Der Knab trat gar verborgen, Vor ihr Schlafkämmerlein, Er sprach zu ihr mit Sorgen: "Zart schönes Jungfräulein, "Neu Mehr will ich euch sagen, "Da ist kein Zweifel an, "Es lieget einer im Hage, "Der führt ein schwere Klage, "Es mag euer Buhle seyn."
Die Jungfrau sprach mit Sinnen: "Es hat dich sonst gedeucht, "Der Mond hat mir geschienen, "Die Stern han mir geleucht." "Der Mond der hat geschienen, "O zartes Jungfräulein, "Er liegt in grüner Aue, "Sein Leib ist ihm zerhauen, "In großen Treuen zwar."
Die Jungfrau schrack gar sehre, Ihr Herz war Leides voll, Sie wollt kein Freud mehr hören, Die Botschaft schmerzt ihr wohl, Ein Hemd thät sie umscheuren, Ein Hemdlein, das war weiß, Den Knaben sie erblicket, Ihr Herz vor Freud erquicket, Gehrt ihn mit ganzem Fleiß.
Der Knab trat gar verborgen, Vor ihr Schlafkaͤmmerlein, Er ſprach zu ihr mit Sorgen: „Zart ſchoͤnes Jungfraͤulein, „Neu Mehr will ich euch ſagen, „Da iſt kein Zweifel an, „Es lieget einer im Hage, „Der fuͤhrt ein ſchwere Klage, „Es mag euer Buhle ſeyn.“
Die Jungfrau ſprach mit Sinnen: „Es hat dich ſonſt gedeucht, „Der Mond hat mir geſchienen, „Die Stern han mir geleucht.“ „Der Mond der hat geſchienen, „O zartes Jungfraͤulein, „Er liegt in gruͤner Aue, „Sein Leib iſt ihm zerhauen, „In großen Treuen zwar.“
Die Jungfrau ſchrack gar ſehre, Ihr Herz war Leides voll, Sie wollt kein Freud mehr hoͤren, Die Botſchaft ſchmerzt ihr wohl, Ein Hemd thaͤt ſie umſcheuren, Ein Hemdlein, das war weiß, Den Knaben ſie erblicket, Ihr Herz vor Freud erquicket, Gehrt ihn mit ganzem Fleiß.
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[390[400]/0409]
Der Knab trat gar verborgen,
Vor ihr Schlafkaͤmmerlein,
Er ſprach zu ihr mit Sorgen:
„Zart ſchoͤnes Jungfraͤulein,
„Neu Mehr will ich euch ſagen,
„Da iſt kein Zweifel an,
„Es lieget einer im Hage,
„Der fuͤhrt ein ſchwere Klage,
„Es mag euer Buhle ſeyn.“
Die Jungfrau ſprach mit Sinnen:
„Es hat dich ſonſt gedeucht,
„Der Mond hat mir geſchienen,
„Die Stern han mir geleucht.“
„Der Mond der hat geſchienen,
„O zartes Jungfraͤulein,
„Er liegt in gruͤner Aue,
„Sein Leib iſt ihm zerhauen,
„In großen Treuen zwar.“
Die Jungfrau ſchrack gar ſehre,
Ihr Herz war Leides voll,
Sie wollt kein Freud mehr hoͤren,
Die Botſchaft ſchmerzt ihr wohl,
Ein Hemd thaͤt ſie umſcheuren,
Ein Hemdlein, das war weiß,
Den Knaben ſie erblicket,
Ihr Herz vor Freud erquicket,
Gehrt ihn mit ganzem Fleiß.
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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 390[400]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/409>, abgerufen am 23.11.2024.
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