Ich empfinde fast ein Grauen, Daß ich, Plato, für und für Bin gesessen über dir; Es ist Zeit hinaus zu schauen, Und sich bey den frischen Quellen In dem Grünen zu ergehn, Wo die schönen Blumen stehn, Und die Fischer Netze stellen.
Wozu dienet das Studieren? Als zu lauter Ungemach? Unterdessen läuft der Bach Unsers Lebens, uns zu führen, Ehe wir es inne werden, Auf sein leztes Ende hin, Dann kömmt ohne Geist und Sinn Dieses alles in die Erden.
Hola, Junge geh und frage, Wo der beßte Trunk mag seyn, Nimm den Krug, und fülle Wein. Alles Trauren, Leid und Klage Wie wir Menschen täglich haben, Eh' der Strom uns fortgerafft, Will ich in den süßen Saft Den die Traube gibt, vergraben.
Ueberdruß der Gelahrtheit.
Opitz.
Ich empfinde faſt ein Grauen, Daß ich, Plato, fuͤr und fuͤr Bin geſeſſen uͤber dir; Es iſt Zeit hinaus zu ſchauen, Und ſich bey den friſchen Quellen In dem Gruͤnen zu ergehn, Wo die ſchoͤnen Blumen ſtehn, Und die Fiſcher Netze ſtellen.
Wozu dienet das Studieren? Als zu lauter Ungemach? Unterdeſſen laͤuft der Bach Unſers Lebens, uns zu fuͤhren, Ehe wir es inne werden, Auf ſein leztes Ende hin, Dann koͤmmt ohne Geiſt und Sinn Dieſes alles in die Erden.
Hola, Junge geh und frage, Wo der beßte Trunk mag ſeyn, Nimm den Krug, und fuͤlle Wein. Alles Trauren, Leid und Klage Wie wir Menſchen taͤglich haben, Eh' der Strom uns fortgerafft, Will ich in den ſuͤßen Saft Den die Traube gibt, vergraben.
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Ueberdruß der Gelahrtheit.
Opitz.
Ich empfinde faſt ein Grauen,
Daß ich, Plato, fuͤr und fuͤr
Bin geſeſſen uͤber dir;
Es iſt Zeit hinaus zu ſchauen,
Und ſich bey den friſchen Quellen
In dem Gruͤnen zu ergehn,
Wo die ſchoͤnen Blumen ſtehn,
Und die Fiſcher Netze ſtellen.
Wozu dienet das Studieren?
Als zu lauter Ungemach?
Unterdeſſen laͤuft der Bach
Unſers Lebens, uns zu fuͤhren,
Ehe wir es inne werden,
Auf ſein leztes Ende hin,
Dann koͤmmt ohne Geiſt und Sinn
Dieſes alles in die Erden.
Hola, Junge geh und frage,
Wo der beßte Trunk mag ſeyn,
Nimm den Krug, und fuͤlle Wein.
Alles Trauren, Leid und Klage
Wie wir Menſchen taͤglich haben,
Eh' der Strom uns fortgerafft,
Will ich in den ſuͤßen Saft
Den die Traube gibt, vergraben.
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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/66>, abgerufen am 21.11.2024.
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