Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Carl Bleibtreu. O könnte ich mir beschwören -- Nicht die Fürstin von Saba, nein, Nur Dich. So folge ich immer Deiner schwarzen Augen Schein. 3. Wenn die Sonne erkaltet, Die Sterne veraltet Und das Buch des Gerichtes sich entfaltet, Wenn über Al-Sirats Flammenbrücke Ich siegreich zöge -- ich fragte schnelle: "Zuleika, die makellose Gazelle, Wird sie schwelgen mit mir in ewigem Glücke?" "Nein!" ist die Antwort, "denn wie des Dschemschid Rubin die unsterbliche Seele glüht -- Doch nur in des Mannes Brust. Das Weib Endet, zerfiel sein sterblicher Leib. Hier winkt dir die Houri unsterblich-schön." Lebt wohl denn für immer, ihr Himmelshöhn! Ich stürze mich selbst in des Eblis Hölle, Ins ewige Feuer und Lavagerölle. Der irdischen Liebe bin ich geweiht Und der sterblichen schwachen Weiblichkeit! 4. Wenn am Ararat hängt der Nebelflor, Dann sprüh'n die Naphtaquellen empor. Wenn Schwermuth über der Seele ruht, Gährt auf die schöpferische Gluth. 5. Wenn ihm der Suma milchig Gift kredenzt, So schlürft das Kind wohl arglos diesen Saft. Mit Schierling statt Magnolien sich's bekränzt. Doch Kinder bleiben wir. Denn ewig glänzt Der Schönheit Tand vor'm Blick der Leidenschaft -- Gleich wie ein Splitter Glas im Mittagsschein Dem Kinde strahlt als bunter Edelstein. Carl Bleibtreu. O könnte ich mir beſchwören — Nicht die Fürſtin von Saba, nein, Nur Dich. So folge ich immer Deiner ſchwarzen Augen Schein. 3. Wenn die Sonne erkaltet, Die Sterne veraltet Und das Buch des Gerichtes ſich entfaltet, Wenn über Al-Sirats Flammenbrücke Ich ſiegreich zöge — ich fragte ſchnelle: „Zuleika, die makelloſe Gazelle, Wird ſie ſchwelgen mit mir in ewigem Glücke?“ „Nein!“ iſt die Antwort, „denn wie des Dſchemſchid Rubin die unſterbliche Seele glüht — Doch nur in des Mannes Bruſt. Das Weib Endet, zerfiel ſein ſterblicher Leib. Hier winkt dir die Houri unſterblich-ſchön.“ Lebt wohl denn für immer, ihr Himmelshöhn! Ich ſtürze mich ſelbſt in des Eblis Hölle, Ins ewige Feuer und Lavagerölle. Der irdiſchen Liebe bin ich geweiht Und der ſterblichen ſchwachen Weiblichkeit! 4. Wenn am Ararat hängt der Nebelflor, Dann ſprüh’n die Naphtaquellen empor. Wenn Schwermuth über der Seele ruht, Gährt auf die ſchöpferiſche Gluth. 5. Wenn ihm der Suma milchig Gift kredenzt, So ſchlürft das Kind wohl arglos dieſen Saft. Mit Schierling ſtatt Magnolien ſich’s bekränzt. Doch Kinder bleiben wir. Denn ewig glänzt Der Schönheit Tand vor’m Blick der Leidenſchaft — Gleich wie ein Splitter Glas im Mittagsſchein Dem Kinde ſtrahlt als bunter Edelſtein. <TEI> <text> <back> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0330" n="8"/> <fw place="top" type="header">Carl Bleibtreu.</fw><lb/> <lg n="7"> <l>O könnte ich mir beſchwören —</l><lb/> <l>Nicht die Fürſtin von Saba, nein,</l><lb/> <l>Nur Dich. So folge ich immer</l><lb/> <l>Deiner ſchwarzen Augen Schein.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <div n="4"> <head>3.