Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

ungefähr, der einer gar erstaunlichen Mär und Kunde
lauscht.

"-- Denkst du das wirklich?" fragte sie zweifelnd
und erwartungsvoll, "-- ich meine, denkst du so im
tiefsten Ernst? Hast du denn jemals diese Dinge so em¬
pfunden, wie du da sagst, -- grade so?"

"-- Ich? -- -- Nun, ich selbst grade nicht.
-- -- Aber ich hab es von andern gehört," bemerkte
er etwas kleinlaut.

Sie bückte enttäuscht den Kopf.

"Von andern gehört!" wiederholte sie.

Sie that ihm leid. Offenbar hatte sie von seinen halb
ironisch gemeinten Worten eine Art von Hilfe in ihren Zwei¬
feln erwartet, -- war er doch ihr Freund! Es drängte
ihn über die Maßen, sie wieder beruhigt und heiter zu sehen.

"Aber Fenitschka," redete er ihr zu, "was kommt
denn auf mich an! Bin ich denn ein Vorbild auf diesem
Gebiet?! -- Nein, -- nicht wahr? Und überhaupt, was
so ein Mann darüber spricht! Ihr Frauen empfindet
schließlich doch anders, -- besser, feiner. -- Aus der
Ueberzeugung heraus sprach ich. Glaube mir, ihr wollt
im Grunde doch die Dauer und vollkommne Zusammen¬
gehörigkeit, -- das weiß ich von der, die mich lieb hat,
Fenia. Denn wollte sie das im Grunde nicht, wollte
sie nicht so inbrünstig das ganze Leben mit mir teilen,
so wär es ja keine rechte Liebe, sondern nur eine --
eigentlich eine reine Sinnen --"

"Sondern nur eine rein sinnliche Leidenschaft, --
nur eine sinnliche," ergänzte Fenia mit bedeckter Stimme,
sah ihn an, und wurde plötzlich blaß.

ungefähr, der einer gar erſtaunlichen Mär und Kunde
lauſcht.

„— Denkſt du das wirklich?“ fragte ſie zweifelnd
und erwartungsvoll, „— ich meine, denkſt du ſo im
tiefſten Ernſt? Haſt du denn jemals dieſe Dinge ſo em¬
pfunden, wie du da ſagſt, — grade ſo?“

„— Ich? — — Nun, ich ſelbſt grade nicht.
— — Aber ich hab es von andern gehört,“ bemerkte
er etwas kleinlaut.

Sie bückte enttäuſcht den Kopf.

„Von andern gehört!“ wiederholte ſie.

Sie that ihm leid. Offenbar hatte ſie von ſeinen halb
ironiſch gemeinten Worten eine Art von Hilfe in ihren Zwei¬
feln erwartet, — war er doch ihr Freund! Es drängte
ihn über die Maßen, ſie wieder beruhigt und heiter zu ſehen.

„Aber Fenitſchka,“ redete er ihr zu, „was kommt
denn auf mich an! Bin ich denn ein Vorbild auf dieſem
Gebiet?! — Nein, — nicht wahr? Und überhaupt, was
ſo ein Mann darüber ſpricht! Ihr Frauen empfindet
ſchließlich doch anders, — beſſer, feiner. — Aus der
Ueberzeugung heraus ſprach ich. Glaube mir, ihr wollt
im Grunde doch die Dauer und vollkommne Zuſammen¬
gehörigkeit, — das weiß ich von der, die mich lieb hat,
Fenia. Denn wollte ſie das im Grunde nicht, wollte
ſie nicht ſo inbrünſtig das ganze Leben mit mir teilen,
ſo wär es ja keine rechte Liebe, ſondern nur eine —
eigentlich eine reine Sinnen —“

