Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838."Ja, was kein Verstand der Verständigen sieht, Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüth." Schon hieraus mag erkannt werden, was noch öfter dar- Vor Ganymed verwaltete Hebe, Juno's Tochter, das Wie trefflich spricht sich der vielgewandte Odysseus am "Denn ich kenne gewiß kein angenehmeres Trachten, Als wenn festliche Freud' im ganzen Volk sich verbreitet Und hoch Schmaußende rings in den Wohnungen horchen dem Sänger, Sitzend in langen Reih'n, da voll vor ihnen die Tafeln Stehn mit Brod und Fleisch, und lieblichen Wein aus dem Mischkrug Schöpfet der Schenk, und tragend umher eingießt in die Becher. So was däucht mir im Geiste die seligste Wonne des Lebens." Scheint auch Odysseus dieß zunächst ad captandam be- Auch an anderen Stellen werden Lautenspiel und Gesang „Ja, was kein Verſtand der Verſtaͤndigen ſieht, Das uͤbet in Einfalt ein kindlich Gemuͤth.“ Schon hieraus mag erkannt werden, was noch oͤfter dar- Vor Ganymed verwaltete Hebe, Juno’s Tochter, das Wie trefflich ſpricht ſich der vielgewandte Odyſſeus am „Denn ich kenne gewiß kein angenehmeres Trachten, Als wenn feſtliche Freud’ im ganzen Volk ſich verbreitet Und hoch Schmaußende rings in den Wohnungen horchen dem Saͤnger, Sitzend in langen Reih’n, da voll vor ihnen die Tafeln Stehn mit Brod und Fleiſch, und lieblichen Wein aus dem Miſchkrug Schoͤpfet der Schenk, und tragend umher eingießt in die Becher. So was daͤucht mir im Geiſte die ſeligſte Wonne des Lebens.“ Scheint auch Odyſſeus dieß zunaͤchſt ad captandam be- Auch an anderen Stellen werden Lautenſpiel und Geſang <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0040" n="26"/> <lg type="poem"> <l>„Ja, was kein Verſtand der Verſtaͤndigen ſieht,</l><lb/> <l>Das uͤbet in Einfalt ein kindlich Gemuͤth.“</l> </lg><lb/> <p>Schon hieraus mag erkannt werden, was noch oͤfter dar-<lb/> gethan werden wird, daß das Schoͤnſte zugleich das Beſte und<lb/> Zweckmaͤßigſte iſt. Und wer zweifelt daran, daß das Volk der<lb/> alten Hellenen das ſchoͤnſinnigſte der Welt geweſen?</p><lb/> <p>Vor <hi rendition="#g">Ganymed</hi> verwaltete <hi rendition="#g">Hebe, Juno’s</hi> Tochter, das<lb/> Amt, den Nektar einzuſchenken, bis ſie durch einen Fehltritt deſ-<lb/> ſelben verluſtig wurde, indem ſie einſt im Fallen, durch eine<lb/> unanſtaͤndige Stellung, die Grazie entweihte, welche bei dieſem<lb/> hohen Goͤtteramte jede Bewegung begleiten mußte. — Ein<lb/> Volk, das ſich ſolche Goͤtter bildet, fuͤhlt, was Grazie iſt, und<lb/> muß auch ſchoͤn gegeſſen haben.</p><lb/> <p>Wie trefflich ſpricht ſich der vielgewandte <hi rendition="#g">Odyſſeus</hi> am<lb/> Hofe des <hi rendition="#g">Alkinoos</hi>, des Fuͤrſten der Phaͤaken, hieruͤber aus:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Denn ich kenne gewiß kein angenehmeres Trachten,</l><lb/> <l>Als wenn feſtliche Freud’ im ganzen Volk ſich verbreitet</l><lb/> <l>Und hoch Schmaußende rings in den Wohnungen horchen dem<lb/><hi rendition="#et">Saͤnger,</hi></l><lb/> <l>Sitzend in langen Reih’n, da voll vor ihnen die Tafeln</l><lb/> <l>Stehn mit Brod und Fleiſch, und lieblichen Wein aus dem<lb/><hi rendition="#et">Miſchkrug</hi></l><lb/> <l>Schoͤpfet der Schenk, und tragend umher eingießt in die Becher.</l><lb/> <l>So was daͤucht mir im Geiſte die ſeligſte Wonne des Lebens.“</l> </lg><lb/> <p>Scheint auch <hi rendition="#g">Odyſſeus</hi> dieß zunaͤchſt <hi rendition="#aq">ad captandam be-<lb/> nevolentiam</hi> der Phaͤaken ausgeſprochen zu haben, ſo ſieht man<lb/> doch leicht, wie ſehr es ihm vom Herzen ging, und wer ſtimmte<lb/> nicht bei?</p><lb/> <p>Auch an anderen Stellen werden Lautenſpiel und Geſang<lb/> als Zierden des Mahles geprieſen. Schon findet ſich auch in<lb/> dieſer Zeit, z. B. im Hauſe des <hi rendition="#g">Odyſſeus</hi> an <hi rendition="#g">Menelaos</hi> Hofe ꝛc.<lb/> ein eigner Zerleger (δαιτρός).</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [26/0040]
„Ja, was kein Verſtand der Verſtaͤndigen ſieht,
Das uͤbet in Einfalt ein kindlich Gemuͤth.“
Schon hieraus mag erkannt werden, was noch oͤfter dar-
gethan werden wird, daß das Schoͤnſte zugleich das Beſte und
Zweckmaͤßigſte iſt. Und wer zweifelt daran, daß das Volk der
alten Hellenen das ſchoͤnſinnigſte der Welt geweſen?
Vor Ganymed verwaltete Hebe, Juno’s Tochter, das
Amt, den Nektar einzuſchenken, bis ſie durch einen Fehltritt deſ-
ſelben verluſtig wurde, indem ſie einſt im Fallen, durch eine
unanſtaͤndige Stellung, die Grazie entweihte, welche bei dieſem
hohen Goͤtteramte jede Bewegung begleiten mußte. — Ein
Volk, das ſich ſolche Goͤtter bildet, fuͤhlt, was Grazie iſt, und
muß auch ſchoͤn gegeſſen haben.
Wie trefflich ſpricht ſich der vielgewandte Odyſſeus am
Hofe des Alkinoos, des Fuͤrſten der Phaͤaken, hieruͤber aus:
„Denn ich kenne gewiß kein angenehmeres Trachten,
Als wenn feſtliche Freud’ im ganzen Volk ſich verbreitet
Und hoch Schmaußende rings in den Wohnungen horchen dem
Saͤnger,
Sitzend in langen Reih’n, da voll vor ihnen die Tafeln
Stehn mit Brod und Fleiſch, und lieblichen Wein aus dem
Miſchkrug
Schoͤpfet der Schenk, und tragend umher eingießt in die Becher.
So was daͤucht mir im Geiſte die ſeligſte Wonne des Lebens.“
Scheint auch Odyſſeus dieß zunaͤchſt ad captandam be-
nevolentiam der Phaͤaken ausgeſprochen zu haben, ſo ſieht man
doch leicht, wie ſehr es ihm vom Herzen ging, und wer ſtimmte
nicht bei?
Auch an anderen Stellen werden Lautenſpiel und Geſang
als Zierden des Mahles geprieſen. Schon findet ſich auch in
dieſer Zeit, z. B. im Hauſe des Odyſſeus an Menelaos Hofe ꝛc.
ein eigner Zerleger (δαιτρός).
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