Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Anhang. Carl Bleibtreu. *) Erinnerung. Originalbeitrag. Wir ritten singend hin im grünen Walde, Die schneeigen Spitzen nickten fern herüber Im Alpenglühn. Es dämmert trüb und trüber. Vom fernen Föhn erbebt die Bergeshalde. Die Espe schaudert, flüsternd klagt das Blatt, Die Weide ahnt den Sturm, der sie zerknickt: Sie senkt die Zweige siech und kummersatt. Selbst die Cikade summt nur träg und matt: Natur in sich zurückeschrickt. Nur einmal, Holde, hab' ich dich gesehen, Doch werde nimmer deinen Reiz vergessen. Verklungen ist der Sang. Ich muß durchmessen Den rauhen Wald des Lebens und es wehen Herbstblätter nun im Sturme um mich her. Ach, die Erinnerung als Alpenglühen Flammt hinter mir in stiller Nacht nicht mehr. Des Herzens Flammen allgemach versprühen *) Noch im letzten Augenblicke vor Schluß der Redaction sandte der Verfasser des "Lyrischen Tagebuchs" die nachfolgenden Originalbeiträge, "aus Interesse für das bedeutsame Unternehmen" ein. W. A. 20
Anhang. Carl Bleibtreu. *) Erinnerung. Originalbeitrag. Wir ritten ſingend hin im grünen Walde, Die ſchneeigen Spitzen nickten fern herüber Im Alpenglühn. Es dämmert trüb und trüber. Vom fernen Föhn erbebt die Bergeshalde. Die Espe ſchaudert, flüſternd klagt das Blatt, Die Weide ahnt den Sturm, der ſie zerknickt: Sie ſenkt die Zweige ſiech und kummerſatt. Selbſt die Cikade ſummt nur träg und matt: Natur in ſich zurückeſchrickt. Nur einmal, Holde, hab’ ich dich geſehen, Doch werde nimmer deinen Reiz vergeſſen. Verklungen iſt der Sang. Ich muß durchmeſſen Den rauhen Wald des Lebens und es wehen Herbſtblätter nun im Sturme um mich her. Ach, die Erinnerung als Alpenglühen Flammt hinter mir in ſtiller Nacht nicht mehr. Des Herzens Flammen allgemach verſprühen *) Noch im letzten Augenblicke vor Schluß der Redaction ſandte der Verfaſſer des „Lyriſchen Tagebuchs“ die nachfolgenden Originalbeiträge, „aus Intereſſe für das bedeutſame Unternehmen“ ein. W. A. 20
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Anhang.
Carl Bleibtreu. *)
Erinnerung.
Originalbeitrag.
Wir ritten ſingend hin im grünen Walde,
Die ſchneeigen Spitzen nickten fern herüber
Im Alpenglühn. Es dämmert trüb und trüber.
Vom fernen Föhn erbebt die Bergeshalde.
Die Espe ſchaudert, flüſternd klagt das Blatt,
Die Weide ahnt den Sturm, der ſie zerknickt:
Sie ſenkt die Zweige ſiech und kummerſatt.
Selbſt die Cikade ſummt nur träg und matt:
Natur in ſich zurückeſchrickt.
Nur einmal, Holde, hab’ ich dich geſehen,
Doch werde nimmer deinen Reiz vergeſſen.
Verklungen iſt der Sang. Ich muß durchmeſſen
Den rauhen Wald des Lebens und es wehen
Herbſtblätter nun im Sturme um mich her.
Ach, die Erinnerung als Alpenglühen
Flammt hinter mir in ſtiller Nacht nicht mehr.
Des Herzens Flammen allgemach verſprühen
*) Noch im letzten Augenblicke vor Schluß der Redaction ſandte der Verfaſſer
des „Lyriſchen Tagebuchs“ die nachfolgenden Originalbeiträge, „aus Intereſſe für das
bedeutſame Unternehmen“ ein. W. A.
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