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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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Bei uns, wenn eine Kleinigkeit vorfällt, z. B. einer Frau
der Mann stirbt, glaubt sie, es schickt sich nicht, wenn sie zu
Mittag ißt, und sie trinkt blos ein paar Tassen Kaffee.

Das beste Geschenk, welches Prometheus den Menschen,
nachdem er sie gemacht hatte, geben zu können glaubte, war
das Feuer, das er den Göttern stahl. Nun konnten die Sterb-
lichen braten, kochen, backen und dämpfen, und die Götter hat-
ten wenig mehr vor ihnen voraus. Die Furchtbarkeit der
Strafe, womit Prometheus belegt wurde, beweist hinlänglich,
welches Gewicht die Götter auf das Feuer, als Conditio sine
qua
keine Koch- und Eßkunst gedenkbar ist, legten.

Es ist zum Erbarmen, wenn man die Schilderungen über
das Elend der Menschen liest, als sie noch kein Feuer hatten
und ehe Vesta sie gelehrt, sich auf dem heiligen Heerde die
nährende Kost zu bereiten. So nährten sich nach dem Zeug-
niß das Aelianus die alten Arkadier hauptsächlich von Ei-
cheln, die Athenienser von Feigen, die Tirynthier von Holz-
äpfeln, die Indier von Rohr, die Caramanen von Halmen, die
Möotier und Sauromaten von Hirse. -- Welche thierischen
Zustände!

Aber selbst mit der Gabe des Feuers war's noch nicht ge-
than, so lange man nicht an's Fleischessen ging. Wie die
Viehzucht überhaupt einen Fortschritt der Menschheit bezeichnet,
welche vorher nur ackerbauend und herbivorisch lebte, eben so
verhält es sich mit dem Uebergang zum Fleischessen. Leider
hielt der ultra-conservative Triptolemus durch ein Verbot
das Volk von diesem Fortschritt lange genug zurück, bis die
Menschen so klug wurden, sich an jenes Verbot nicht mehr zu
kehren.

Hiermit fängt eine neue Epoche der Civilisation an. Lust,
Kraft und Muth erwacht, eine heitere Morgenröthe beleuchtet
die Fluren, die Helden essen Ochsen- und Lammsbraten und
Homer beginnt zu singen.


Bei uns, wenn eine Kleinigkeit vorfaͤllt, z. B. einer Frau
der Mann ſtirbt, glaubt ſie, es ſchickt ſich nicht, wenn ſie zu
Mittag ißt, und ſie trinkt blos ein paar Taſſen Kaffee.

Das beſte Geſchenk, welches Prometheus den Menſchen,
nachdem er ſie gemacht hatte, geben zu koͤnnen glaubte, war
das Feuer, das er den Goͤttern ſtahl. Nun konnten die Sterb-
lichen braten, kochen, backen und daͤmpfen, und die Goͤtter hat-
ten wenig mehr vor ihnen voraus. Die Furchtbarkeit der
Strafe, womit Prometheus belegt wurde, beweiſt hinlaͤnglich,
welches Gewicht die Goͤtter auf das Feuer, als Conditio sine
qua
keine Koch- und Eßkunſt gedenkbar iſt, legten.

Es iſt zum Erbarmen, wenn man die Schilderungen uͤber
das Elend der Menſchen lieſt, als ſie noch kein Feuer hatten
und ehe Veſta ſie gelehrt, ſich auf dem heiligen Heerde die
naͤhrende Koſt zu bereiten. So naͤhrten ſich nach dem Zeug-
niß das Aelianus die alten Arkadier hauptſaͤchlich von Ei-
cheln, die Athenienſer von Feigen, die Tirynthier von Holz-
aͤpfeln, die Indier von Rohr, die Caramanen von Halmen, die
Moͤotier und Sauromaten von Hirſe. — Welche thieriſchen
Zuſtaͤnde!

Aber ſelbſt mit der Gabe des Feuers war’s noch nicht ge-
than, ſo lange man nicht an’s Fleiſcheſſen ging. Wie die
Viehzucht uͤberhaupt einen Fortſchritt der Menſchheit bezeichnet,
welche vorher nur ackerbauend und herbivoriſch lebte, eben ſo
verhaͤlt es ſich mit dem Uebergang zum Fleiſcheſſen. Leider
hielt der ultra-conſervative Triptolemus durch ein Verbot
das Volk von dieſem Fortſchritt lange genug zuruͤck, bis die
Menſchen ſo klug wurden, ſich an jenes Verbot nicht mehr zu
kehren.

Hiermit faͤngt eine neue Epoche der Civiliſation an. Luſt,
Kraft und Muth erwacht, eine heitere Morgenroͤthe beleuchtet
die Fluren, die Helden eſſen Ochſen- und Lammsbraten und
Homer beginnt zu ſingen.


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[24/0038] Bei uns, wenn eine Kleinigkeit vorfaͤllt, z. B. einer Frau der Mann ſtirbt, glaubt ſie, es ſchickt ſich nicht, wenn ſie zu Mittag ißt, und ſie trinkt blos ein paar Taſſen Kaffee. Das beſte Geſchenk, welches Prometheus den Menſchen, nachdem er ſie gemacht hatte, geben zu koͤnnen glaubte, war das Feuer, das er den Goͤttern ſtahl. Nun konnten die Sterb- lichen braten, kochen, backen und daͤmpfen, und die Goͤtter hat- ten wenig mehr vor ihnen voraus. Die Furchtbarkeit der Strafe, womit Prometheus belegt wurde, beweiſt hinlaͤnglich, welches Gewicht die Goͤtter auf das Feuer, als Conditio sine qua keine Koch- und Eßkunſt gedenkbar iſt, legten. Es iſt zum Erbarmen, wenn man die Schilderungen uͤber das Elend der Menſchen lieſt, als ſie noch kein Feuer hatten und ehe Veſta ſie gelehrt, ſich auf dem heiligen Heerde die naͤhrende Koſt zu bereiten. So naͤhrten ſich nach dem Zeug- niß das Aelianus die alten Arkadier hauptſaͤchlich von Ei- cheln, die Athenienſer von Feigen, die Tirynthier von Holz- aͤpfeln, die Indier von Rohr, die Caramanen von Halmen, die Moͤotier und Sauromaten von Hirſe. — Welche thieriſchen Zuſtaͤnde! Aber ſelbſt mit der Gabe des Feuers war’s noch nicht ge- than, ſo lange man nicht an’s Fleiſcheſſen ging. Wie die Viehzucht uͤberhaupt einen Fortſchritt der Menſchheit bezeichnet, welche vorher nur ackerbauend und herbivoriſch lebte, eben ſo verhaͤlt es ſich mit dem Uebergang zum Fleiſcheſſen. Leider hielt der ultra-conſervative Triptolemus durch ein Verbot das Volk von dieſem Fortſchritt lange genug zuruͤck, bis die Menſchen ſo klug wurden, ſich an jenes Verbot nicht mehr zu kehren. Hiermit faͤngt eine neue Epoche der Civiliſation an. Luſt, Kraft und Muth erwacht, eine heitere Morgenroͤthe beleuchtet die Fluren, die Helden eſſen Ochſen- und Lammsbraten und Homer beginnt zu ſingen.

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/38>, abgerufen am 21.11.2024.