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wenn die Sonne erkaltet,</l><lb/> <l>Die Sterne veraltet</l><lb/> <l>Und das Buch des Gerichtes ſich entfaltet,</l><lb/> <l>Wenn über Al-Sirats Flammenbrücke</l><lb/> <l>Ich ſiegreich zöge — ich fragte ſchnelle:</l><lb/> <l>„Zuleika, die makelloſe Gazelle,</l><lb/> <l>Wird ſie ſchwelgen mit mir in ewigem Glücke?“</l><lb/> <l>„Nein!“ iſt die Antwort, „denn wie des Dſchemſchid</l><lb/> <l>Rubin die unſterbliche Seele glüht —</l><lb/> <l>Doch nur in des Mannes Bruſt. Das Weib</l><lb/> <l>Endet, zerfiel ſein ſterblicher Leib.</l><lb/> <l>Hier winkt dir die Houri unſterblich-ſchön.“</l><lb/> <l>Lebt wohl denn für immer, ihr Himmelshöhn!</l><lb/> <l>Ich ſtürze mich ſelbſt in des Eblis Hölle,</l><lb/> <l>Ins ewige Feuer und Lavagerölle.</l><lb/> <l>Der irdiſchen Liebe bin ich geweiht</l><lb/> <l>Und der ſterblichen ſchwachen Weiblichkeit!</l> </lg> </lg> </div><lb/> <div n="4"> <head>4.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wenn am Ararat hängt der Nebelflor,</l><lb/> <l>Dann ſprüh’n die Naphtaquellen empor.</l><lb/> <l>Wenn Schwermuth über der Seele ruht,</l><lb/> <l>Gährt auf die ſchöpferiſche Gluth.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <div n="4"> <head>5.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wenn ihm der Suma milchig Gift kredenzt,</l><lb/> <l>So ſchlürft das Kind wohl arglos dieſen Saft.</l><lb/> <l>Mit Schierling ſtatt Magnolien ſich’s bekränzt.</l><lb/> <l>Doch Kinder bleiben wir. Denn ewig glänzt</l><lb/> <l>Der Schönheit Tand vor’m Blick der Leidenſchaft —</l><lb/> <l>Gleich wie ein Splitter Glas im Mittagsſchein</l><lb/> <l>Dem Kinde ſtrahlt als bunter Edelſtein.</l> </lg> </lg> </div><lb/> </div> </div> </div> </back> </text> </TEI> [8/0330]
Carl Bleibtreu.
O könnte ich mir beſchwören —
Nicht die Fürſtin von Saba, nein,
Nur Dich. So folge ich immer
Deiner ſchwarzen Augen Schein.
3.
Wenn die Sonne erkaltet,
Die Sterne veraltet
Und das Buch des Gerichtes ſich entfaltet,
Wenn über Al-Sirats Flammenbrücke
Ich ſiegreich zöge — ich fragte ſchnelle:
„Zuleika, die makelloſe Gazelle,
Wird ſie ſchwelgen mit mir in ewigem Glücke?“
„Nein!“ iſt die Antwort, „denn wie des Dſchemſchid
Rubin die unſterbliche Seele glüht —
Doch nur in des Mannes Bruſt. Das Weib
Endet, zerfiel ſein ſterblicher Leib.
Hier winkt dir die Houri unſterblich-ſchön.“
Lebt wohl denn für immer, ihr Himmelshöhn!
Ich ſtürze mich ſelbſt in des Eblis Hölle,
Ins ewige Feuer und Lavagerölle.
Der irdiſchen Liebe bin ich geweiht
Und der ſterblichen ſchwachen Weiblichkeit!
4.
Wenn am Ararat hängt der Nebelflor,
Dann ſprüh’n die Naphtaquellen empor.
Wenn Schwermuth über der Seele ruht,
Gährt auf die ſchöpferiſche Gluth.
5.
Wenn ihm der Suma milchig Gift kredenzt,
So ſchlürft das Kind wohl arglos dieſen Saft.
Mit Schierling ſtatt Magnolien ſich’s bekränzt.
Doch Kinder bleiben wir. Denn ewig glänzt
Der Schönheit Tand vor’m Blick der Leidenſchaft —
Gleich wie ein Splitter Glas im Mittagsſchein
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