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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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den Blutumlauf etwas, ohne zu erhitzen oder Wallungen zu
machen; anderer ersprießlicher Wirkungen nicht zu gedenken.

Bejahrteren oder phlegmatischen Eßkünstlern passen dagegen
die alten edlen und kräftigen Weine, am Ende der Mahlzeit
genossen, welche erregender und hebender wirken. Die Saler-
nitaner nennen solche Weine Vina theologica. Sehr schwache
säuerliche Weine passen für Niemand.

Aepfel-, Birn-, Johannisbeer- und Stachelbeer-Weine
kommen gar nicht in Betracht.

Sehr schöne tägliche Tischweine sind die Ungarischen rothen
Weine, Ofner, Erlauer, Adelsberger u. a., wie ich mich aus
meinen Wiener Studien mit vielem Vergnügen erinnere. Schade
nur, daß sie sich nicht länger halten.

Uebrigens sei man in der Auswahl nicht zu ängstlich.
Mäßig, und nicht sowohl während, als vielmehr in den
Zwischenpausen oder nach dem Essen getrunken, werden die-
jenigen, welche am schönsten schmecken, auch am besten bekommen.

Menschen, welche sich stark körperlich bewegen, sollen guten
Wein trinken zur Erhaltung der Muskelkraft; solche aber, welche
eine sitzende Lebensart führen, sollen guten Wein trinken, um
den Reiz jener Bewegung zu ersetzen. Im Winter ist es sehr
dienlich, guten Wein zu trinken, um sich zu erwärmen, und was
ist im heißen, trocknen, staubigen Sommer erfrischender und
belebender, als ein gutes Glas Wein?

Am besten schmeckt der Wein, wenn man ihn in der Ab-
sicht trinkt, sich ihn schmecken zu lassen.

Als Grundsatz darf gelten: Man kann wohl, sehr wohl,
ohne Wein zu trinken essen, man sollte aber niemals Wein
trinken, ohne etwas dazu zu essen.

Es wird aber häufig auch noch darin gefehlt, oder gar
nicht darauf geachtet, auf gewisse wahlverwandtschaftliche Ver-
hältnisse gewisser Weine zu gewissen Speisen bei der Wahl Rück-
sicht zu nehmen. So giebt's auch Speisen, welche entweder

den Blutumlauf etwas, ohne zu erhitzen oder Wallungen zu
machen; anderer erſprießlicher Wirkungen nicht zu gedenken.

Bejahrteren oder phlegmatiſchen Eßkuͤnſtlern paſſen dagegen
die alten edlen und kraͤftigen Weine, am Ende der Mahlzeit
genoſſen, welche erregender und hebender wirken. Die Saler-
nitaner nennen ſolche Weine Vina theologica. Sehr ſchwache
ſaͤuerliche Weine paſſen fuͤr Niemand.

Aepfel-, Birn-, Johannisbeer- und Stachelbeer-Weine
kommen gar nicht in Betracht.

Sehr ſchoͤne taͤgliche Tiſchweine ſind die Ungariſchen rothen
Weine, Ofner, Erlauer, Adelsberger u. a., wie ich mich aus
meinen Wiener Studien mit vielem Vergnuͤgen erinnere. Schade
nur, daß ſie ſich nicht laͤnger halten.

Uebrigens ſei man in der Auswahl nicht zu aͤngſtlich.
Maͤßig, und nicht ſowohl waͤhrend, als vielmehr in den
Zwiſchenpauſen oder nach dem Eſſen getrunken, werden die-
jenigen, welche am ſchoͤnſten ſchmecken, auch am beſten bekommen.

Menſchen, welche ſich ſtark koͤrperlich bewegen, ſollen guten
Wein trinken zur Erhaltung der Muskelkraft; ſolche aber, welche
eine ſitzende Lebensart fuͤhren, ſollen guten Wein trinken, um
den Reiz jener Bewegung zu erſetzen. Im Winter iſt es ſehr
dienlich, guten Wein zu trinken, um ſich zu erwaͤrmen, und was
iſt im heißen, trocknen, ſtaubigen Sommer erfriſchender und
belebender, als ein gutes Glas Wein?

Am beſten ſchmeckt der Wein, wenn man ihn in der Ab-
ſicht trinkt, ſich ihn ſchmecken zu laſſen.

Als Grundſatz darf gelten: Man kann wohl, ſehr wohl,
ohne Wein zu trinken eſſen, man ſollte aber niemals Wein
trinken, ohne etwas dazu zu eſſen.

Es wird aber haͤufig auch noch darin gefehlt, oder gar
nicht darauf geachtet, auf gewiſſe wahlverwandtſchaftliche Ver-
haͤltniſſe gewiſſer Weine zu gewiſſen Speiſen bei der Wahl Ruͤck-
ſicht zu nehmen. So giebt’s auch Speiſen, welche entweder

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[254/0268] den Blutumlauf etwas, ohne zu erhitzen oder Wallungen zu machen; anderer erſprießlicher Wirkungen nicht zu gedenken. Bejahrteren oder phlegmatiſchen Eßkuͤnſtlern paſſen dagegen die alten edlen und kraͤftigen Weine, am Ende der Mahlzeit genoſſen, welche erregender und hebender wirken. Die Saler- nitaner nennen ſolche Weine Vina theologica. Sehr ſchwache ſaͤuerliche Weine paſſen fuͤr Niemand. Aepfel-, Birn-, Johannisbeer- und Stachelbeer-Weine kommen gar nicht in Betracht. Sehr ſchoͤne taͤgliche Tiſchweine ſind die Ungariſchen rothen Weine, Ofner, Erlauer, Adelsberger u. a., wie ich mich aus meinen Wiener Studien mit vielem Vergnuͤgen erinnere. Schade nur, daß ſie ſich nicht laͤnger halten. Uebrigens ſei man in der Auswahl nicht zu aͤngſtlich. Maͤßig, und nicht ſowohl waͤhrend, als vielmehr in den Zwiſchenpauſen oder nach dem Eſſen getrunken, werden die- jenigen, welche am ſchoͤnſten ſchmecken, auch am beſten bekommen. Menſchen, welche ſich ſtark koͤrperlich bewegen, ſollen guten Wein trinken zur Erhaltung der Muskelkraft; ſolche aber, welche eine ſitzende Lebensart fuͤhren, ſollen guten Wein trinken, um den Reiz jener Bewegung zu erſetzen. Im Winter iſt es ſehr dienlich, guten Wein zu trinken, um ſich zu erwaͤrmen, und was iſt im heißen, trocknen, ſtaubigen Sommer erfriſchender und belebender, als ein gutes Glas Wein? Am beſten ſchmeckt der Wein, wenn man ihn in der Ab- ſicht trinkt, ſich ihn ſchmecken zu laſſen. Als Grundſatz darf gelten: Man kann wohl, ſehr wohl, ohne Wein zu trinken eſſen, man ſollte aber niemals Wein trinken, ohne etwas dazu zu eſſen. Es wird aber haͤufig auch noch darin gefehlt, oder gar nicht darauf geachtet, auf gewiſſe wahlverwandtſchaftliche Ver- haͤltniſſe gewiſſer Weine zu gewiſſen Speiſen bei der Wahl Ruͤck- ſicht zu nehmen. So giebt’s auch Speiſen, welche entweder

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/268>, abgerufen am 17.05.2024.