Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie betet: Wär das Kind zur Welt,
Darnach, wenn's Gott dem Herrn gefällt,
Wollt sie auch gerne sterben.

Sie starb zu ihrer Kinder Leid,
Ward in ein Grab getragen,
Die Kinder gingen lange Zeit
Vielmal an allen Tagen,
Wohl auf den Kirchhof zu dem Grab,
Sie weinten sich die Aeuglig ab,
Im Hause still zu bleiben.
Als nun die Frau neun Tage lang,
Im Grabe hat gelegen,
Die Kinder nahmen ihren Gang,
Zum Kirchhof thäten gehen,
Da hörten sie ein lieblich Stimm
Auf ihrer Mutter Grab vernimm,
Ein Kinder-Liedlein singen.
Nun schlaf mein liebes Kindelein,
Sangs mit der Mutter Tone,
Die Kinder liefen freudig heim,
Mit einer Blumenkrone:
"O Vater, lieber Vater mein!
"Geh mit uns auf den Kirchhof ein,
"Die Mutter singet schöne.
"Sie wiegt im Grab ein Kindelein,
"Darum wir Blumen tragen."

Sie betet: Waͤr das Kind zur Welt,
Darnach, wenn's Gott dem Herrn gefaͤllt,
Wollt ſie auch gerne ſterben.

Sie ſtarb zu ihrer Kinder Leid,
Ward in ein Grab getragen,
Die Kinder gingen lange Zeit
Vielmal an allen Tagen,
Wohl auf den Kirchhof zu dem Grab,
Sie weinten ſich die Aeuglig ab,
Im Hauſe ſtill zu bleiben.
Als nun die Frau neun Tage lang,
Im Grabe hat gelegen,
Die Kinder nahmen ihren Gang,
Zum Kirchhof thaͤten gehen,
Da hoͤrten ſie ein lieblich Stimm
Auf ihrer Mutter Grab vernimm,
Ein Kinder-Liedlein ſingen.
Nun ſchlaf mein liebes Kindelein,
Sangs mit der Mutter Tone,
Die Kinder liefen freudig heim,
Mit einer Blumenkrone:
„O Vater, lieber Vater mein!
„Geh mit uns auf den Kirchhof ein,
„Die Mutter ſinget ſchoͤne.
„Sie wiegt im Grab ein Kindelein,
„Darum wir Blumen tragen.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <pb facs="#f0342" n="323[333]"/>
              <l>Sie betet: Wa&#x0364;r das Kind zur Welt,</l><lb/>
              <l>Darnach, wenn's Gott dem Herrn gefa&#x0364;llt,</l><lb/>
              <l>Wollt &#x017F;ie auch gerne &#x017F;terben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Sie &#x017F;tarb zu ihrer Kinder Leid,</l><lb/>
              <l>Ward in ein Grab getragen,</l><lb/>
              <l>Die Kinder gingen lange Zeit</l><lb/>
              <l>Vielmal an allen Tagen,</l><lb/>
              <l>Wohl auf den Kirchhof zu dem Grab,</l><lb/>
              <l>Sie weinten &#x017F;ich die Aeuglig ab,</l><lb/>
              <l>Im Hau&#x017F;e &#x017F;till zu bleiben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Als nun die Frau neun Tage lang,</l><lb/>
              <l>Im Grabe hat gelegen,</l><lb/>
              <l>Die Kinder nahmen ihren Gang,</l><lb/>
              <l>Zum Kirchhof tha&#x0364;ten gehen,</l><lb/>
              <l>Da ho&#x0364;rten &#x017F;ie ein lieblich Stimm</l><lb/>
              <l>Auf ihrer Mutter Grab vernimm,</l><lb/>
              <l>Ein Kinder-Liedlein &#x017F;ingen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Nun &#x017F;chlaf mein liebes Kindelein,</l><lb/>
              <l>Sangs mit der Mutter Tone,</l><lb/>
              <l>Die Kinder liefen freudig heim,</l><lb/>
              <l>Mit einer Blumenkrone:</l><lb/>
              <l>&#x201E;O Vater, lieber Vater mein!</l><lb/>
              <l>&#x201E;Geh mit uns auf den Kirchhof ein,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Die Mutter &#x017F;inget &#x017F;cho&#x0364;ne.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>&#x201E;Sie wiegt im Grab ein Kindelein,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Darum wir Blumen tragen.&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[323[333]/0342] Sie betet: Waͤr das Kind zur Welt, Darnach, wenn's Gott dem Herrn gefaͤllt, Wollt ſie auch gerne ſterben. Sie ſtarb zu ihrer Kinder Leid, Ward in ein Grab getragen, Die Kinder gingen lange Zeit Vielmal an allen Tagen, Wohl auf den Kirchhof zu dem Grab, Sie weinten ſich die Aeuglig ab, Im Hauſe ſtill zu bleiben. Als nun die Frau neun Tage lang, Im Grabe hat gelegen, Die Kinder nahmen ihren Gang, Zum Kirchhof thaͤten gehen, Da hoͤrten ſie ein lieblich Stimm Auf ihrer Mutter Grab vernimm, Ein Kinder-Liedlein ſingen. Nun ſchlaf mein liebes Kindelein, Sangs mit der Mutter Tone, Die Kinder liefen freudig heim, Mit einer Blumenkrone: „O Vater, lieber Vater mein! „Geh mit uns auf den Kirchhof ein, „Die Mutter ſinget ſchoͤne. „Sie wiegt im Grab ein Kindelein, „Darum wir Blumen tragen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/342
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 323[333]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/342>, abgerufen am 22.11.2024.