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Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

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Oskar Jerschke.

Doch eine Stimme, die mich sonst gemieden,
Rief warnend mir: "Flieh, fliehe nur geschwind!
Vergifte nicht des Waldes heilgen Frieden,
Vergifte nicht dies schöne junge Kind!
Fremd wie du kamst, zieh fremd auch rasch von hinnen
Und kette hier nicht jählings dein Geschick;
Was willst, was willst du hier? Bist du von Sinnen?
Zieh fort und schaue wandernd nie zurück!"
Und plötzlich war's, als zög' es mich von dannen,
Rasch griff ich Wanderränzchen, Hut und Stab
Und wandte mich -- denn ein Paar Thränen rannen
Ganz heimlich aus den Augen mir herab:
"Ich kann ja nicht und darf nicht länger bleiben,
Muß morgen noch an meinen Heimathrhein,
Vielleicht, wenn wieder Buch' und Birke treiben,
Kehr' ich noch einmal hier im Forsthaus ein.
Heut hast Du mich so liebreich aufgenommen,
Als wär ich dir ein Bruder oder mehr,
Drum wird, ich weiß wohl selbst nicht wie's mag kommen,
Von dir das Weiterwandern mir so schwer.
Mach mirs nicht schwerer, Mädchen, laß mich ziehen,
Nimm mir nicht ganz den jugendfrohen Sinn
Und laß mich fremd aus deinem Walde fliehen,
Fremd wie ichs war und wie ich jetzt noch bin!
Dein Bild nur laß mich tief im Herzen tragen
Als Kleinod, das die Wanderlust mir lieh,
Mein Lied nur soll von deiner Liebe sagen,
Verklären soll dich einst die Poesie.
Hab Dank! -- Was soll ich dir du Waldkind, schenken
Als deiner Herzensgüte edlen Preis?
Ich wüßte nichts, doch -- willst du mein gedenken --
So nimm dies kleine Sträußchen Edelweiß.
Es welkt nicht hin wie eine Rosenblüthe,
Frisch bleibt sein Schmelz und seine Lieblichkeit;
Nimm es für deine Liebe, deine Güte
Und nun leb wohl -- du junge, deutsche Maid." --
"So zieht mit Gott" -- rief sie mit Flammenwangen,
"Doch trinkt noch diesen letzten Becher Wein:
,Auf Wiedersehn' --" die hellen Gläser klangen --
"So zieht mit Gott und denkt auch fürder mein!

Oskar Jerſchke.

Doch eine Stimme, die mich ſonſt gemieden,
Rief warnend mir: „Flieh, fliehe nur geſchwind!
Vergifte nicht des Waldes heilgen Frieden,
Vergifte nicht dies ſchöne junge Kind!
Fremd wie du kamſt, zieh fremd auch raſch von hinnen
Und kette hier nicht jählings dein Geſchick;
Was willſt, was willſt du hier? Biſt du von Sinnen?
Zieh fort und ſchaue wandernd nie zurück!“
Und plötzlich war’s, als zög’ es mich von dannen,
Raſch griff ich Wanderränzchen, Hut und Stab
Und wandte mich — denn ein Paar Thränen rannen
Ganz heimlich aus den Augen mir herab:
„Ich kann ja nicht und darf nicht länger bleiben,
Muß morgen noch an meinen Heimathrhein,
Vielleicht, wenn wieder Buch’ und Birke treiben,
Kehr’ ich noch einmal hier im Forſthaus ein.
Heut haſt Du mich ſo liebreich aufgenommen,
Als wär ich dir ein Bruder oder mehr,
Drum wird, ich weiß wohl ſelbſt nicht wie’s mag kommen,
Von dir das Weiterwandern mir ſo ſchwer.
Mach mirs nicht ſchwerer, Mädchen, laß mich ziehen,
Nimm mir nicht ganz den jugendfrohen Sinn
Und laß mich fremd aus deinem Walde fliehen,
Fremd wie ichs war und wie ich jetzt noch bin!
Dein Bild nur laß mich tief im Herzen tragen
Als Kleinod, das die Wanderluſt mir lieh,
Mein Lied nur ſoll von deiner Liebe ſagen,
Verklären ſoll dich einſt die Poeſie.
Hab Dank! — Was ſoll ich dir du Waldkind, ſchenken
Als deiner Herzensgüte edlen Preis?
Ich wüßte nichts, doch — willſt du mein gedenken —
So nimm dies kleine Sträußchen Edelweiß.
Es welkt nicht hin wie eine Roſenblüthe,
Friſch bleibt ſein Schmelz und ſeine Lieblichkeit;
Nimm es für deine Liebe, deine Güte
Und nun leb wohl — du junge, deutſche Maid.“ —
„So zieht mit Gott“ — rief ſie mit Flammenwangen,
„Doch trinkt noch dieſen letzten Becher Wein:
‚Auf Wiederſehn‘ —“ die hellen Gläſer klangen —
„So zieht mit Gott und denkt auch fürder mein!

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[295/0313] Oskar Jerſchke. Doch eine Stimme, die mich ſonſt gemieden, Rief warnend mir: „Flieh, fliehe nur geſchwind! Vergifte nicht des Waldes heilgen Frieden, Vergifte nicht dies ſchöne junge Kind! Fremd wie du kamſt, zieh fremd auch raſch von hinnen Und kette hier nicht jählings dein Geſchick; Was willſt, was willſt du hier? Biſt du von Sinnen? Zieh fort und ſchaue wandernd nie zurück!“ Und plötzlich war’s, als zög’ es mich von dannen, Raſch griff ich Wanderränzchen, Hut und Stab Und wandte mich — denn ein Paar Thränen rannen Ganz heimlich aus den Augen mir herab: „Ich kann ja nicht und darf nicht länger bleiben, Muß morgen noch an meinen Heimathrhein, Vielleicht, wenn wieder Buch’ und Birke treiben, Kehr’ ich noch einmal hier im Forſthaus ein. Heut haſt Du mich ſo liebreich aufgenommen, Als wär ich dir ein Bruder oder mehr, Drum wird, ich weiß wohl ſelbſt nicht wie’s mag kommen, Von dir das Weiterwandern mir ſo ſchwer. Mach mirs nicht ſchwerer, Mädchen, laß mich ziehen, Nimm mir nicht ganz den jugendfrohen Sinn Und laß mich fremd aus deinem Walde fliehen, Fremd wie ichs war und wie ich jetzt noch bin! Dein Bild nur laß mich tief im Herzen tragen Als Kleinod, das die Wanderluſt mir lieh, Mein Lied nur ſoll von deiner Liebe ſagen, Verklären ſoll dich einſt die Poeſie. Hab Dank! — Was ſoll ich dir du Waldkind, ſchenken Als deiner Herzensgüte edlen Preis? Ich wüßte nichts, doch — willſt du mein gedenken — So nimm dies kleine Sträußchen Edelweiß. Es welkt nicht hin wie eine Roſenblüthe, Friſch bleibt ſein Schmelz und ſeine Lieblichkeit; Nimm es für deine Liebe, deine Güte Und nun leb wohl — du junge, deutſche Maid.“ — „So zieht mit Gott“ — rief ſie mit Flammenwangen, „Doch trinkt noch dieſen letzten Becher Wein: ‚Auf Wiederſehn‘ —“ die hellen Gläſer klangen — „So zieht mit Gott und denkt auch fürder mein!

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Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/313>, abgerufen am 23.11.2024.