Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.Da ihm das Blut von Wangen abrann, Es war bis an den dritten Tag, Daß er da unbegraben lag, Man ließ ihn niemand schauen, Und da man ihn zu Grabe trug, Da weinten Mann und Frauen. Da sprach ein Ketzer unter ihnen: "Nun hebt ihn auf und tragt ihn hin, "Den König aus deutschen Landen, "Sollt er uns hie vertrieben han, "Das wär uns eine große Schande." Und da sprach er: "Sieh Giersig, "Der König in Böhmen bin ich, "König Lasla ist gestorben, "Um seines falschen Glaubens willen, "Darum ist er verdorben." Da sprach er, der Rockenzahn: "Eine neue Sitte nehm ich an, "Oestreich will ich zerstören; "Denn ihren Glauben weiß ich wohl, "Ihr Herzog will ich werden." Der Girsig der ist hochgeborn, Recht als ein Sau ist er beschoren, Wer ist der ihm wohl gleiche, Mit Rauben, mit Stehlen, mit Bannerey, Damit er worden reiche. Da ihm das Blut von Wangen abrann, Es war bis an den dritten Tag, Daß er da unbegraben lag, Man ließ ihn niemand ſchauen, Und da man ihn zu Grabe trug, Da weinten Mann und Frauen. Da ſprach ein Ketzer unter ihnen: „Nun hebt ihn auf und tragt ihn hin, „Den Koͤnig aus deutſchen Landen, „Sollt er uns hie vertrieben han, „Das waͤr uns eine große Schande.“ Und da ſprach er: „Sieh Gierſig, „Der Koͤnig in Boͤhmen bin ich, „Koͤnig Lasla iſt geſtorben, „Um ſeines falſchen Glaubens willen, „Darum iſt er verdorben.“ Da ſprach er, der Rockenzahn: „Eine neue Sitte nehm ich an, „Oeſtreich will ich zerſtoͤren; „Denn ihren Glauben weiß ich wohl, „Ihr Herzog will ich werden.“ Der Girſig der iſt hochgeborn, Recht als ein Sau iſt er beſchoren, Wer iſt der ihm wohl gleiche, Mit Rauben, mit Stehlen, mit Bannerey, Damit er worden reiche. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="18"> <pb facs="#f0135" n="123"/> <l>Da ihm das Blut von Wangen abrann,</l><lb/> <l>Dran hatten ſie keinen Glauben.</l> </lg><lb/> <lg n="19"> <l>Es war bis an den dritten Tag,</l><lb/> <l>Daß er da unbegraben lag,</l><lb/> <l>Man ließ ihn niemand ſchauen,</l><lb/> <l>Und da man ihn zu Grabe trug,</l><lb/> <l>Da weinten Mann und Frauen.</l> </lg><lb/> <lg n="20"> <l>Da ſprach ein Ketzer unter ihnen:</l><lb/> <l>„Nun hebt ihn auf und tragt ihn hin,</l><lb/> <l>„Den Koͤnig aus deutſchen Landen,</l><lb/> <l>„Sollt er uns hie vertrieben han,</l><lb/> <l>„Das waͤr uns eine große Schande.“</l> </lg><lb/> <lg n="21"> <l>Und da ſprach er: „Sieh Gierſig,</l><lb/> <l>„Der Koͤnig in Boͤhmen bin ich,</l><lb/> <l>„Koͤnig Lasla iſt geſtorben,</l><lb/> <l>„Um ſeines falſchen Glaubens willen,</l><lb/> <l>„Darum iſt er verdorben.“</l> </lg><lb/> <lg n="22"> <l>Da ſprach er, der Rockenzahn:</l><lb/> <l>„Eine neue Sitte nehm ich an,</l><lb/> <l>„Oeſtreich will ich zerſtoͤren;</l><lb/> <l>„Denn ihren Glauben weiß ich wohl,</l><lb/> <l>„Ihr Herzog will ich werden.“</l> </lg><lb/> <lg n="23"> <l>Der Girſig der iſt hochgeborn,</l><lb/> <l>Recht als ein Sau iſt er beſchoren,</l><lb/> <l>Wer iſt der ihm wohl gleiche,</l><lb/> <l>Mit Rauben, mit Stehlen, mit Bannerey,</l><lb/> <l>Damit er worden reiche.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [123/0135]
Da ihm das Blut von Wangen abrann,
Dran hatten ſie keinen Glauben.
Es war bis an den dritten Tag,
Daß er da unbegraben lag,
Man ließ ihn niemand ſchauen,
Und da man ihn zu Grabe trug,
Da weinten Mann und Frauen.
Da ſprach ein Ketzer unter ihnen:
„Nun hebt ihn auf und tragt ihn hin,
„Den Koͤnig aus deutſchen Landen,
„Sollt er uns hie vertrieben han,
„Das waͤr uns eine große Schande.“
Und da ſprach er: „Sieh Gierſig,
„Der Koͤnig in Boͤhmen bin ich,
„Koͤnig Lasla iſt geſtorben,
„Um ſeines falſchen Glaubens willen,
„Darum iſt er verdorben.“
Da ſprach er, der Rockenzahn:
„Eine neue Sitte nehm ich an,
„Oeſtreich will ich zerſtoͤren;
„Denn ihren Glauben weiß ich wohl,
„Ihr Herzog will ich werden.“
Der Girſig der iſt hochgeborn,
Recht als ein Sau iſt er beſchoren,
Wer iſt der ihm wohl gleiche,
Mit Rauben, mit Stehlen, mit Bannerey,
Damit er worden reiche.
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