Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Joseph Winter. Bei mir saß der Kaiserin Wunderbild aus Gold und Steinen. Zärtlich hielt ich ihre Hand Und versprach ihr all mein Land, Wenn sie einmal wollte weinen. Denn ob sie nur Stein und Gold, Lachen konnt sie wunderhold, Also künstlich war das Bild. Nur der Thränen Tiefes Sehnen Mußte bleiben ungestillt. Meinen Wahnsinn zu bestärken, Sprach ich oft von ihrer Seele, Hieß sie Englein ohne Fehle; Freilich hätt ich können merken, Was der Rabe krächzte heiser, Hätt ich wollen sein ein Weiser. Und dann ist der Tag gekommen, Da der Traum mir ward genommen. Mond und Sterne sind dahin, Seit ich nun ein Bettler bin. Lächelnd ließ ich meinen Thron, Lächelnd trug ich Acht und Hohn, Aber Eins ist nicht zu tragen: Eh ich ging aus meinem Reiche, Hab ich erst mit wildem Streiche Das geliebte Bild zerschlagen, Das ich oft mit Thränen tränkte, Drein ich meine Seele senkte. Und es waren wirklich Steine, Spitze, stumpfe, große, kleine. In dem Kopfe zwei Demanten, Rund geschliffen, ohne Kanten; Statt der Lippen zwei Rubinen, Welche noch zu lächeln schienen, Joſeph Winter. Bei mir ſaß der Kaiſerin Wunderbild aus Gold und Steinen. Zärtlich hielt ich ihre Hand Und verſprach ihr all mein Land, Wenn ſie einmal wollte weinen. Denn ob ſie nur Stein und Gold, Lachen konnt ſie wunderhold, Alſo künſtlich war das Bild. Nur der Thränen Tiefes Sehnen Mußte bleiben ungeſtillt. Meinen Wahnſinn zu beſtärken, Sprach ich oft von ihrer Seele, Hieß ſie Englein ohne Fehle; Freilich hätt ich können merken, Was der Rabe krächzte heiſer, Hätt ich wollen ſein ein Weiſer. Und dann iſt der Tag gekommen, Da der Traum mir ward genommen. Mond und Sterne ſind dahin, Seit ich nun ein Bettler bin. Lächelnd ließ ich meinen Thron, Lächelnd trug ich Acht und Hohn, Aber Eins iſt nicht zu tragen: Eh ich ging aus meinem Reiche, Hab ich erſt mit wildem Streiche Das geliebte Bild zerſchlagen, Das ich oft mit Thränen tränkte, Drein ich meine Seele ſenkte. Und es waren wirklich Steine, Spitze, ſtumpfe, große, kleine. In dem Kopfe zwei Demanten, Rund geſchliffen, ohne Kanten; Statt der Lippen zwei Rubinen, Welche noch zu lächeln ſchienen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0250" n="232"/> <fw place="top" type="header">Joſeph Winter.</fw><lb/> <lg n="2"> <l>Bei mir ſaß der Kaiſerin</l><lb/> <l>Wunderbild aus Gold und Steinen.</l><lb/> <l>Zärtlich hielt ich ihre Hand</l><lb/> <l>Und verſprach ihr all mein Land,</l><lb/> <l>Wenn ſie einmal wollte weinen.</l><lb/> <l>Denn ob ſie nur Stein und Gold,</l><lb/> <l>Lachen konnt ſie wunderhold,</l><lb/> <l>Alſo künſtlich war das Bild.</l><lb/> <l>Nur der Thränen</l><lb/> <l>Tiefes Sehnen</l><lb/> <l>Mußte bleiben ungeſtillt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Meinen Wahnſinn zu beſtärken,</l><lb/> <l>Sprach ich oft von ihrer Seele,</l><lb/> <l>Hieß ſie Englein ohne Fehle;</l><lb/> <l>Freilich hätt ich können merken,</l><lb/> <l>Was der Rabe krächzte heiſer,</l><lb/> <l>Hätt ich wollen ſein ein Weiſer.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und dann iſt der Tag gekommen,</l><lb/> <l>Da der Traum mir ward genommen.</l><lb/> <l>Mond und Sterne ſind dahin,</l><lb/> <l>Seit ich nun ein Bettler bin.</l><lb/> <l>Lächelnd ließ ich meinen Thron,</l><lb/> <l>Lächelnd trug ich Acht und Hohn,</l><lb/> <l>Aber Eins iſt nicht zu tragen:</l><lb/> <l>Eh ich ging aus meinem Reiche,</l><lb/> <l>Hab ich erſt mit wildem Streiche</l><lb/> <l>Das geliebte Bild zerſchlagen,</l><lb/> <l>Das ich oft mit Thränen tränkte,</l><lb/> <l>Drein ich meine Seele ſenkte.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Und es waren <hi rendition="#g">wirklich</hi> Steine,</l><lb/> <l>Spitze, ſtumpfe, große, kleine.</l><lb/> <l>In dem Kopfe zwei Demanten,</l><lb/> <l>Rund geſchliffen, ohne Kanten;</l><lb/> <l>Statt der Lippen zwei Rubinen,</l><lb/> <l>Welche noch zu lächeln ſchienen,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [232/0250]
Joſeph Winter.
Bei mir ſaß der Kaiſerin
Wunderbild aus Gold und Steinen.
Zärtlich hielt ich ihre Hand
Und verſprach ihr all mein Land,
Wenn ſie einmal wollte weinen.
Denn ob ſie nur Stein und Gold,
Lachen konnt ſie wunderhold,
Alſo künſtlich war das Bild.
Nur der Thränen
Tiefes Sehnen
Mußte bleiben ungeſtillt.
Meinen Wahnſinn zu beſtärken,
Sprach ich oft von ihrer Seele,
Hieß ſie Englein ohne Fehle;
Freilich hätt ich können merken,
Was der Rabe krächzte heiſer,
Hätt ich wollen ſein ein Weiſer.
Und dann iſt der Tag gekommen,
Da der Traum mir ward genommen.
Mond und Sterne ſind dahin,
Seit ich nun ein Bettler bin.
Lächelnd ließ ich meinen Thron,
Lächelnd trug ich Acht und Hohn,
Aber Eins iſt nicht zu tragen:
Eh ich ging aus meinem Reiche,
Hab ich erſt mit wildem Streiche
Das geliebte Bild zerſchlagen,
Das ich oft mit Thränen tränkte,
Drein ich meine Seele ſenkte.
Und es waren wirklich Steine,
Spitze, ſtumpfe, große, kleine.
In dem Kopfe zwei Demanten,
Rund geſchliffen, ohne Kanten;
Statt der Lippen zwei Rubinen,
Welche noch zu lächeln ſchienen,
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Zitationshilfe: | Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/250>, abgerufen am 16.02.2025. |