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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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essen sie ganz. Die wenigen Syrer, welche sie essen mögen
brechen den Kopf ab und nehmen die Eingeweide heraus, ehe
sie sie trocknen. Forbes sah sie, nachdem durch das Braten
Beine und Flügel beseitigt waren, mit Milch und Datteln oder
mit Salz und Gewürzen zugerichtet essen. Prokesch fand
übrigens bei den Beduinen die Tafel nicht übel, lobt das in
Butter geröstete Schaffleisch, das in Asche gebratene junge Ka-
meelfleisch und das gute Weizenbrod, vor Allem aber die herz-
liche Freundlichkeit und den zarten gastfreundlichen Takt seiner
Wirthe. Zum Getränk gab's freilich nur Kameelmilch.

Der vornehmen Araber in Syrien und Palästina gewöhn-
liche Art zu essen, ist aber folgende. Auf der Erde sind ver-
schiedne Teppiche ausgebreitet, und in die Mitte wird eine lan-
ge Tafel gesetzt, welche nur eine Spanne hoch von der Erde
und 11/2 Elle breit ist, und mit keinem Tischtuche oder sonst
etwas bedeckt wird. Verschiedene große Schüsseln mit Pilau
oder dickgekochtem Reis stehen auf derselben vertheilt, und in
der Mitte wird ein ganzer, großer, gekochter Hammel aufgesetzt,
der in seinem Wanst eine Fülle von einer andern Art Pilau
hat. Uebersteigt die Anzahl der Gäste dreißig Personen, so wird
mehr als ein Hammel aufgetragen. Viele kleine Schüsseln
mit gekochtem Gemüse und auf mancherlei Art zugerichtetem
Fleische, und Näpfe voll geronnener saurer Milch werden zwi-
schen dem Hauptgerichte eingeschoben. Dünne und ziemlich
schlecht gebackene Kuchen vertreten die Stelle des Brodes. Ei-
nige beinerne oder hölzerne Löffel machen das ganze Tischge-
räth aus. Ist nun das Essen aufgetragen, so waschen sich Alle
sorgfältig die Hände, legen die Fußbekleidung ab, und stellen
sich vor die Tafel. Der Wirth thut ein Gebet an Gott, die
Uebrigen desgleichen, und dann lassen sich alle, mit kreuzweis
untergeschlagenen Füßen, auf die Teppiche nieder. Einer der
Diener breitet ein großes Tischtuch über die Kniee von Allen,
und das Essen beginnt. Obgleich Löffel auf der Tafel liegen,

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eſſen ſie ganz. Die wenigen Syrer, welche ſie eſſen moͤgen
brechen den Kopf ab und nehmen die Eingeweide heraus, ehe
ſie ſie trocknen. Forbes ſah ſie, nachdem durch das Braten
Beine und Fluͤgel beſeitigt waren, mit Milch und Datteln oder
mit Salz und Gewuͤrzen zugerichtet eſſen. Prokeſch fand
uͤbrigens bei den Beduinen die Tafel nicht uͤbel, lobt das in
Butter geroͤſtete Schaffleiſch, das in Aſche gebratene junge Ka-
meelfleiſch und das gute Weizenbrod, vor Allem aber die herz-
liche Freundlichkeit und den zarten gaſtfreundlichen Takt ſeiner
Wirthe. Zum Getraͤnk gab’s freilich nur Kameelmilch.