„Sondern nur eine rein ſinnliche Leidenſchaft, —
nur eine ſinnliche,“ ergänzte Fenia mit bedeckter Stimme,
ſah ihn an, und wurde plötzlich blaß.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0086" n="82"/><fw type="pageNum" place="top">&#x2014; 82 &#x2014;<lb/></fw>ungefähr, der einer gar er&#x017F;taunlichen Mär und Kunde<lb/>
lau&#x017F;cht.</p><lb/>
        <p>&#x201E;&#x2014; Denk&#x017F;t du das wirklich?&#x201C; fragte &#x017F;ie zweifelnd<lb/>
und erwartungsvoll, &#x201E;&#x2014; ich meine, denk&#x017F;t du &#x017F;o im<lb/>
tief&#x017F;ten Ern&#x017F;t? Ha&#x017F;t du denn jemals die&#x017F;e Dinge &#x017F;o em¬<lb/>
pfunden, wie du da &#x017F;ag&#x017F;t, &#x2014; grade &#x017F;o?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;&#x2014; Ich? &#x2014; &#x2014; Nun, ich &#x017F;elb&#x017F;t grade nicht.<lb/>
&#x2014; &#x2014; Aber ich hab es von andern gehört,&#x201C; bemerkte<lb/>
er etwas kleinlaut.</p><lb/>
        <p>Sie bückte enttäu&#x017F;cht den Kopf.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Von andern gehört!&#x201C; wiederholte &#x017F;ie.</p><lb/>
        <p>Sie that ihm leid. Offenbar hatte &#x017F;ie von &#x017F;einen halb<lb/>
ironi&#x017F;ch gemeinten Worten eine Art von Hilfe in ihren Zwei¬<lb/>
feln erwartet, &#x2014; war er doch ihr Freund! Es drängte<lb/>
ihn über die Maßen, &#x017F;ie wieder beruhigt und heiter zu &#x017F;ehen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber Fenit&#x017F;chka,&#x201C; redete er ihr zu, &#x201E;was kommt<lb/>
denn auf mich an! Bin ich denn ein Vorbild auf die&#x017F;em<lb/>
Gebiet?! &#x2014; Nein, &#x2014; nicht wahr? Und überhaupt, was<lb/>
&#x017F;o ein Mann darüber &#x017F;pricht! Ihr Frauen empfindet<lb/>
&#x017F;chließlich doch anders, &#x2014; be&#x017F;&#x017F;er, feiner. &#x2014; Aus <hi rendition="#g">der</hi><lb/>
Ueberzeugung heraus &#x017F;prach ich. Glaube mir, ihr wollt<lb/>
im Grunde doch die Dauer und vollkommne Zu&#x017F;ammen¬<lb/>
gehörigkeit, &#x2014; das weiß ich von der, die <hi rendition="#g">mich</hi> lieb hat,<lb/>
Fenia. Denn wollte &#x017F;ie das im Grunde nicht, wollte<lb/>
&#x017F;ie nicht &#x017F;o inbrün&#x017F;tig das ganze Leben mit mir teilen,<lb/>
&#x017F;o wär es ja keine rechte Liebe, &#x017F;ondern nur eine &#x2014;<lb/>
eigentlich eine reine Sinnen &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sondern nur eine rein &#x017F;innliche Leiden&#x017F;chaft, &#x2014;<lb/>
nur eine &#x017F;innliche,&#x201C; ergänzte Fenia mit bedeckter Stimme,<lb/>
&#x017F;ah ihn an, und wurde plötzlich blaß.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0086] — 82 — ungefähr, der einer gar erſtaunlichen Mär und Kunde lauſcht. „— Denkſt du das wirklich?“ fragte ſie zweifelnd und erwartungsvoll, „— ich meine, denkſt du ſo im tiefſten Ernſt? Haſt du denn jemals dieſe Dinge ſo em¬ pfunden, wie du da ſagſt, — grade ſo?“ „— Ich? — — Nun, ich ſelbſt grade nicht. — — Aber ich hab es von andern gehört,“ bemerkte er etwas kleinlaut. Sie bückte enttäuſcht den Kopf. „Von andern gehört!“ wiederholte ſie. Sie that ihm leid. Offenbar hatte ſie von ſeinen halb ironiſch gemeinten Worten eine Art von Hilfe in ihren Zwei¬ feln erwartet, — war er doch ihr Freund! Es drängte ihn über die Maßen, ſie wieder beruhigt und heiter zu ſehen. „Aber Fenitſchka,“ redete er ihr zu, „was kommt denn auf mich an! Bin ich denn ein Vorbild auf dieſem Gebiet?! — Nein, — nicht wahr? Und überhaupt, was ſo ein Mann darüber ſpricht! Ihr Frauen empfindet ſchließlich doch anders, — beſſer, feiner. — Aus der Ueberzeugung heraus ſprach ich. Glaube mir, ihr wollt im Grunde doch die Dauer und vollkommne Zuſammen¬ gehörigkeit, — das weiß ich von der, die mich lieb hat, Fenia. Denn wollte ſie das im Grunde nicht, wollte ſie nicht ſo inbrünſtig das ganze Leben mit mir teilen, ſo wär es ja keine rechte Liebe, ſondern nur eine — eigentlich eine reine Sinnen —“ „Sondern nur eine rein ſinnliche Leidenſchaft, — nur eine ſinnliche,“ ergänzte Fenia mit bedeckter Stimme, ſah ihn an, und wurde plötzlich blaß.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/86
Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/86>, abgerufen am 11.05.2024.