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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.

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Dasselbe war ihm gar sehr lieb,
Nahm ihn beym Kopf und bey den Haaren,
Und sagt: Dich will ich wohl bewahren!
Und setzt ihn von dem Hohlaltar,
Daß sein ein andrer würd gewahr.
Der Schreiber kam da hergeschlichen,
Wollt seine Sachen auch ausrichten.
Als der erblickt den todten Dieb,
So wars ihm ganz und gar nicht lieb,
Fing auch gar sehr zu rufen an,
Konnt gar nicht laufen mehr der Mann,
Wär auch gestorben zu der Zeit,
Doch Thedel half ihm aus dem Leid.
Herr Thedel Morgens früh aufstund
Und thäts dem Graf von Schladen kund,
Als er die Morgensuppe aß
Und seinen Aerger ganz vergaß.
Darauf der Graf gar selbst hinging,
Um anzusehn das seltsam Ding.
Hat auch dem Schloßvogt anbefohlen,
Den Henker gleich zur Stell zu holen:
"Er hat sein Geld gekriegt dafür,
"Und muß nun thun auch seln Gebühr
Alsdann zum Unverfehrden spricht:
"Die Nacht hast du geschlafen nicht,
"Ich hätt nicht bleiben können die Nacht,
"Ich hätte mich gleich fort gemacht."
Der Unverferd also darnach:
"Ich war sehr müd und blieb nicht wach,
"Gott lebt, ich fürcht den Teufel nicht.
"Der Dieb war todt und gar nicht spricht,

Daſſelbe war ihm gar ſehr lieb,
Nahm ihn beym Kopf und bey den Haaren,
Und ſagt: Dich will ich wohl bewahren!
Und ſetzt ihn von dem Hohlaltar,
Daß ſein ein andrer wuͤrd gewahr.
Der Schreiber kam da hergeſchlichen,
Wollt ſeine Sachen auch ausrichten.
Als der erblickt den todten Dieb,
So wars ihm ganz und gar nicht lieb,
Fing auch gar ſehr zu rufen an,
Konnt gar nicht laufen mehr der Mann,
Waͤr auch geſtorben zu der Zeit,
Doch Thedel half ihm aus dem Leid.
Herr Thedel Morgens fruͤh aufſtund
Und thaͤts dem Graf von Schladen kund,
Als er die Morgenſuppe aß
Und ſeinen Aerger ganz vergaß.
Darauf der Graf gar ſelbſt hinging,
Um anzuſehn das ſeltſam Ding.
Hat auch dem Schloßvogt anbefohlen,
Den Henker gleich zur Stell zu holen:
„Er hat ſein Geld gekriegt dafuͤr,
„Und muß nun thun auch ſeln Gebuͤhr
Alsdann zum Unverfehrden ſpricht:
„Die Nacht haſt du geſchlafen nicht,
„Ich haͤtt nicht bleiben koͤnnen die Nacht,
„Ich haͤtte mich gleich fort gemacht.“
Der Unverferd alſo darnach:
„Ich war ſehr muͤd und blieb nicht wach,
„Gott lebt, ich fuͤrcht den Teufel nicht.
„Der Dieb war todt und gar nicht ſpricht,

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[312/0324] Daſſelbe war ihm gar ſehr lieb, Nahm ihn beym Kopf und bey den Haaren, Und ſagt: Dich will ich wohl bewahren! Und ſetzt ihn von dem Hohlaltar, Daß ſein ein andrer wuͤrd gewahr. Der Schreiber kam da hergeſchlichen, Wollt ſeine Sachen auch ausrichten. Als der erblickt den todten Dieb, So wars ihm ganz und gar nicht lieb, Fing auch gar ſehr zu rufen an, Konnt gar nicht laufen mehr der Mann, Waͤr auch geſtorben zu der Zeit, Doch Thedel half ihm aus dem Leid. Herr Thedel Morgens fruͤh aufſtund Und thaͤts dem Graf von Schladen kund, Als er die Morgenſuppe aß Und ſeinen Aerger ganz vergaß. Darauf der Graf gar ſelbſt hinging, Um anzuſehn das ſeltſam Ding. Hat auch dem Schloßvogt anbefohlen, Den Henker gleich zur Stell zu holen: „Er hat ſein Geld gekriegt dafuͤr, „Und muß nun thun auch ſeln Gebuͤhr Alsdann zum Unverfehrden ſpricht: „Die Nacht haſt du geſchlafen nicht, „Ich haͤtt nicht bleiben koͤnnen die Nacht, „Ich haͤtte mich gleich fort gemacht.“ Der Unverferd alſo darnach: „Ich war ſehr muͤd und blieb nicht wach, „Gott lebt, ich fuͤrcht den Teufel nicht. „Der Dieb war todt und gar nicht ſpricht,

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/324>, abgerufen am 21.11.2024.