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Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [163]–201. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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trat die Frau mit dem Eierkuchen herein. Sie hatte ihn schon in drei Stücke geschnitten, ging zu Basset und schob ihm ein Stück mit den Worten auf den Teller: Einen besseren Eierkuchen findet Ihr nicht beim Commandanten, Ihr müßt mich rühmen! -- Finster blickte Francoeur in die Schüssel, die Lücke war fast so gross wie die beiden Stücke, die noch blieben; er stand auf und sagte: Es ist nicht anders, wir sind geschieden! Mit diesen Worten ging er nach dem Pulverthurme, schloß die eiserne Thür auf, trat ein und schloß sie wieder hinter sich zu. Die Frau sah ihm verwirrt nach und ließ die Schüssel fallen. Gott, ihn plagt der Böse; wenn er nur nicht Unheil stiftet im Pulverthurm. -- Ist das der Pulverthurm? rief Basset, er sprengt sich in die Luft, rettet Euch und Euer Kind! Mit diesen Worten lief er fort, auch der Mönch wagte sich nicht wieder herein und lief ihm nach. Rosalie eilte in die Wohnung zu ihrem Kinde, riß es aus dem Schlafe, aus der Wiege, sie wußte Nichts mehr von sich; bewußtlos, wie sie Francoeur einst gefolgt, so entfloh sie ihm mit dem Kinde und sagte vor sich hin: Kind, das thue ich nur deinetwegen, mir wäre besser, mit ihm zu sterben; Hagar, du hast nicht gelitten, wie ich, denn ich verstoße mich selbst! -- Unter solchen Gedanken kam sie herab auf einem falschen Wege und stand am sumpfigen Ufer des Flusses. Sie konnte aus Ermattung nicht mehr gehen und setzte sich deswegen in einen Nachen, der, nur leicht ans Ufer gefahren, leicht abzustoßen war, und ließ

trat die Frau mit dem Eierkuchen herein. Sie hatte ihn schon in drei Stücke geschnitten, ging zu Basset und schob ihm ein Stück mit den Worten auf den Teller: Einen besseren Eierkuchen findet Ihr nicht beim Commandanten, Ihr müßt mich rühmen! — Finster blickte Francoeur in die Schüssel, die Lücke war fast so gross wie die beiden Stücke, die noch blieben; er stand auf und sagte: Es ist nicht anders, wir sind geschieden! Mit diesen Worten ging er nach dem Pulverthurme, schloß die eiserne Thür auf, trat ein und schloß sie wieder hinter sich zu. Die Frau sah ihm verwirrt nach und ließ die Schüssel fallen. Gott, ihn plagt der Böse; wenn er nur nicht Unheil stiftet im Pulverthurm. — Ist das der Pulverthurm? rief Basset, er sprengt sich in die Luft, rettet Euch und Euer Kind! Mit diesen Worten lief er fort, auch der Mönch wagte sich nicht wieder herein und lief ihm nach. Rosalie eilte in die Wohnung zu ihrem Kinde, riß es aus dem Schlafe, aus der Wiege, sie wußte Nichts mehr von sich; bewußtlos, wie sie Francoeur einst gefolgt, so entfloh sie ihm mit dem Kinde und sagte vor sich hin: Kind, das thue ich nur deinetwegen, mir wäre besser, mit ihm zu sterben; Hagar, du hast nicht gelitten, wie ich, denn ich verstoße mich selbst! — Unter solchen Gedanken kam sie herab auf einem falschen Wege und stand am sumpfigen Ufer des Flusses. Sie konnte aus Ermattung nicht mehr gehen und setzte sich deswegen in einen Nachen, der, nur leicht ans Ufer gefahren, leicht abzustoßen war, und ließ

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[0029] trat die Frau mit dem Eierkuchen herein. Sie hatte ihn schon in drei Stücke geschnitten, ging zu Basset und schob ihm ein Stück mit den Worten auf den Teller: Einen besseren Eierkuchen findet Ihr nicht beim Commandanten, Ihr müßt mich rühmen! — Finster blickte Francoeur in die Schüssel, die Lücke war fast so gross wie die beiden Stücke, die noch blieben; er stand auf und sagte: Es ist nicht anders, wir sind geschieden! Mit diesen Worten ging er nach dem Pulverthurme, schloß die eiserne Thür auf, trat ein und schloß sie wieder hinter sich zu. Die Frau sah ihm verwirrt nach und ließ die Schüssel fallen. Gott, ihn plagt der Böse; wenn er nur nicht Unheil stiftet im Pulverthurm. — Ist das der Pulverthurm? rief Basset, er sprengt sich in die Luft, rettet Euch und Euer Kind! Mit diesen Worten lief er fort, auch der Mönch wagte sich nicht wieder herein und lief ihm nach. Rosalie eilte in die Wohnung zu ihrem Kinde, riß es aus dem Schlafe, aus der Wiege, sie wußte Nichts mehr von sich; bewußtlos, wie sie Francoeur einst gefolgt, so entfloh sie ihm mit dem Kinde und sagte vor sich hin: Kind, das thue ich nur deinetwegen, mir wäre besser, mit ihm zu sterben; Hagar, du hast nicht gelitten, wie ich, denn ich verstoße mich selbst! — Unter solchen Gedanken kam sie herab auf einem falschen Wege und stand am sumpfigen Ufer des Flusses. Sie konnte aus Ermattung nicht mehr gehen und setzte sich deswegen in einen Nachen, der, nur leicht ans Ufer gefahren, leicht abzustoßen war, und ließ

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:48:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:48:52Z)

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [163]–201. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_invalide_1910/29>, abgerufen am 21.11.2024.