebteſt darum mich vor allen andern, — ich weiß es wohl. In meinen Bildern und Skizzen, denen niemand ſo fein nachgegangen iſt wie du, ſchien dir mein ganzes Ich enthalten zu ſein, und dahinter — ach dahinter lag nur eine alte Jugendſchwärmerei, die kaum von der Wirklichkeit berührt worden iſt. Du haſt darin ja auch recht. Und doch — und doch —? Warum trennten wir uns dann bis auf weiteres, warum gehſt du jetzt umher mit zögernder, halb ſchon verſagen¬ der Hoffnung auf unſre Zukunft, — und ich, anſtatt in fröhlicher Arbeit vor meiner Staffelei zu ſtehn, warum ſitze ich hier am Tiſch gebückt, tief gebückt, und ſchreibe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/105
Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/105>, abgerufen am 21.11.2024.