Und alles bey dem Tische saß, Man war da fröhlich ohne Maaß.
Sie saßen da im großen Saal, Alsbald da sah man überall, Die Männer sahens und die Frauen, Sie konnten beyde es anschauen, Wie etwas durch die Bühne stieß, Ein Menschen-Fuß sich sehen ließ.
Blos zeigt er sich bis an die Knie, Kein schönern Fuß sie sahen nie, Der Fuß wohl überm Saal erscheint, So schön und weiß wie Elfenbein, Der Ritter still saß bey der Braut, Die schrie auf und schrie laut.
Der Ritter, als er den Fuß ersah, Erschrack er und ganz traurig sprach: "O Weh, o Weh, mir armem Mann!" Und wurde bleich von Stunde an. Man bracht ihm sein kristallnes Glas, Er sah es an und wurde blaß.
Er sah in dem kristallnen Pokale, Ein Kind das schlief beym lauten Mahle, Es schlief vom Weine überdeckt, Ein Füßchen hat es vorgestreckt, Doch wie der Wein getrunken aus, So schwand das Kindlein auch hinaus.
Und alles bey dem Tiſche ſaß, Man war da froͤhlich ohne Maaß.
Sie ſaßen da im großen Saal, Alsbald da ſah man uͤberall, Die Maͤnner ſahens und die Frauen, Sie konnten beyde es anſchauen, Wie etwas durch die Buͤhne ſtieß, Ein Menſchen-Fuß ſich ſehen ließ.
Blos zeigt er ſich bis an die Knie, Kein ſchoͤnern Fuß ſie ſahen nie, Der Fuß wohl uͤberm Saal erſcheint, So ſchoͤn und weiß wie Elfenbein, Der Ritter ſtill ſaß bey der Braut, Die ſchrie auf und ſchrie laut.
Der Ritter, als er den Fuß erſah, Erſchrack er und ganz traurig ſprach: „O Weh, o Weh, mir armem Mann!“ Und wurde bleich von Stunde an. Man bracht ihm ſein kriſtallnes Glas, Er ſah es an und wurde blaß.
Er ſah in dem kriſtallnen Pokale, Ein Kind das ſchlief beym lauten Mahle, Es ſchlief vom Weine uͤberdeckt, Ein Fuͤßchen hat es vorgeſtreckt, Doch wie der Wein getrunken aus, So ſchwand das Kindlein auch hinaus.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><lgn="36"><pbfacs="#f0435"n="416[426]"/><l>Und alles bey dem Tiſche ſaß,</l><lb/><l>Man war da froͤhlich ohne Maaß.</l></lg><lb/><lgn="37"><l>Sie ſaßen da im großen Saal,</l><lb/><l>Alsbald da ſah man uͤberall,</l><lb/><l>Die Maͤnner ſahens und die Frauen,</l><lb/><l>Sie konnten beyde es anſchauen,</l><lb/><l>Wie etwas durch die Buͤhne ſtieß,</l><lb/><l>Ein Menſchen-Fuß ſich ſehen ließ.</l></lg><lb/><lgn="38"><l>Blos zeigt er ſich bis an die Knie,</l><lb/><l>Kein ſchoͤnern Fuß ſie ſahen nie,</l><lb/><l>Der Fuß wohl uͤberm Saal erſcheint,</l><lb/><l>So ſchoͤn und weiß wie Elfenbein,</l><lb/><l>Der Ritter ſtill ſaß bey der Braut,</l><lb/><l>Die ſchrie auf und ſchrie laut.</l></lg><lb/><lgn="39"><l>Der Ritter, als er den Fuß erſah,</l><lb/><l>Erſchrack er und ganz traurig ſprach:</l><lb/><l>„O Weh, o Weh, mir armem Mann!“</l><lb/><l>Und wurde bleich von Stunde an.</l><lb/><l>Man bracht ihm ſein kriſtallnes Glas,</l><lb/><l>Er ſah es an und wurde blaß.</l></lg><lb/><lgn="40"><l>Er ſah in dem kriſtallnen Pokale,</l><lb/><l>Ein Kind das ſchlief beym lauten Mahle,</l><lb/><l>Es ſchlief vom Weine uͤberdeckt,</l><lb/><l>Ein Fuͤßchen hat es vorgeſtreckt,</l><lb/><l>Doch wie der Wein getrunken aus,</l><lb/><l>So ſchwand das Kindlein auch hinaus.</l></lg><lb/></lg></div></div></body></text></TEI>
[416[426]/0435]
Und alles bey dem Tiſche ſaß,
Man war da froͤhlich ohne Maaß.
Sie ſaßen da im großen Saal,
Alsbald da ſah man uͤberall,
Die Maͤnner ſahens und die Frauen,
Sie konnten beyde es anſchauen,
Wie etwas durch die Buͤhne ſtieß,
Ein Menſchen-Fuß ſich ſehen ließ.
Blos zeigt er ſich bis an die Knie,
Kein ſchoͤnern Fuß ſie ſahen nie,
Der Fuß wohl uͤberm Saal erſcheint,
So ſchoͤn und weiß wie Elfenbein,
Der Ritter ſtill ſaß bey der Braut,
Die ſchrie auf und ſchrie laut.
Der Ritter, als er den Fuß erſah,
Erſchrack er und ganz traurig ſprach:
„O Weh, o Weh, mir armem Mann!“
Und wurde bleich von Stunde an.
Man bracht ihm ſein kriſtallnes Glas,
Er ſah es an und wurde blaß.
Er ſah in dem kriſtallnen Pokale,
Ein Kind das ſchlief beym lauten Mahle,
Es ſchlief vom Weine uͤberdeckt,
Ein Fuͤßchen hat es vorgeſtreckt,
Doch wie der Wein getrunken aus,
So ſchwand das Kindlein auch hinaus.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 416[426]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/435>, abgerufen am 26.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.