Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.Resl recht lieb haben, weil er gestern vor einem großen Unglück Kaum hatte sie dies ausgesprochen, als die Luxbäuerin Resl recht lieb haben, weil er geſtern vor einem großen Unglück Kaum hatte ſie dies ausgeſprochen, als die Luxbäuerin <TEI> <text> <body> <div type="chapter"> <p><pb facs="#f0068"/> Resl recht lieb haben, weil er geſtern vor einem großen Unglück<lb/> bewahrt blieb. „Jeſus, Maria!“ rief die Resl, „was iſt denn<lb/> g’ſchehen?“ „Jch weiß nix“, antwortete das Kind, „aber er will<lb/> bald ſelber kommen und alles erzählen“, und ſo kehrte es denn<lb/> mit einer ſchönen Belohnung aus Resl’s Hand vergnügt nach<lb/> Gmund zurück. — Nach zwei Tagen kam dann der Erſehnte<lb/> wirklich zum Beſuch in den Adlerhof. „Gott ſei Dank!“ rief<lb/> ihm das Bräutchen entgegen, „du biſt friſch und geſund! welcher<lb/> Gefahr biſt du denn entgangen?“ Hierauf ſchilderte er den ganzen<lb/> Vorgang an ſeinem Verlobungstag, und die Resl, die ganz blaß<lb/> wurde und am ganzen Körper zitterte, ſagte, als er geſchloſſen<lb/> hatte: „Du liebe Frau ! gleich morgen geh’ ich aber auf den<lb/> Riedererſtein.“</p><lb/> <p>Kaum hatte ſie dies ausgeſprochen, als die Luxbäuerin<lb/> mit dem Ausruf hereinſtürzte: „Wißt ihr ſchon, was für ein<lb/> entſetzliches Unglück geſchehen iſt?“ „Was denn?“ frugen<lb/> alle in der Stube. „Der Michel“, fuhr Jene fort, „der ſchon<lb/> ſeit zwei Tagen nicht mehr heim kam, wurde in der Langenau<lb/> todt aufgefunden.“ „Gott ſei ihm gnädig!“ tönte es aus<lb/> eines Jeden Mund. — Aus Angſt vor dem Gericht hatte er<lb/> ſich wirklich nicht mehr in’s Dorf zurückgetraut. Er ſtreifte<lb/> Tag und Nacht in den Bergen und Wäldern herum, und da<lb/> geſchah es denn, daß er ſich in der Finſterniß mit ſeiner ge-<lb/> ladenen Büchſe im Geſträuche verwickelte, der Lauf entlud ſich<lb/> und der ganze Schuß ging ihm in den Leib. — „Gebe Gott“,<lb/> ſagte der Franz mitleidig, „daß er vor ſeinem End’ noch Reu’<lb/> und Leid gemacht hat.“ „Es iſt zu hoffen“, meinte die Bäuerin,<lb/> „denn er hatte die Hände gefaltet“. „Gott gebe ihm die ewige<lb/> Ruh’!“ ſagten ſie einſtimmig. — An der Stelle aber, wo man<lb/> ihn gefunden hatte, wurde ſpäter zum traurigen Andenken ein<lb/> ſchwarzes Kreuz errichtet, das heute noch Jeder ſehen kann, der<lb/> in der Langenau ſpazieren geht. — „Aber auch eine fröhliche<lb/> Botſchaft bringe ich“, ſagte die Bäuerin nach einer kleinen<lb/> Pauſe, „daß ſich die Leni mit dem Seppl verlobt hat, und in<lb/> ſechs Wochen iſt die Hochzeit.“ – „<hi rendition="#g">Jetzt</hi> wird’s mir klar“,<lb/> rief die Resl vergnügt, „warum ſie ſo froh war, daß mir der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0068]
Resl recht lieb haben, weil er geſtern vor einem großen Unglück
bewahrt blieb. „Jeſus, Maria!“ rief die Resl, „was iſt denn
g’ſchehen?“ „Jch weiß nix“, antwortete das Kind, „aber er will
bald ſelber kommen und alles erzählen“, und ſo kehrte es denn
mit einer ſchönen Belohnung aus Resl’s Hand vergnügt nach
Gmund zurück. — Nach zwei Tagen kam dann der Erſehnte
wirklich zum Beſuch in den Adlerhof. „Gott ſei Dank!“ rief
ihm das Bräutchen entgegen, „du biſt friſch und geſund! welcher
Gefahr biſt du denn entgangen?“ Hierauf ſchilderte er den ganzen
Vorgang an ſeinem Verlobungstag, und die Resl, die ganz blaß
wurde und am ganzen Körper zitterte, ſagte, als er geſchloſſen
hatte: „Du liebe Frau ! gleich morgen geh’ ich aber auf den
Riedererſtein.“
Kaum hatte ſie dies ausgeſprochen, als die Luxbäuerin
mit dem Ausruf hereinſtürzte: „Wißt ihr ſchon, was für ein
entſetzliches Unglück geſchehen iſt?“ „Was denn?“ frugen
alle in der Stube. „Der Michel“, fuhr Jene fort, „der ſchon
ſeit zwei Tagen nicht mehr heim kam, wurde in der Langenau
todt aufgefunden.“ „Gott ſei ihm gnädig!“ tönte es aus
eines Jeden Mund. — Aus Angſt vor dem Gericht hatte er
ſich wirklich nicht mehr in’s Dorf zurückgetraut. Er ſtreifte
Tag und Nacht in den Bergen und Wäldern herum, und da
geſchah es denn, daß er ſich in der Finſterniß mit ſeiner ge-
ladenen Büchſe im Geſträuche verwickelte, der Lauf entlud ſich
und der ganze Schuß ging ihm in den Leib. — „Gebe Gott“,
ſagte der Franz mitleidig, „daß er vor ſeinem End’ noch Reu’
und Leid gemacht hat.“ „Es iſt zu hoffen“, meinte die Bäuerin,
„denn er hatte die Hände gefaltet“. „Gott gebe ihm die ewige
Ruh’!“ ſagten ſie einſtimmig. — An der Stelle aber, wo man
ihn gefunden hatte, wurde ſpäter zum traurigen Andenken ein
ſchwarzes Kreuz errichtet, das heute noch Jeder ſehen kann, der
in der Langenau ſpazieren geht. — „Aber auch eine fröhliche
Botſchaft bringe ich“, ſagte die Bäuerin nach einer kleinen
Pauſe, „daß ſich die Leni mit dem Seppl verlobt hat, und in
ſechs Wochen iſt die Hochzeit.“ – „Jetzt wird’s mir klar“,
rief die Resl vergnügt, „warum ſie ſo froh war, daß mir der
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