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Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

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Julius Hart.
Wie die Nacht dem goldnen Tage,
Liebestrunken folg' ich zitternd
Dir seitdem, daß ich dir sage,
Was ich leide und ertrage,
Daß mein Ich in Dir erstarb.
Nun, da nächt'ge Zauber fluthen
Durch die Lüfte, auf den Erdball,
Heißer alle Sinne bluten,
Heißer alle Herzen gluthen,
Wandle ich vor deiner Thür.
Röthlich glänzt der süße Flimmer
Lichts in deinem hohen Saale, --
O Madonna, soll ich nimmer
Deines Kleides seidnen Schimmer
Heut' am Fenster noch erspäh'n?
Einmal nur auf dem Balkone
Zeige dich, mein Seelentraumbild,
Wie die Mutter mit dem Sohne
Hoch auf güldnem Himmelsthrone
Zwingst du mich, im Staub zu knien ...
Sommernächte, -- trunkne Stunden,
Da ich so vor ihrem Fenster,
Blutend aus vielsüßen Wunden,
Lauten und mit leisen Munden
Sang, ein blasser Troubadour.
Da ich spähend alle Wege
Niedersah, ob nicht ein Bursche
Girrend käm' mir ins Gehege, --
Hei, wie hätten meine Schläge
Liebeswunden ihm versetzt.
Da mit Veilchen und mit Rosen
Ich des Nachts ihr Fenster kränzte,
Und mit kecken Studiosen
Ständchen brachte und in losen
Reimen meine Liebe sang.

Julius Hart.
Wie die Nacht dem goldnen Tage,
Liebestrunken folg’ ich zitternd
Dir ſeitdem, daß ich dir ſage,
Was ich leide und ertrage,
Daß mein Ich in Dir erſtarb.
Nun, da nächt’ge Zauber fluthen
Durch die Lüfte, auf den Erdball,
Heißer alle Sinne bluten,
Heißer alle Herzen gluthen,
Wandle ich vor deiner Thür.
Röthlich glänzt der ſüße Flimmer
Lichts in deinem hohen Saale, —
O Madonna, ſoll ich nimmer
Deines Kleides ſeidnen Schimmer
Heut’ am Fenſter noch erſpäh’n?
Einmal nur auf dem Balkone
Zeige dich, mein Seelentraumbild,
Wie die Mutter mit dem Sohne
Hoch auf güldnem Himmelsthrone
Zwingſt du mich, im Staub zu knien …
Sommernächte, — trunkne Stunden,
Da ich ſo vor ihrem Fenſter,
Blutend aus vielſüßen Wunden,
Lauten und mit leiſen Munden
Sang, ein blaſſer Troubadour.
Da ich ſpähend alle Wege
Niederſah, ob nicht ein Burſche
Girrend käm’ mir ins Gehege, —
Hei, wie hätten meine Schläge
Liebeswunden ihm verſetzt.
Da mit Veilchen und mit Roſen
Ich des Nachts ihr Fenſter kränzte,
Und mit kecken Studioſen
Ständchen brachte und in loſen
Reimen meine Liebe ſang.

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[50/0068] Julius Hart. Wie die Nacht dem goldnen Tage, Liebestrunken folg’ ich zitternd Dir ſeitdem, daß ich dir ſage, Was ich leide und ertrage, Daß mein Ich in Dir erſtarb. Nun, da nächt’ge Zauber fluthen Durch die Lüfte, auf den Erdball, Heißer alle Sinne bluten, Heißer alle Herzen gluthen, Wandle ich vor deiner Thür. Röthlich glänzt der ſüße Flimmer Lichts in deinem hohen Saale, — O Madonna, ſoll ich nimmer Deines Kleides ſeidnen Schimmer Heut’ am Fenſter noch erſpäh’n? Einmal nur auf dem Balkone Zeige dich, mein Seelentraumbild, Wie die Mutter mit dem Sohne Hoch auf güldnem Himmelsthrone Zwingſt du mich, im Staub zu knien … Sommernächte, — trunkne Stunden, Da ich ſo vor ihrem Fenſter, Blutend aus vielſüßen Wunden, Lauten und mit leiſen Munden Sang, ein blaſſer Troubadour. Da ich ſpähend alle Wege Niederſah, ob nicht ein Burſche Girrend käm’ mir ins Gehege, — Hei, wie hätten meine Schläge Liebeswunden ihm verſetzt. Da mit Veilchen und mit Roſen Ich des Nachts ihr Fenſter kränzte, Und mit kecken Studioſen Ständchen brachte und in loſen Reimen meine Liebe ſang.

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Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/68>, abgerufen am 18.05.2024.