Der vornehmen Araber in Syrien und Palaͤſtina gewoͤhn-
liche Art zu eſſen, iſt aber folgende. Auf der Erde ſind ver-
ſchiedne Teppiche ausgebreitet, und in die Mitte wird eine lan-
ge Tafel geſetzt, welche nur eine Spanne hoch von der Erde
und 1½ Elle breit iſt, und mit keinem Tiſchtuche oder ſonſt
etwas bedeckt wird. Verſchiedene große Schuͤſſeln mit Pilau
oder dickgekochtem Reis ſtehen auf derſelben vertheilt, und in
der Mitte wird ein ganzer, großer, gekochter Hammel aufgeſetzt,
der in ſeinem Wanſt eine Fuͤlle von einer andern Art Pilau
hat. Ueberſteigt die Anzahl der Gaͤſte dreißig Perſonen, ſo wird
mehr als ein Hammel aufgetragen. Viele kleine Schuͤſſeln
mit gekochtem Gemuͤſe und auf mancherlei Art zugerichtetem
Fleiſche, und Naͤpfe voll geronnener ſaurer Milch werden zwi-
ſchen dem Hauptgerichte eingeſchoben. Duͤnne und ziemlich
ſchlecht gebackene Kuchen vertreten die Stelle des Brodes. Ei-
nige beinerne oder hoͤlzerne Loͤffel machen das ganze Tiſchge-
raͤth aus. Iſt nun das Eſſen aufgetragen, ſo waſchen ſich Alle
ſorgfaͤltig die Haͤnde, legen die Fußbekleidung ab, und ſtellen
ſich vor die Tafel. Der Wirth thut ein Gebet an Gott, die
Uebrigen desgleichen, und dann laſſen ſich alle, mit kreuzweis
untergeſchlagenen Fuͤßen, auf die Teppiche nieder. Einer der
Diener breitet ein großes Tiſchtuch uͤber die Kniee von Allen,
und das Eſſen beginnt. Obgleich Loͤffel auf der Tafel liegen,

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[49/0063] eſſen ſie ganz. Die wenigen Syrer, welche ſie eſſen moͤgen brechen den Kopf ab und nehmen die Eingeweide heraus, ehe ſie ſie trocknen. Forbes ſah ſie, nachdem durch das Braten Beine und Fluͤgel beſeitigt waren, mit Milch und Datteln oder mit Salz und Gewuͤrzen zugerichtet eſſen. Prokeſch fand uͤbrigens bei den Beduinen die Tafel nicht uͤbel, lobt das in Butter geroͤſtete Schaffleiſch, das in Aſche gebratene junge Ka- meelfleiſch und das gute Weizenbrod, vor Allem aber die herz- liche Freundlichkeit und den zarten gaſtfreundlichen Takt ſeiner Wirthe. Zum Getraͤnk gab’s freilich nur Kameelmilch. Der vornehmen Araber in Syrien und Palaͤſtina gewoͤhn- liche Art zu eſſen, iſt aber folgende. Auf der Erde ſind ver- ſchiedne Teppiche ausgebreitet, und in die Mitte wird eine lan- ge Tafel geſetzt, welche nur eine Spanne hoch von der Erde und 1½ Elle breit iſt, und mit keinem Tiſchtuche oder ſonſt etwas bedeckt wird. Verſchiedene große Schuͤſſeln mit Pilau oder dickgekochtem Reis ſtehen auf derſelben vertheilt, und in der Mitte wird ein ganzer, großer, gekochter Hammel aufgeſetzt, der in ſeinem Wanſt eine Fuͤlle von einer andern Art Pilau hat. Ueberſteigt die Anzahl der Gaͤſte dreißig Perſonen, ſo wird mehr als ein Hammel aufgetragen. Viele kleine Schuͤſſeln mit gekochtem Gemuͤſe und auf mancherlei Art zugerichtetem Fleiſche, und Naͤpfe voll geronnener ſaurer Milch werden zwi- ſchen dem Hauptgerichte eingeſchoben. Duͤnne und ziemlich ſchlecht gebackene Kuchen vertreten die Stelle des Brodes. Ei- nige beinerne oder hoͤlzerne Loͤffel machen das ganze Tiſchge- raͤth aus. Iſt nun das Eſſen aufgetragen, ſo waſchen ſich Alle ſorgfaͤltig die Haͤnde, legen die Fußbekleidung ab, und ſtellen ſich vor die Tafel. Der Wirth thut ein Gebet an Gott, die Uebrigen desgleichen, und dann laſſen ſich alle, mit kreuzweis untergeſchlagenen Fuͤßen, auf die Teppiche nieder. Einer der Diener breitet ein großes Tiſchtuch uͤber die Kniee von Allen, und das Eſſen beginnt. Obgleich Loͤffel auf der Tafel liegen, 4

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/63>, abgerufen am 17.05.2024.