Drei Stündlein vor dem Tagen, Ein Hirschlein oder ein Reh.
"Ach Jäger, du hast kein verschlafen, "Lieber Jäger, jezt ist es Zeit; "Dein Schlaf thut mich erfreuen "In meiner stillen Einsamkeit."
Das thät den Jäger verdrießen, Dieweil sie so reden thät, Er wollt das Jungfräulein erschießen, Dieweil sie so reden thät.
Sie fiel dem Jäger zu Füßen, Auf ihre schneeweisse Knie: "Ach Jäger thu mich nicht erschießen!" Dem Jäger das Herze wohl brach.
Sie thät den Jäger wohl fragen: "Ach edler Jäger mein, "Darf ich ein grün Kranz fern tragen, "In meinem goldfarbenen Haar?"
"Grün Kränzlein darfst du nicht tragen, "Wie ein Jungfräuelein trägt, "Ein schneeweiß Häublein sollst tragen, "Wie ein jung Jägersfrau trägt."
Drei Stuͤndlein vor dem Tagen, Ein Hirſchlein oder ein Reh.
„Ach Jaͤger, du haſt kein verſchlafen, „Lieber Jaͤger, jezt iſt es Zeit; „Dein Schlaf thut mich erfreuen „In meiner ſtillen Einſamkeit.“
Das thaͤt den Jaͤger verdrießen, Dieweil ſie ſo reden thaͤt, Er wollt das Jungfraͤulein erſchießen, Dieweil ſie ſo reden thaͤt.
Sie fiel dem Jaͤger zu Fuͤßen, Auf ihre ſchneeweiſſe Knie: „Ach Jaͤger thu mich nicht erſchießen!“ Dem Jaͤger das Herze wohl brach.
Sie thaͤt den Jaͤger wohl fragen: „Ach edler Jaͤger mein, „Darf ich ein gruͤn Kranz fern tragen, „In meinem goldfarbenen Haar?“
„Gruͤn Kraͤnzlein darfſt du nicht tragen, „Wie ein Jungfraͤuelein traͤgt, „Ein ſchneeweiß Haͤublein ſollſt tragen, „Wie ein jung Jaͤgersfrau traͤgt.“
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[293[303]/0312]
Drei Stuͤndlein vor dem Tagen,
Ein Hirſchlein oder ein Reh.
„Ach Jaͤger, du haſt kein verſchlafen,
„Lieber Jaͤger, jezt iſt es Zeit;
„Dein Schlaf thut mich erfreuen
„In meiner ſtillen Einſamkeit.“
Das thaͤt den Jaͤger verdrießen,
Dieweil ſie ſo reden thaͤt,
Er wollt das Jungfraͤulein erſchießen,
Dieweil ſie ſo reden thaͤt.
Sie fiel dem Jaͤger zu Fuͤßen,
Auf ihre ſchneeweiſſe Knie:
„Ach Jaͤger thu mich nicht erſchießen!“
Dem Jaͤger das Herze wohl brach.
Sie thaͤt den Jaͤger wohl fragen:
„Ach edler Jaͤger mein,
„Darf ich ein gruͤn Kranz fern tragen,
„In meinem goldfarbenen Haar?“
„Gruͤn Kraͤnzlein darfſt du nicht tragen,
„Wie ein Jungfraͤuelein traͤgt,
„Ein ſchneeweiß Haͤublein ſollſt tragen,
„Wie ein jung Jaͤgersfrau traͤgt.“
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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 293[303]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/312>, abgerufen am 22.11.2024.
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