Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Johannes Bohne. Da steht sie, seht, und rührt sich nicht -- Aufeinander die Zähne gebissen, Und es zuckt so mild durch ihr brennend Gesicht Noch der Schmerz, der das Herz ihr zerrissen -- Und es raunt ihr zu: 's war blendender Schein, Nicht Leben, du hatt'st es vergessen, Was zogst du auch von dem innersten Sein Den hüllenden Schleier vermessen. Und es faßt sie ein Ekel und wilder Gram Und reißt sie aus träumendem Wähnen -- So nackt -- so bloß -- o die glühende Scham -- Wo die lüsternen Blicke mich höhnen. -- So war's in Traum von der hehren Macht Der Kunst -- was ist's, daß ich's hehle -- Ich habe verschachert -- jetzt bin ich erwacht -- Des Künstlers lebendige Seele. Johannes Bohne. Da ſteht ſie, ſeht, und rührt ſich nicht — Aufeinander die Zähne gebiſſen, Und es zuckt ſo mild durch ihr brennend Geſicht Noch der Schmerz, der das Herz ihr zerriſſen — Und es raunt ihr zu: ’s war blendender Schein, Nicht Leben, du hatt’ſt es vergeſſen, Was zogſt du auch von dem innerſten Sein Den hüllenden Schleier vermeſſen. Und es faßt ſie ein Ekel und wilder Gram Und reißt ſie aus träumendem Wähnen — So nackt — ſo bloß — o die glühende Scham — Wo die lüſternen Blicke mich höhnen. — So war’s in Traum von der hehren Macht Der Kunſt — was iſt’s, daß ich’s hehle — Ich habe verſchachert — jetzt bin ich erwacht — Des Künſtlers lebendige Seele. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0141" n="123"/> <fw place="top" type="header">Johannes Bohne.</fw><lb/> <lg n="5"> <l>Da ſteht ſie, ſeht, und rührt ſich nicht —</l><lb/> <l>Aufeinander die Zähne gebiſſen,</l><lb/> <l>Und es zuckt ſo mild durch ihr brennend Geſicht</l><lb/> <l>Noch der Schmerz, der das Herz ihr zerriſſen —</l><lb/> <l>Und es raunt ihr zu: ’s war blendender Schein,</l><lb/> <l>Nicht Leben, du hatt’ſt es vergeſſen,</l><lb/> <l>Was zogſt du auch von dem innerſten Sein</l><lb/> <l>Den hüllenden Schleier vermeſſen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Und es faßt ſie ein Ekel und wilder Gram</l><lb/> <l>Und reißt ſie aus träumendem Wähnen —</l><lb/> <l>So nackt — ſo bloß — o die glühende Scham —</l><lb/> <l>Wo die lüſternen Blicke mich höhnen. —</l><lb/> <l>So war’s in Traum von der hehren Macht</l><lb/> <l>Der Kunſt — was iſt’s, daß ich’s hehle —</l><lb/> <l>Ich habe verſchachert — jetzt bin ich erwacht —</l><lb/> <l>Des Künſtlers lebendige Seele.</l> </lg> </lg> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [123/0141]
Johannes Bohne.
Da ſteht ſie, ſeht, und rührt ſich nicht —
Aufeinander die Zähne gebiſſen,
Und es zuckt ſo mild durch ihr brennend Geſicht
Noch der Schmerz, der das Herz ihr zerriſſen —
Und es raunt ihr zu: ’s war blendender Schein,
Nicht Leben, du hatt’ſt es vergeſſen,
Was zogſt du auch von dem innerſten Sein
Den hüllenden Schleier vermeſſen.
Und es faßt ſie ein Ekel und wilder Gram
Und reißt ſie aus träumendem Wähnen —
So nackt — ſo bloß — o die glühende Scham —
Wo die lüſternen Blicke mich höhnen. —
So war’s in Traum von der hehren Macht
Der Kunſt — was iſt’s, daß ich’s hehle —
Ich habe verſchachert — jetzt bin ich erwacht —
Des Künſtlers lebendige Seele.
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