Ein Mädel zugeredt. Er stiege diese Nacht, Wohl in ihr Federbett.
Das Mädel kam geschlichen Und wäre fast verblichen, Sie hörte an der Wand, Nur ihre eigne Schand, Sie weinte heimlich aus, Sie lief zurück nach Haus.
Die Nacht war bis zur Mitten, Der Ritter kam geritten, Er klopfet freundlich an, Mit seinem goldnen Ring: "Ey schläf'st du oder wachst, "Mein auserwähltes Kind."
"Was wäre, wenn ich schliefe, "Und dich heut nicht einließe? "Du hast mir gestern spät "Ein falsche Red gethan. "Ich schlafe heute Nacht, "Wenn du vorm Fenster wachst."
"Wo soll ich denn hinreiten? "Es regnet und es schneiet, "Es geht ein kühler Wind, "Nun schlafen alle Leut "Und alle Bürgers Kind, "Mach auf du süßes Kind!"
3.
Ein Maͤdel zugeredt. Er ſtiege dieſe Nacht, Wohl in ihr Federbett.
Das Maͤdel kam geſchlichen Und waͤre faſt verblichen, Sie hoͤrte an der Wand, Nur ihre eigne Schand, Sie weinte heimlich aus, Sie lief zuruͤck nach Haus.
Die Nacht war bis zur Mitten, Der Ritter kam geritten, Er klopfet freundlich an, Mit ſeinem goldnen Ring: „Ey ſchlaͤf'ſt du oder wachſt, „Mein auserwaͤhltes Kind.“
„Was waͤre, wenn ich ſchliefe, „Und dich heut nicht einließe? „Du haſt mir geſtern ſpaͤt „Ein falſche Red gethan. „Ich ſchlafe heute Nacht, „Wenn du vorm Fenſter wachſt.“
„Wo ſoll ich denn hinreiten? „Es regnet und es ſchneiet, „Es geht ein kuͤhler Wind, „Nun ſchlafen alle Leut „Und alle Buͤrgers Kind, „Mach auf du ſuͤßes Kind!“
3.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><lgn="2"><pbfacs="#f0042"n="33"/><l>Ein Maͤdel zugeredt.</l><lb/><l>Er ſtiege dieſe Nacht,</l><lb/><l>Wohl in ihr Federbett.</l></lg><lb/><lgn="3"><l>Das Maͤdel kam geſchlichen</l><lb/><l>Und waͤre faſt verblichen,</l><lb/><l>Sie hoͤrte an der Wand,</l><lb/><l>Nur ihre eigne Schand,</l><lb/><l>Sie weinte heimlich aus,</l><lb/><l>Sie lief zuruͤck nach Haus.</l></lg><lb/><lgn="4"><l>Die Nacht war bis zur Mitten,</l><lb/><l>Der Ritter kam geritten,</l><lb/><l>Er klopfet freundlich an,</l><lb/><l>Mit ſeinem goldnen Ring:</l><lb/><l>„Ey ſchlaͤf'ſt du oder wachſt,</l><lb/><l>„Mein auserwaͤhltes Kind.“</l></lg><lb/><lgn="5"><l>„Was waͤre, wenn ich ſchliefe,</l><lb/><l>„Und dich heut nicht einließe?</l><lb/><l>„Du haſt mir geſtern ſpaͤt</l><lb/><l>„Ein falſche Red gethan.</l><lb/><l>„Ich ſchlafe heute Nacht,</l><lb/><l>„Wenn du vorm Fenſter wachſt.“</l></lg><lb/><lgn="6"><l>„Wo ſoll ich denn hinreiten?</l><lb/><l>„Es regnet und es ſchneiet,</l><lb/><l>„Es geht ein kuͤhler Wind,</l><lb/><l>„Nun ſchlafen alle Leut</l><lb/><l>„Und alle Buͤrgers Kind,</l><lb/><l>„Mach auf du ſuͤßes Kind!“</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="sig">3.</fw><lb/></lg></div></div></body></text></TEI>
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Ein Maͤdel zugeredt.
Er ſtiege dieſe Nacht,
Wohl in ihr Federbett.
Das Maͤdel kam geſchlichen
Und waͤre faſt verblichen,
Sie hoͤrte an der Wand,
Nur ihre eigne Schand,
Sie weinte heimlich aus,
Sie lief zuruͤck nach Haus.
Die Nacht war bis zur Mitten,
Der Ritter kam geritten,
Er klopfet freundlich an,
Mit ſeinem goldnen Ring:
„Ey ſchlaͤf'ſt du oder wachſt,
„Mein auserwaͤhltes Kind.“
„Was waͤre, wenn ich ſchliefe,
„Und dich heut nicht einließe?
„Du haſt mir geſtern ſpaͤt
„Ein falſche Red gethan.
„Ich ſchlafe heute Nacht,
„Wenn du vorm Fenſter wachſt.“
„Wo ſoll ich denn hinreiten?
„Es regnet und es ſchneiet,
„Es geht ein kuͤhler Wind,
„Nun ſchlafen alle Leut
„Und alle Buͤrgers Kind,
„Mach auf du ſuͤßes Kind!“
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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/42>, abgerufen am 21.11.2024.
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