Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.gebilde vorzüglich präparative Kunstberücksichtigung zu widmen. Der Charakter dieser Wurst soll entschieden, ernst, männ- Die Idee des Lebens soll sich abspiegeln in der Idee dieser So viel nur in bündigster Kürze über meine Wurst, von Dieses angeregte Weiterstreben schließt aber zeitweise Rast Möchte unsere verstimmte, dumme, ernsthafte Zeit wieder Läge es doch an mir, daß es jedem, der wirklich ein 18*
gebilde vorzuͤglich praͤparative Kunſtberuͤckſichtigung zu widmen. Der Charakter dieſer Wurſt ſoll entſchieden, ernſt, maͤnn- Die Idee des Lebens ſoll ſich abſpiegeln in der Idee dieſer So viel nur in buͤndigſter Kuͤrze uͤber meine Wurſt, von Dieſes angeregte Weiterſtreben ſchließt aber zeitweiſe Raſt Moͤchte unſere verſtimmte, dumme, ernſthafte Zeit wieder Laͤge es doch an mir, daß es jedem, der wirklich ein 18*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0289" n="275"/> gebilde vorzuͤglich praͤparative Kunſtberuͤckſichtigung zu widmen.<lb/> Auch darf die Zeit, innerhalb welcher dieſe Wurſt im Raume<lb/> der Raͤucherkammer zu verbleiben hat, je nur eine moͤglichſt<lb/> kleinſte ſein.</p><lb/> <p>Der Charakter dieſer Wurſt ſoll entſchieden, ernſt, maͤnn-<lb/> lich, ſcharf, ausdrucksvoll, — Gluth und Hitze des Suͤdens mit<lb/> trockner Herbheit und Dauerbarkeit des Nordens verbindend und<lb/> verſoͤhnend, — anregend, mephiſtopheliſch reizend, teufliſch hu-<lb/> moriſtiſch — und doch lockend, mild und freundlich anſprechend<lb/> ſein. Es ſoll dadurch ſowohl das Verlangen nach jenem ſchoͤnen<lb/> Gegenſatz fluͤſſigen Goldes (Rheinwein z. B.) eben ſo angeregt,<lb/> als auch der verhallende Genuß dieſer Wonne des Fluͤſſigen in<lb/> ſanfter, aber kraͤftiger, feſter Vermittlung ausgeglichen werden.</p><lb/> <p>Die Idee des Lebens ſoll ſich abſpiegeln in der Idee dieſer<lb/> Wurſt: ſie ſoll anregen, aber nicht befriedigen; — ſie ſoll zu<lb/> kraͤftiger Thaͤtigkeit aufrufen, aber nicht traͤges muͤheloſes Ge-<lb/> nuͤgen geben.</p><lb/> <p>So viel nur in buͤndigſter Kuͤrze uͤber meine Wurſt, von<lb/> der noch gar Manches zu ſagen waͤre. Uebrigens wird ſie<lb/> natuͤrlich kalt verſpeiſt.</p><lb/> <p>Dieſes angeregte Weiterſtreben ſchließt aber zeitweiſe Raſt<lb/> und Ruhe, neue Kraͤfte ſammelnde Erholung, froͤhliches Ge-<lb/> nießen nicht aus, fordert es vielmehr mit abſoluter Nothwen-<lb/> digkeit. Wohl dem Manne, der ein Mann iſt, und zugleich<lb/> etwas, — aber ja nicht zu viel — von einem <hi rendition="#g">Jean Paulſchen</hi><lb/> Schulmeiſterlein <hi rendition="#g">Wuz</hi> in ſich hat!</p><lb/> <p>Moͤchte unſere verſtimmte, dumme, ernſthafte Zeit wieder<lb/> geſcheidt und luſtig werden, und es ſein und bleiben koͤnnen.</p><lb/> <p>Laͤge es doch an mir, daß es jedem, der wirklich ein<lb/> Menſch iſt, vom ganzen Herzen, und ſo ſehr als immer moͤglich<lb/> wohlſchmeckte auf der Welt, daß der Himmel jeden Nichteß-<lb/> kuͤnſtler erleuchtete und begabte, und der Teufel jeden holte, der<lb/> vernuͤnftiges Eſſen ſtoͤren will!</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">18*</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [275/0289]
gebilde vorzuͤglich praͤparative Kunſtberuͤckſichtigung zu widmen.
Auch darf die Zeit, innerhalb welcher dieſe Wurſt im Raume
der Raͤucherkammer zu verbleiben hat, je nur eine moͤglichſt
kleinſte ſein.
Der Charakter dieſer Wurſt ſoll entſchieden, ernſt, maͤnn-
lich, ſcharf, ausdrucksvoll, — Gluth und Hitze des Suͤdens mit
trockner Herbheit und Dauerbarkeit des Nordens verbindend und
verſoͤhnend, — anregend, mephiſtopheliſch reizend, teufliſch hu-
moriſtiſch — und doch lockend, mild und freundlich anſprechend
ſein. Es ſoll dadurch ſowohl das Verlangen nach jenem ſchoͤnen
Gegenſatz fluͤſſigen Goldes (Rheinwein z. B.) eben ſo angeregt,
als auch der verhallende Genuß dieſer Wonne des Fluͤſſigen in
ſanfter, aber kraͤftiger, feſter Vermittlung ausgeglichen werden.
Die Idee des Lebens ſoll ſich abſpiegeln in der Idee dieſer
Wurſt: ſie ſoll anregen, aber nicht befriedigen; — ſie ſoll zu
kraͤftiger Thaͤtigkeit aufrufen, aber nicht traͤges muͤheloſes Ge-
nuͤgen geben.
So viel nur in buͤndigſter Kuͤrze uͤber meine Wurſt, von
der noch gar Manches zu ſagen waͤre. Uebrigens wird ſie
natuͤrlich kalt verſpeiſt.
Dieſes angeregte Weiterſtreben ſchließt aber zeitweiſe Raſt
und Ruhe, neue Kraͤfte ſammelnde Erholung, froͤhliches Ge-
nießen nicht aus, fordert es vielmehr mit abſoluter Nothwen-
digkeit. Wohl dem Manne, der ein Mann iſt, und zugleich
etwas, — aber ja nicht zu viel — von einem Jean Paulſchen
Schulmeiſterlein Wuz in ſich hat!
Moͤchte unſere verſtimmte, dumme, ernſthafte Zeit wieder
geſcheidt und luſtig werden, und es ſein und bleiben koͤnnen.
Laͤge es doch an mir, daß es jedem, der wirklich ein
Menſch iſt, vom ganzen Herzen, und ſo ſehr als immer moͤglich
wohlſchmeckte auf der Welt, daß der Himmel jeden Nichteß-
kuͤnſtler erleuchtete und begabte, und der Teufel jeden holte, der
vernuͤnftiges Eſſen ſtoͤren will!
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