Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.Geht es mit einem Kindelein klein, So soll es auch nicht mehr mein Schwesterlein seyn. Er schickte sogleich Roß und Wagen, Und ließ sein adelichs Schwesterlein hertragen. Sie versprach der Kindsmagd ein Paar neue Schuh, Soll ihrem Kindlein die Sach recht thun. Versprach dem Kutscher ein Paar silberne Sporen, Er soll auch tapfer in Hof nein fahren. Und da sie in den Hof nein kamen, Da sagt der Bruder ihr gleich willkommen: "Liebes adeliches Schwesterlein mein, "Wo hast du dein Kindelein klein?" Ich hab fürwahr kein Kindelein klein, Die Leute gehn mit Lügen auf mich ein. Er nahm sie bey ihrer schneeweisesten Hand, Und führt sie auf Ulm zu dem Tanz. "Ihr Musikanten macht mir auf einen langen Tanz, Mein Schwester ist hier im Nägelkranz. Der Tanz der währte dritthalbe Stund, Bis ihr die Milch aus den Brüsten raussprung. Der Bruder nahm sie bey der schneeweisesten Hand Und führt sie in sein Schlafzimmer alsbald. Und sprang mit Stiefel und Sporen auf sie, Daß sie vor grossem Schmerze laut schrie. 2. Band. 18.
Geht es mit einem Kindelein klein, So ſoll es auch nicht mehr mein Schweſterlein ſeyn. Er ſchickte ſogleich Roß und Wagen, Und ließ ſein adelichs Schweſterlein hertragen. Sie verſprach der Kindsmagd ein Paar neue Schuh, Soll ihrem Kindlein die Sach recht thun. Verſprach dem Kutſcher ein Paar ſilberne Sporen, Er ſoll auch tapfer in Hof nein fahren. Und da ſie in den Hof nein kamen, Da ſagt der Bruder ihr gleich willkommen: „Liebes adeliches Schweſterlein mein, „Wo haſt du dein Kindelein klein?“ Ich hab fuͤrwahr kein Kindelein klein, Die Leute gehn mit Luͤgen auf mich ein. Er nahm ſie bey ihrer ſchneeweiſeſten Hand, Und fuͤhrt ſie auf Ulm zu dem Tanz. „Ihr Muſikanten macht mir auf einen langen Tanz, Mein Schweſter iſt hier im Naͤgelkranz. Der Tanz der waͤhrte dritthalbe Stund, Bis ihr die Milch aus den Bruͤſten rausſprung. Der Bruder nahm ſie bey der ſchneeweiſeſten Hand Und fuͤhrt ſie in ſein Schlafzimmer alsbald. Und ſprang mit Stiefel und Sporen auf ſie, Daß ſie vor groſſem Schmerze laut ſchrie. 2. Band. 18.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0285" n="273"/> <lg n="5"> <l>Geht es mit einem Kindelein klein,</l><lb/> <l>So ſoll es auch nicht mehr mein Schweſterlein ſeyn.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Er ſchickte ſogleich Roß und Wagen,</l><lb/> <l>Und ließ ſein adelichs Schweſterlein hertragen.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Sie verſprach der Kindsmagd ein Paar neue Schuh,</l><lb/> <l>Soll ihrem Kindlein die Sach recht thun.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Verſprach dem Kutſcher ein Paar ſilberne Sporen,</l><lb/> <l>Er ſoll auch tapfer in Hof nein fahren.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Und da ſie in den Hof nein kamen,</l><lb/> <l>Da ſagt der Bruder ihr gleich willkommen:</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>„Liebes adeliches Schweſterlein mein,</l><lb/> <l>„Wo haſt du dein Kindelein klein?“</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Ich hab fuͤrwahr kein Kindelein klein,</l><lb/> <l>Die Leute gehn mit Luͤgen auf mich ein.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Er nahm ſie bey ihrer ſchneeweiſeſten Hand,</l><lb/> <l>Und fuͤhrt ſie auf Ulm zu dem Tanz.</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>„Ihr Muſikanten macht mir auf einen langen Tanz,</l><lb/> <l>Mein Schweſter iſt hier im Naͤgelkranz.</l> </lg><lb/> <lg n="14"> <l>Der Tanz der waͤhrte dritthalbe Stund,</l><lb/> <l>Bis ihr die Milch aus den Bruͤſten rausſprung.</l> </lg><lb/> <lg n="15"> <l>Der Bruder nahm ſie bey der ſchneeweiſeſten Hand</l><lb/> <l>Und fuͤhrt ſie in ſein Schlafzimmer alsbald.</l> </lg><lb/> <lg n="16"> <l>Und ſprang mit Stiefel und Sporen auf ſie,</l><lb/> <l>Daß ſie vor groſſem Schmerze laut ſchrie.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">2. Band. 18.</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [273/0285]
Geht es mit einem Kindelein klein,
So ſoll es auch nicht mehr mein Schweſterlein ſeyn.
Er ſchickte ſogleich Roß und Wagen,
Und ließ ſein adelichs Schweſterlein hertragen.
Sie verſprach der Kindsmagd ein Paar neue Schuh,
Soll ihrem Kindlein die Sach recht thun.
Verſprach dem Kutſcher ein Paar ſilberne Sporen,
Er ſoll auch tapfer in Hof nein fahren.
Und da ſie in den Hof nein kamen,
Da ſagt der Bruder ihr gleich willkommen:
„Liebes adeliches Schweſterlein mein,
„Wo haſt du dein Kindelein klein?“
Ich hab fuͤrwahr kein Kindelein klein,
Die Leute gehn mit Luͤgen auf mich ein.
Er nahm ſie bey ihrer ſchneeweiſeſten Hand,
Und fuͤhrt ſie auf Ulm zu dem Tanz.
„Ihr Muſikanten macht mir auf einen langen Tanz,
Mein Schweſter iſt hier im Naͤgelkranz.
Der Tanz der waͤhrte dritthalbe Stund,
Bis ihr die Milch aus den Bruͤſten rausſprung.
Der Bruder nahm ſie bey der ſchneeweiſeſten Hand
Und fuͤhrt ſie in ſein Schlafzimmer alsbald.
Und ſprang mit Stiefel und Sporen auf ſie,
Daß ſie vor groſſem Schmerze laut ſchrie.
2. Band. 18.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |