Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Wolfgang Kirchbach. Und Seelen, die von Göttern sangen, Die betend sanken in den Staub, Sie sind verschollen, sind vergangen Und schlummern wie die Erde taub. Und aus der frischen Lebensquelle Taucht neuer Geist verjüngt hervor, Und, wie die Welle drängt die Welle, Flieht vor dem Geist der Götter Chor; Es würgt der Tod das rauhe Streben Und seine Sense rastet nie, Und doch aus Särgen Götterleben Weckt ewig auf die Phantasie. Todt sind sie all, die großen Götter, Doch ewig lebt ein Weltengeist, Er ist sich ewig Selbsterretter, Der Todesfesseln kühn zerreißt. So lang noch holde Träume weben, Wann dunkler Schlaf die Welt umhüllt, So lang noch sanfte Töne schweben Und Harmonie das Ohr erfüllt; So lang des Daseins bunte Schatten Des Malers weise Hand belebt, So lang auf blüthenreichen Matten Des Dichters Auge trunken schwebt Und in des Herzens dunklem Grunde Gestalten seelenvoll erschaut -- Ist über diesem Erdenrunde Ein Tempel ewig neu erbaut. -- Vom Brüderlein und Schwesterlein. Wer heim das blaue Blümlein bringt, Der ist der König im Lande! Die Krone ihm vom Haupte blinkt, Er wandelt im Purpurgewande!" Wolfgang Kirchbach. Und Seelen, die von Göttern ſangen, Die betend ſanken in den Staub, Sie ſind verſchollen, ſind vergangen Und ſchlummern wie die Erde taub. Und aus der friſchen Lebensquelle Taucht neuer Geiſt verjüngt hervor, Und, wie die Welle drängt die Welle, Flieht vor dem Geiſt der Götter Chor; Es würgt der Tod das rauhe Streben Und ſeine Senſe raſtet nie, Und doch aus Särgen Götterleben Weckt ewig auf die Phantaſie. Todt ſind ſie all, die großen Götter, Doch ewig lebt ein Weltengeiſt, Er iſt ſich ewig Selbſterretter, Der Todesfeſſeln kühn zerreißt. So lang noch holde Träume weben, Wann dunkler Schlaf die Welt umhüllt, So lang noch ſanfte Töne ſchweben Und Harmonie das Ohr erfüllt; So lang des Daſeins bunte Schatten Des Malers weiſe Hand belebt, So lang auf blüthenreichen Matten Des Dichters Auge trunken ſchwebt Und in des Herzens dunklem Grunde Geſtalten ſeelenvoll erſchaut — Iſt über dieſem Erdenrunde Ein Tempel ewig neu erbaut. — Vom Brüderlein und Schweſterlein. Wer heim das blaue Blümlein bringt, Der iſt der König im Lande! Die Krone ihm vom Haupte blinkt, Er wandelt im Purpurgewande!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0276" n="258"/> <fw place="top" type="header">Wolfgang Kirchbach.</fw><lb/> <lg n="7"> <l>Und Seelen, die von Göttern ſangen,</l><lb/> <l>Die betend ſanken in den Staub,</l><lb/> <l>Sie ſind verſchollen, ſind vergangen</l><lb/> <l>Und ſchlummern wie die Erde taub.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Und aus der friſchen Lebensquelle</l><lb/> <l>Taucht neuer Geiſt verjüngt hervor,</l><lb/> <l>Und, wie die Welle drängt die Welle,</l><lb/> <l>Flieht vor dem Geiſt der Götter Chor;</l><lb/> <l>Es würgt der Tod das rauhe Streben</l><lb/> <l>Und ſeine Senſe raſtet nie,</l><lb/> <l>Und doch aus Särgen Götterleben</l><lb/> <l>Weckt ewig auf die Phantaſie.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Todt ſind ſie all, die großen Götter,</l><lb/> <l>Doch ewig lebt ein Weltengeiſt,</l><lb/> <l>Er iſt ſich ewig Selbſterretter,</l><lb/> <l>Der Todesfeſſeln kühn zerreißt.</l><lb/> <l>So lang noch holde Träume weben,</l><lb/> <l>Wann dunkler Schlaf die Welt umhüllt,</l><lb/> <l>So lang noch ſanfte Töne ſchweben</l><lb/> <l>Und Harmonie das Ohr erfüllt;</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>So lang des Daſeins bunte Schatten</l><lb/> <l>Des Malers weiſe Hand belebt,</l><lb/> <l>So lang auf blüthenreichen Matten</l><lb/> <l>Des Dichters Auge trunken ſchwebt</l><lb/> <l>Und in des Herzens dunklem Grunde</l><lb/> <l>Geſtalten ſeelenvoll erſchaut —</l><lb/> <l>Iſt über dieſem Erdenrunde</l><lb/> <l>Ein Tempel ewig neu erbaut. —</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Vom Brüderlein und Schweſterlein.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wer heim das blaue Blümlein bringt,</l><lb/> <l>Der iſt der König im Lande!</l><lb/> <l>Die Krone ihm vom Haupte blinkt,</l><lb/> <l>Er wandelt im Purpurgewande!“</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [258/0276]
Wolfgang Kirchbach.
Und Seelen, die von Göttern ſangen,
Die betend ſanken in den Staub,
Sie ſind verſchollen, ſind vergangen
Und ſchlummern wie die Erde taub.
Und aus der friſchen Lebensquelle
Taucht neuer Geiſt verjüngt hervor,
Und, wie die Welle drängt die Welle,
Flieht vor dem Geiſt der Götter Chor;
Es würgt der Tod das rauhe Streben
Und ſeine Senſe raſtet nie,
Und doch aus Särgen Götterleben
Weckt ewig auf die Phantaſie.
Todt ſind ſie all, die großen Götter,
Doch ewig lebt ein Weltengeiſt,
Er iſt ſich ewig Selbſterretter,
Der Todesfeſſeln kühn zerreißt.
So lang noch holde Träume weben,
Wann dunkler Schlaf die Welt umhüllt,
So lang noch ſanfte Töne ſchweben
Und Harmonie das Ohr erfüllt;
So lang des Daſeins bunte Schatten
Des Malers weiſe Hand belebt,
So lang auf blüthenreichen Matten
Des Dichters Auge trunken ſchwebt
Und in des Herzens dunklem Grunde
Geſtalten ſeelenvoll erſchaut —
Iſt über dieſem Erdenrunde
Ein Tempel ewig neu erbaut. —
Vom Brüderlein und Schweſterlein.
Wer heim das blaue Blümlein bringt,
Der iſt der König im Lande!
Die Krone ihm vom Haupte blinkt,
Er wandelt im Purpurgewande!“
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