Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Wolfgang Kirchbach. Haschen in des Lebens reichen Tagen, Was der Gott als Köder streut, Mögen Andre nach den Kränzen jagen, Die die Mitwelt beut! Schaal und nichtig ist wie nichts die Ehre, Die die Namen heut umschallt: Und gefälschter Lorbeer drückt, der leere, Der die Stirn umwallt. Ewig zeuget aus der Erden Schoße Neue Wesen die Natur, Und verweht mit ihrem Todeslose Schaust du kaum die Spur. Selig preis' ich, wer im Leben schaffen, Wirken kann, ein treuer Hirt; Den des Todes Schauer sanft entraffen, Der vergessen wird. -- Aus der Ferne. Es athmen und ächzen Millionen Menschen Leben und lieben in blühenden Landen, Und es drängt sich im Weiten wühlend Der Strom des Schaffens und strotzender Urkraft, Endlose Ebenen, Wüsten und Wälder, Städte und Burgen auf stürmischen Bergen Trennen die treuen, Sehnenden Seelen. Wie am Meere verwundert der Wandrer Steht und staunend die Wellen anstarrt, Anfang nirgends noch Ende findet, Irrenden Blickes unendlich einsam Seine Seele versenkt in Wehmuth: Also seh ich einsam versinken Meine Seele im weiten Weltraum, Denk' ich die Massen mühseliger Menschen, Die sich drängen in Lust und Drangsal, In Vergessenheit ewig gehen, Wenn anathmend der Tod sie umarmet. Wolfgang Kirchbach. Haſchen in des Lebens reichen Tagen, Was der Gott als Köder ſtreut, Mögen Andre nach den Kränzen jagen, Die die Mitwelt beut! Schaal und nichtig iſt wie nichts die Ehre, Die die Namen heut umſchallt: Und gefälſchter Lorbeer drückt, der leere, Der die Stirn umwallt. Ewig zeuget aus der Erden Schoße Neue Weſen die Natur, Und verweht mit ihrem Todesloſe Schauſt du kaum die Spur. Selig preiſ’ ich, wer im Leben ſchaffen, Wirken kann, ein treuer Hirt; Den des Todes Schauer ſanft entraffen, Der vergeſſen wird. — Aus der Ferne. Es athmen und ächzen Millionen Menſchen Leben und lieben in blühenden Landen, Und es drängt ſich im Weiten wühlend Der Strom des Schaffens und ſtrotzender Urkraft, Endloſe Ebenen, Wüſten und Wälder, Städte und Burgen auf ſtürmiſchen Bergen Trennen die treuen, Sehnenden Seelen. Wie am Meere verwundert der Wandrer Steht und ſtaunend die Wellen anſtarrt, Anfang nirgends noch Ende findet, Irrenden Blickes unendlich einſam Seine Seele verſenkt in Wehmuth: Alſo ſeh ich einſam verſinken Meine Seele im weiten Weltraum, Denk’ ich die Maſſen mühſeliger Menſchen, Die ſich drängen in Luſt und Drangſal, In Vergeſſenheit ewig gehen, Wenn anathmend der Tod ſie umarmet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0284" n="266"/> <fw place="top" type="header">Wolfgang Kirchbach.</fw><lb/> <lg n="2"> <l>Haſchen in des Lebens reichen Tagen,</l><lb/> <l>Was der Gott als Köder ſtreut,</l><lb/> <l>Mögen Andre nach den Kränzen jagen,</l><lb/> <l>Die die Mitwelt beut!</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Schaal und nichtig iſt wie nichts die Ehre,</l><lb/> <l>Die die Namen heut umſchallt:</l><lb/> <l>Und gefälſchter Lorbeer drückt, der leere,</l><lb/> <l>Der die Stirn umwallt.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Ewig zeuget aus der Erden Schoße</l><lb/> <l>Neue Weſen die Natur,</l><lb/> <l>Und verweht mit ihrem Todesloſe</l><lb/> <l>Schauſt du kaum die Spur.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Selig preiſ’ ich, wer im Leben ſchaffen,</l><lb/> <l>Wirken kann, ein treuer Hirt;</l><lb/> <l>Den des Todes Schauer ſanft entraffen,</l><lb/> <l>Der vergeſſen wird. —</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Aus der Ferne.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Es athmen und ächzen Millionen Menſchen</l><lb/> <l>Leben und lieben in blühenden Landen,</l><lb/> <l>Und es drängt ſich im Weiten wühlend</l><lb/> <l>Der Strom des Schaffens und ſtrotzender Urkraft,</l><lb/> <l>Endloſe Ebenen, Wüſten und Wälder,</l><lb/> <l>Städte und Burgen auf ſtürmiſchen Bergen</l><lb/> <l>Trennen die treuen,</l><lb/> <l>Sehnenden Seelen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wie am Meere verwundert der Wandrer</l><lb/> <l>Steht und ſtaunend die Wellen anſtarrt,</l><lb/> <l>Anfang nirgends noch Ende findet,</l><lb/> <l>Irrenden Blickes unendlich einſam</l><lb/> <l>Seine Seele verſenkt in Wehmuth:</l><lb/> <l>Alſo ſeh ich einſam verſinken</l><lb/> <l>Meine Seele im weiten Weltraum,</l><lb/> <l>Denk’ ich die Maſſen mühſeliger Menſchen,</l><lb/> <l>Die ſich drängen in Luſt und Drangſal,</l><lb/> <l>In Vergeſſenheit ewig gehen,</l><lb/> <l>Wenn anathmend der Tod ſie umarmet.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [266/0284]
Wolfgang Kirchbach.
Haſchen in des Lebens reichen Tagen,
Was der Gott als Köder ſtreut,
Mögen Andre nach den Kränzen jagen,
Die die Mitwelt beut!
Schaal und nichtig iſt wie nichts die Ehre,
Die die Namen heut umſchallt:
Und gefälſchter Lorbeer drückt, der leere,
Der die Stirn umwallt.
Ewig zeuget aus der Erden Schoße
Neue Weſen die Natur,
Und verweht mit ihrem Todesloſe
Schauſt du kaum die Spur.
Selig preiſ’ ich, wer im Leben ſchaffen,
Wirken kann, ein treuer Hirt;
Den des Todes Schauer ſanft entraffen,
Der vergeſſen wird. —
Aus der Ferne.
Es athmen und ächzen Millionen Menſchen
Leben und lieben in blühenden Landen,
Und es drängt ſich im Weiten wühlend
Der Strom des Schaffens und ſtrotzender Urkraft,
Endloſe Ebenen, Wüſten und Wälder,
Städte und Burgen auf ſtürmiſchen Bergen
Trennen die treuen,
Sehnenden Seelen.
Wie am Meere verwundert der Wandrer
Steht und ſtaunend die Wellen anſtarrt,
Anfang nirgends noch Ende findet,
Irrenden Blickes unendlich einſam
Seine Seele verſenkt in Wehmuth:
Alſo ſeh ich einſam verſinken
Meine Seele im weiten Weltraum,
Denk’ ich die Maſſen mühſeliger Menſchen,
Die ſich drängen in Luſt und Drangſal,
In Vergeſſenheit ewig gehen,
Wenn anathmend der Tod ſie umarmet.
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