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Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.

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sei eine Ausgeburt der Hölle, und doch wird dabei mit einem
Gerechtigkeitsgefühl verfahren, das manchem Gerichtshof der Gegen-
wart Ehre machen würde. Vorposten mit geladenen Flinten werden
auf allen Punkten aufgestellt, und nur wer diese Grenze nicht
respektirt, kommt in Gefahr mißhandelt zu werden. Fremdes
Eigenthum ist heilig, und wird zufällig etwas beschädigt, so findet
der Beschädigte den Ersatz den kommenden Tag in seinem Haus,
und ist's auch der Werth einer Kuh oder eines Pferdes. Liegt
aber Jemand krank in einem Haus, so ziehen sie an diesem
ganz mäuschenstill vorbei. Sowohl die Wachen als auch sämmt-
liche Theilnehmer sind im Gesicht geschwärzt und dadurch un-
kenntlich. Die Bewohner des bezeichneten Hauses werden ge-
heimnißvoll aufgefordert, sich ruhig zu halten und keinen Wider-
stand zu leisten. Sind sie vor dem Haus des Geächteten ver-
sammelt, so muß sich dieser ruhig vor seine Thüre stellen und
seine Strafpredigt anhören, was mit allen Zuthaten 1-2 Stun-
den dauert. Sind sie aber entflohen, so kann er wieder in's
Bett gehen und weiter schlafen, wenn es ihm gelingt.

Jn der dritten Nacht, nachdem der Jakob sein Weib so
schmählich behandelt hatte, konnte Niemand im Dorf recht schlafen,
denn wie Gewitterschwüle lag es in der Luft, daß ein Haber-
feldtreiben beim Kugler bevorstehe. Nur dieser, eine böse Ahnung
zu beschwichtigen, hatte sich einen exemplarischen Dusel ange-
trunken und verfiel deshalb in einen dumpfen Schlaf. Gegen
Mitternacht hörte man die unheimlichen Vorboten des ange-
drohten Strafgerichts. Die schrillen Töne kamen mit jedem
Augenblick näher, und Niemand wagte ein Licht anzuzünden, son-
dern im Dunkeln schlichen die Leute auf den Fußspitzen an die
Fenster. Blinde Flintenschüsse verkündeten den Anmarsch und
nach einigen Minuten stürmte die schwarze Rotte zum Dorf
herein und dem Kuglerhof zu. Verschiedene hatten Thiergestalten
angenommen und als Laternen dienten einige Milchkübel.

Das Pfeifen mit Schwegelpfeifen, das Geklapper von
Staubmühlen, das Schlagen mit den Dreschflegeln auf Bretter
oder Eisenblech, das Knallen mit Peitschen, Läuten mit Kuh-
glocken, Trommeln und Trompetenblasen, dazu das Heulen der

ſei eine Ausgeburt der Hölle, und doch wird dabei mit einem
Gerechtigkeitsgefühl verfahren, das manchem Gerichtshof der Gegen-
wart Ehre machen würde. Vorpoſten mit geladenen Flinten werden
auf allen Punkten aufgeſtellt, und nur wer dieſe Grenze nicht
reſpektirt, kommt in Gefahr mißhandelt zu werden. Fremdes
Eigenthum iſt heilig, und wird zufällig etwas beſchädigt, ſo findet
der Beſchädigte den Erſatz den kommenden Tag in ſeinem Haus,
und iſt’s auch der Werth einer Kuh oder eines Pferdes. Liegt
aber Jemand krank in einem Haus, ſo ziehen ſie an dieſem
ganz mäuschenſtill vorbei. Sowohl die Wachen als auch ſämmt-
liche Theilnehmer ſind im Geſicht geſchwärzt und dadurch un-
kenntlich. Die Bewohner des bezeichneten Hauſes werden ge-
heimnißvoll aufgefordert, ſich ruhig zu halten und keinen Wider-
ſtand zu leiſten. Sind ſie vor dem Haus des Geächteten ver-
ſammelt, ſo muß ſich dieſer ruhig vor ſeine Thüre ſtellen und
ſeine Strafpredigt anhören, was mit allen Zuthaten 1–2 Stun-
den dauert. Sind ſie aber entflohen, ſo kann er wieder in’s
Bett gehen und weiter ſchlafen, wenn es ihm gelingt.

Jn der dritten Nacht, nachdem der Jakob ſein Weib ſo
ſchmählich behandelt hatte, konnte Niemand im Dorf recht ſchlafen,
denn wie Gewitterſchwüle lag es in der Luft, daß ein Haber-
feldtreiben beim Kugler bevorſtehe. Nur dieſer, eine böſe Ahnung
zu beſchwichtigen, hatte ſich einen exemplariſchen Duſel ange-
trunken und verfiel deshalb in einen dumpfen Schlaf. Gegen
Mitternacht hörte man die unheimlichen Vorboten des ange-
drohten Strafgerichts. Die ſchrillen Töne kamen mit jedem
Augenblick näher, und Niemand wagte ein Licht anzuzünden, ſon-
dern im Dunkeln ſchlichen die Leute auf den Fußſpitzen an die
Fenſter. Blinde Flintenſchüſſe verkündeten den Anmarſch und
nach einigen Minuten ſtürmte die ſchwarze Rotte zum Dorf
herein und dem Kuglerhof zu. Verſchiedene hatten Thiergeſtalten
angenommen und als Laternen dienten einige Milchkübel.

Das Pfeifen mit Schwegelpfeifen, das Geklapper von
Staubmühlen, das Schlagen mit den Dreſchflegeln auf Bretter
oder Eiſenblech, das Knallen mit Peitſchen, Läuten mit Kuh-
glocken, Trommeln und Trompetenblaſen, dazu das Heulen der

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Andreas Hungeling / https://www.stimm-los.de/: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-06-17T10:39:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-06-17T10:39:18Z)

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Zitationshilfe: Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/43>, abgerufen am 03.12.2024.