Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Richard Kralik. Nichts drauf sagt das alte Meer, Athmet tief und athmet schwer, Schüttelt im Traum die Locken dann, Fängt im Schlaf zu stöhnen an. Ricciolella rief die Sterne: "Bleibt so spröd nicht in der Ferne! Könnt euch so schön im Reigen drehn; Wollt ihr nicht auch mit mir gehn?" Doch die Sterne höhnisch blinken, Wollen gar zu hoch sich dünken Für die arme Ricciolella; Tanzen nicht die Tarantella. "Englein, saget ihr auch nein, Liebe, liebe Engelein? Was habt ihr zu thun, ihr vielen, Als mit uns, den Menschen, zu spielen?" "Ach, wie so gerne tanzten wir wieder, Möchten zur lieblichen Erde hernieder! Doch wir stehn in strenger Zucht Und der Meister wehrt die Flucht." Ricciolella findet Keinen. Soll sie zanken? soll sie weinen? Arme, arme Ricciolella, Keiner tanzt die Tarantella; Haben alle Zweifel, Bangen, Keiner wagt es anzufangen, Keiner wagt's auf dich zu hören. All' umsonst ist dein Beschwören. Ricciolella jäh ergrimmt, Fest ihr Herz zusammennimmt. "Wollt ihr denn nicht mit mir tanzen, Will ich mit mir selber tanzen. Brauche nicht nach euch zu sehen, Kann mich selbst im Tanze drehen. Fügt ihr euch nicht meinem Sinn, Fahrt in Gottes Zorn dahin." Richard Kralik. Nichts drauf ſagt das alte Meer, Athmet tief und athmet ſchwer, Schüttelt im Traum die Locken dann, Fängt im Schlaf zu ſtöhnen an. Ricciolella rief die Sterne: „Bleibt ſo ſpröd nicht in der Ferne! Könnt euch ſo ſchön im Reigen drehn; Wollt ihr nicht auch mit mir gehn?“ Doch die Sterne höhniſch blinken, Wollen gar zu hoch ſich dünken Für die arme Ricciolella; Tanzen nicht die Tarantella. „Englein, ſaget ihr auch nein, Liebe, liebe Engelein? Was habt ihr zu thun, ihr vielen, Als mit uns, den Menſchen, zu ſpielen?“ „Ach, wie ſo gerne tanzten wir wieder, Möchten zur lieblichen Erde hernieder! Doch wir ſtehn in ſtrenger Zucht Und der Meiſter wehrt die Flucht.“ Ricciolella findet Keinen. Soll ſie zanken? ſoll ſie weinen? Arme, arme Ricciolella, Keiner tanzt die Tarantella; Haben alle Zweifel, Bangen, Keiner wagt es anzufangen, Keiner wagt’s auf dich zu hören. All’ umſonſt iſt dein Beſchwören. Ricciolella jäh ergrimmt, Feſt ihr Herz zuſammennimmt. „Wollt ihr denn nicht mit mir tanzen, Will ich mit mir ſelber tanzen. Brauche nicht nach euch zu ſehen, Kann mich ſelbſt im Tanze drehen. Fügt ihr euch nicht meinem Sinn, Fahrt in Gottes Zorn dahin.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="8"> <pb facs="#f0237" n="219"/> <fw place="top" type="header">Richard Kralik.</fw><lb/> <l>Nichts drauf ſagt das alte Meer,</l><lb/> <l>Athmet tief und athmet ſchwer,</l><lb/> <l>Schüttelt im Traum die Locken dann,</l><lb/> <l>Fängt im Schlaf zu ſtöhnen an.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Ricciolella rief die Sterne:</l><lb/> <l>„Bleibt ſo ſpröd nicht in der Ferne!</l><lb/> <l>Könnt euch ſo ſchön im Reigen drehn;</l><lb/> <l>Wollt ihr nicht auch mit mir gehn?“</l><lb/> <l>Doch die Sterne höhniſch blinken,</l><lb/> <l>Wollen gar zu hoch ſich dünken</l><lb/> <l>Für die arme Ricciolella;</l><lb/> <l>Tanzen nicht die Tarantella.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>„Englein, ſaget ihr auch nein,</l><lb/> <l>Liebe, liebe Engelein?</l><lb/> <l>Was habt ihr zu thun, ihr vielen,</l><lb/> <l>Als mit uns, den Menſchen, zu ſpielen?“</l><lb/> <l>„Ach, wie ſo gerne tanzten wir wieder,</l><lb/> <l>Möchten zur lieblichen Erde hernieder!</l><lb/> <l>Doch wir ſtehn in ſtrenger Zucht</l><lb/> <l>Und der Meiſter wehrt die Flucht.“</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Ricciolella findet Keinen.</l><lb/> <l>Soll ſie zanken? ſoll ſie weinen?</l><lb/> <l>Arme, arme Ricciolella,</l><lb/> <l>Keiner tanzt die Tarantella;</l><lb/> <l>Haben alle Zweifel, Bangen,</l><lb/> <l>Keiner wagt es anzufangen,</l><lb/> <l>Keiner wagt’s auf dich zu hören.</l><lb/> <l>All’ umſonſt iſt dein Beſchwören.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Ricciolella jäh ergrimmt,</l><lb/> <l>Feſt ihr Herz zuſammennimmt.</l><lb/> <l>„Wollt ihr denn nicht mit mir tanzen,</l><lb/> <l>Will ich mit mir ſelber tanzen.</l><lb/> <l>Brauche nicht nach euch zu ſehen,</l><lb/> <l>Kann mich ſelbſt im Tanze drehen.</l><lb/> <l>Fügt ihr euch nicht meinem Sinn,</l><lb/> <l>Fahrt in Gottes Zorn dahin.“</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [219/0237]
Richard Kralik.
Nichts drauf ſagt das alte Meer,
Athmet tief und athmet ſchwer,
Schüttelt im Traum die Locken dann,
Fängt im Schlaf zu ſtöhnen an.
Ricciolella rief die Sterne:
„Bleibt ſo ſpröd nicht in der Ferne!
Könnt euch ſo ſchön im Reigen drehn;
Wollt ihr nicht auch mit mir gehn?“
Doch die Sterne höhniſch blinken,
Wollen gar zu hoch ſich dünken
Für die arme Ricciolella;
Tanzen nicht die Tarantella.
„Englein, ſaget ihr auch nein,
Liebe, liebe Engelein?
Was habt ihr zu thun, ihr vielen,
Als mit uns, den Menſchen, zu ſpielen?“
„Ach, wie ſo gerne tanzten wir wieder,
Möchten zur lieblichen Erde hernieder!
Doch wir ſtehn in ſtrenger Zucht
Und der Meiſter wehrt die Flucht.“
Ricciolella findet Keinen.
Soll ſie zanken? ſoll ſie weinen?
Arme, arme Ricciolella,
Keiner tanzt die Tarantella;
Haben alle Zweifel, Bangen,
Keiner wagt es anzufangen,
Keiner wagt’s auf dich zu hören.
All’ umſonſt iſt dein Beſchwören.
Ricciolella jäh ergrimmt,
Feſt ihr Herz zuſammennimmt.
„Wollt ihr denn nicht mit mir tanzen,
Will ich mit mir ſelber tanzen.
Brauche nicht nach euch zu ſehen,
Kann mich ſelbſt im Tanze drehen.
Fügt ihr euch nicht meinem Sinn,
Fahrt in Gottes Zorn dahin.“
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