Der Engelmayer sang und zerrt sein Kutten oben: "Der Neithard hat mich in ein Sack geschoben, "Deß hab ich Schand und Laster immerdar."
Sie wurden Zornes voll ohn Fressen und ohn Saufen, Begunnten sich einander aus bösem Muth zu raufen, Und waren doch geschoren ohne Haar.
Der Herzog sprach: "Nun fertig' sie von hinnen, "All mein Hofgesind muß schier entrinnen, "Es sind gar ungefüge Mönch fürwahr."
Da rief Herr Neithard vom Fenster nieder: "Verkündets aller Welt ihr frommen Brüder, "Und laßt euch nicht wachsen lauter graue Haar.
Mit Murren zogen sie wie eine Wetterwolken, Ihre vierbeinicht Schwestern standen ungemolken, Ohn Urlaubnehmen ward Fluchen nicht gespart.
Sie huben sich zum Thor hinaus zu traben, Die alten dummen steifen Akkerknaben, Tanzten in ihren langen Kutten Wie Winzer in den Butten, Darnach warens Bauren hinten nach wie vor.
Von zwölf Knaben.
Frische Liedlein.
Mein Mutter zeihet mich, Zwölf Knaben freyen mich.
Der Engelmayer ſang und zerrt ſein Kutten oben: „Der Neithard hat mich in ein Sack geſchoben, „Deß hab ich Schand und Laſter immerdar.“
Sie wurden Zornes voll ohn Freſſen und ohn Saufen, Begunnten ſich einander aus boͤſem Muth zu raufen, Und waren doch geſchoren ohne Haar.
Der Herzog ſprach: „Nun fertig' ſie von hinnen, „All mein Hofgeſind muß ſchier entrinnen, „Es ſind gar ungefuͤge Moͤnch fuͤrwahr.“
Da rief Herr Neithard vom Fenſter nieder: „Verkuͤndets aller Welt ihr frommen Bruͤder, „Und laßt euch nicht wachſen lauter graue Haar.
Mit Murren zogen ſie wie eine Wetterwolken, Ihre vierbeinicht Schweſtern ſtanden ungemolken, Ohn Urlaubnehmen ward Fluchen nicht geſpart.
Sie huben ſich zum Thor hinaus zu traben, Die alten dummen ſteifen Akkerknaben, Tanzten in ihren langen Kutten Wie Winzer in den Butten, Darnach warens Bauren hinten nach wie vor.
Von zwoͤlf Knaben.
Friſche Liedlein.
Mein Mutter zeihet mich, Zwoͤlf Knaben freyen mich.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0118"n="109"/><lgn="43"><l>Der Engelmayer ſang und zerrt ſein Kutten oben:</l><lb/><l>„Der Neithard hat mich in ein Sack geſchoben,</l><lb/><l>„Deß hab ich Schand und Laſter immerdar.“</l></lg><lb/><lgn="44"><l>Sie wurden Zornes voll ohn Freſſen und ohn Saufen,</l><lb/><l>Begunnten ſich einander aus boͤſem Muth zu raufen,</l><lb/><l>Und waren doch geſchoren ohne Haar.</l></lg><lb/><lgn="45"><l>Der Herzog ſprach: „Nun fertig' ſie von hinnen,</l><lb/><l>„All mein Hofgeſind muß ſchier entrinnen,</l><lb/><l>„Es ſind gar ungefuͤge Moͤnch fuͤrwahr.“</l></lg><lb/><lgn="46"><l>Da rief Herr Neithard vom Fenſter nieder:</l><lb/><l>„Verkuͤndets aller Welt ihr frommen Bruͤder,</l><lb/><l>„Und laßt euch nicht wachſen lauter graue Haar.</l></lg><lb/><lgn="47"><l>Mit Murren zogen ſie wie eine Wetterwolken,</l><lb/><l>Ihre vierbeinicht Schweſtern ſtanden ungemolken,</l><lb/><l>Ohn Urlaubnehmen ward Fluchen nicht geſpart.</l></lg><lb/><lgn="48"><l>Sie huben ſich zum Thor hinaus zu traben,</l><lb/><l>Die alten dummen ſteifen Akkerknaben,</l><lb/><l>Tanzten in ihren langen Kutten</l><lb/><l>Wie Winzer in den Butten,</l><lb/><l>Darnach warens Bauren hinten nach wie vor.</l></lg></lg></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head><hirendition="#g">Von zwoͤlf Knaben</hi>.</head><lb/><prendition="#c">Friſche Liedlein.</p><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l><hirendition="#in">M</hi>ein Mutter zeihet mich,</l><lb/><l>Zwoͤlf Knaben freyen mich.</l></lg><lb/></lg></div></div></body></text></TEI>
[109/0118]
Der Engelmayer ſang und zerrt ſein Kutten oben:
„Der Neithard hat mich in ein Sack geſchoben,
„Deß hab ich Schand und Laſter immerdar.“
Sie wurden Zornes voll ohn Freſſen und ohn Saufen,
Begunnten ſich einander aus boͤſem Muth zu raufen,
Und waren doch geſchoren ohne Haar.
Der Herzog ſprach: „Nun fertig' ſie von hinnen,
„All mein Hofgeſind muß ſchier entrinnen,
„Es ſind gar ungefuͤge Moͤnch fuͤrwahr.“
Da rief Herr Neithard vom Fenſter nieder:
„Verkuͤndets aller Welt ihr frommen Bruͤder,
„Und laßt euch nicht wachſen lauter graue Haar.
Mit Murren zogen ſie wie eine Wetterwolken,
Ihre vierbeinicht Schweſtern ſtanden ungemolken,
Ohn Urlaubnehmen ward Fluchen nicht geſpart.
Sie huben ſich zum Thor hinaus zu traben,
Die alten dummen ſteifen Akkerknaben,
Tanzten in ihren langen Kutten
Wie Winzer in den Butten,
Darnach warens Bauren hinten nach wie vor.
Von zwoͤlf Knaben.
Friſche Liedlein.
Mein Mutter zeihet mich,
Zwoͤlf Knaben freyen mich.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/118>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.