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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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Aber nicht blos weidliche Schafe, weißzahnige Schweine,
schwerwandelnde Rinder, gefeistete Ziegen, fette Mastschweine; --
auch Austern wurden (Iliad. XV. 746) schon gespeist. Fische schei-
nen wenig geachtet gewesen zu sein. Von den Vegetabilien
kommt zunächst "muthstärkendes Brod" und Mehl, "das
Mark der Männer" vor. Wir begegnen aber auch schon künst-
licheren Constructionen, wie z. B. Gaismagen mit Fett und
Blut gefüllt und auf glühenden Kohlen gebraten, auch fleißig
umgewendet, womit der schlaflos sich umherwälzende göttliche
Dulder Odysseus verglichen wird. Hier ist also schon ein
Prototyp der vielen später entstandenen Sippen des Gattungs-
begriffes: Wurst. Ferner scheint ein Weinmus -- bestehend
aus trunkeinladenden Zwiebeln, gelblichem Honig und dem hei-
ligen Kerne des Mehles mit, auf eherner Raspel geriebenem,
Ziegenkäse und Pramnischem Wein zusammengemengt -- sehr
beliebt gewesen zu sein. In der Iliade bereitet es die lockige,
den Göttinnen vergleichbare Hekamede vor den Augen der
Gäste -- ein lieblich anmuthiges Accidens! -- und in der
Odyssee bedient sich die göttliche Kirke desselben als Köder.
Kirke läßt nun zwar die Zwiebeln weg, mischt aber unheilsa-
me Kräuter hinzu. Uebrigens ist das Epitheton der Zwiebeln:
poto opson, welches Voß sehr schön mit "trunkeinladend" über-
setzt, der sprechendste Beweis vorgeschrittener Civilisation und
bewußten Plans.

Es darf nicht übersehen werden, wie sinnig man schon die
besten Bissen zu wählen wußte. So wird z. B. des Rücken-
stücks der Braten als vorzüglich öfter gedacht. Die Schenkel,
als das Beste, opferte man den Göttern, welcher fromme Ge-
brauch freilich der Erfindung der Schinken sehr im Wege stand.

Welche erhöhte Qualität und Güte des Fleisches durch
das Vorschneiden erzielt werden kann, scheint der damaligen
Zeit noch unbekannt gewesen zu sein. Es wird dessen nirgends

Aber nicht blos weidliche Schafe, weißzahnige Schweine,
ſchwerwandelnde Rinder, gefeiſtete Ziegen, fette Maſtſchweine; —
auch Auſtern wurden (Iliad. XV. 746) ſchon geſpeiſt. Fiſche ſchei-
nen wenig geachtet geweſen zu ſein. Von den Vegetabilien
kommt zunaͤchſt „muthſtaͤrkendes Brod“ und Mehl, „das
Mark der Maͤnner“ vor. Wir begegnen aber auch ſchon kuͤnſt-
licheren Conſtructionen, wie z. B. Gaismagen mit Fett und
Blut gefuͤllt und auf gluͤhenden Kohlen gebraten, auch fleißig
umgewendet, womit der ſchlaflos ſich umherwaͤlzende goͤttliche
Dulder Odyſſeus verglichen wird. Hier iſt alſo ſchon ein
Prototyp der vielen ſpaͤter entſtandenen Sippen des Gattungs-
begriffes: Wurſt. Ferner ſcheint ein Weinmus — beſtehend
aus trunkeinladenden Zwiebeln, gelblichem Honig und dem hei-
ligen Kerne des Mehles mit, auf eherner Raspel geriebenem,
Ziegenkaͤſe und Pramniſchem Wein zuſammengemengt — ſehr
beliebt geweſen zu ſein. In der Iliade bereitet es die lockige,
den Goͤttinnen vergleichbare Hekamede vor den Augen der
Gaͤſte — ein lieblich anmuthiges Accidens! — und in der
Odyſſee bedient ſich die goͤttliche Kirke deſſelben als Koͤder.
Kirke laͤßt nun zwar die Zwiebeln weg, miſcht aber unheilſa-
me Kraͤuter hinzu. Uebrigens iſt das Epitheton der Zwiebeln:
ποτῳ ὀψον, welches Voß ſehr ſchoͤn mit „trunkeinladend“ uͤber-
ſetzt, der ſprechendſte Beweis vorgeſchrittener Civiliſation und
bewußten Plans.

Es darf nicht uͤberſehen werden, wie ſinnig man ſchon die
beſten Biſſen zu waͤhlen wußte. So wird z. B. des Ruͤcken-
ſtuͤcks der Braten als vorzuͤglich oͤfter gedacht. Die Schenkel,
als das Beſte, opferte man den Goͤttern, welcher fromme Ge-
brauch freilich der Erfindung der Schinken ſehr im Wege ſtand.

Welche erhoͤhte Qualitaͤt und Guͤte des Fleiſches durch
das Vorſchneiden erzielt werden kann, ſcheint der damaligen
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[28/0042] Aber nicht blos weidliche Schafe, weißzahnige Schweine, ſchwerwandelnde Rinder, gefeiſtete Ziegen, fette Maſtſchweine; — auch Auſtern wurden (Iliad. XV. 746) ſchon geſpeiſt. Fiſche ſchei- nen wenig geachtet geweſen zu ſein. Von den Vegetabilien kommt zunaͤchſt „muthſtaͤrkendes Brod“ und Mehl, „das Mark der Maͤnner“ vor. Wir begegnen aber auch ſchon kuͤnſt- licheren Conſtructionen, wie z. B. Gaismagen mit Fett und Blut gefuͤllt und auf gluͤhenden Kohlen gebraten, auch fleißig umgewendet, womit der ſchlaflos ſich umherwaͤlzende goͤttliche Dulder Odyſſeus verglichen wird. Hier iſt alſo ſchon ein Prototyp der vielen ſpaͤter entſtandenen Sippen des Gattungs- begriffes: Wurſt. Ferner ſcheint ein Weinmus — beſtehend aus trunkeinladenden Zwiebeln, gelblichem Honig und dem hei- ligen Kerne des Mehles mit, auf eherner Raspel geriebenem, Ziegenkaͤſe und Pramniſchem Wein zuſammengemengt — ſehr beliebt geweſen zu ſein. In der Iliade bereitet es die lockige, den Goͤttinnen vergleichbare Hekamede vor den Augen der Gaͤſte — ein lieblich anmuthiges Accidens! — und in der Odyſſee bedient ſich die goͤttliche Kirke deſſelben als Koͤder. Kirke laͤßt nun zwar die Zwiebeln weg, miſcht aber unheilſa- me Kraͤuter hinzu. Uebrigens iſt das Epitheton der Zwiebeln: ποτῳ ὀψον, welches Voß ſehr ſchoͤn mit „trunkeinladend“ uͤber- ſetzt, der ſprechendſte Beweis vorgeſchrittener Civiliſation und bewußten Plans. Es darf nicht uͤberſehen werden, wie ſinnig man ſchon die beſten Biſſen zu waͤhlen wußte. So wird z. B. des Ruͤcken- ſtuͤcks der Braten als vorzuͤglich oͤfter gedacht. Die Schenkel, als das Beſte, opferte man den Goͤttern, welcher fromme Ge- brauch freilich der Erfindung der Schinken ſehr im Wege ſtand. Welche erhoͤhte Qualitaͤt und Guͤte des Fleiſches durch das Vorſchneiden erzielt werden kann, ſcheint der damaligen Zeit noch unbekannt geweſen zu ſein. Es wird deſſen nirgends

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/42>, abgerufen am 21.11.2024.