Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

"O! Mutter lebet ewig wohl,
"Euch seh ich nimmermehr!"
Die Mutter weint entsetzlich:
"Das laß ich nicht geschehen,
"Du darfst mir nicht so plözlich
"Aus deiner Heimath gehn."

O! Mutter, nein, ich muß von hier,
Ist das nicht jämmerlich!
"Mein Kind, ich weiß dir Rath dafür,
"Verbergen will ich dich.
"In meinem Taubenschlage,
"Verberg ich dich mein Kind,
"Bis deine Wandertage
"Gesund vorüber sind."
Mein guter Schneider merkt sich dies,
Und thut als ging er fort,
Nahm kläglich Abschied und verließ
Sich auf der Mutter Wort,
Doch Abends nach der Glocke,
Stellt er sich wieder ein,
Und ritt auf einem Bocke
Zum Taubenschlag hinein.
Da ging er, welch ein Wanderschaft,
Im Schlage auf und ab,
Und wartete bis ihm zur Kraft
Die Mutter Nudeln gab,
Beim Tag war er auf Reisen,
Und auch in mancher Nacht,

„O! Mutter lebet ewig wohl,
„Euch ſeh ich nimmermehr!“
Die Mutter weint entſetzlich:
„Das laß ich nicht geſchehen,
„Du darfſt mir nicht ſo ploͤzlich
„Aus deiner Heimath gehn.“

O! Mutter, nein, ich muß von hier,
Iſt das nicht jaͤmmerlich!
„Mein Kind, ich weiß dir Rath dafuͤr,
„Verbergen will ich dich.
„In meinem Taubenſchlage,
„Verberg ich dich mein Kind,
„Bis deine Wandertage
„Geſund voruͤber ſind.“
Mein guter Schneider merkt ſich dies,
Und thut als ging er fort,
Nahm klaͤglich Abſchied und verließ
Sich auf der Mutter Wort,
Doch Abends nach der Glocke,
Stellt er ſich wieder ein,
Und ritt auf einem Bocke
Zum Taubenſchlag hinein.
Da ging er, welch ein Wanderſchaft,
Im Schlage auf und ab,
Und wartete bis ihm zur Kraft
Die Mutter Nudeln gab,
Beim Tag war er auf Reiſen,
Und auch in mancher Nacht,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <pb facs="#f0394" n="382"/>
              <l>&#x201E;O! Mutter lebet ewig wohl,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Euch &#x017F;eh ich nimmermehr!&#x201C;</l><lb/>
              <l>Die Mutter weint ent&#x017F;etzlich:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Das laß ich nicht ge&#x017F;chehen,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Du darf&#x017F;t mir nicht &#x017F;o plo&#x0364;zlich</l><lb/>
              <l>&#x201E;Aus deiner Heimath gehn.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>O! Mutter, nein, ich muß von hier,</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t das nicht ja&#x0364;mmerlich!</l><lb/>
              <l>&#x201E;Mein Kind, ich weiß dir Rath dafu&#x0364;r,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Verbergen will ich dich.</l><lb/>
              <l>&#x201E;In meinem Tauben&#x017F;chlage,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Verberg ich dich mein Kind,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Bis deine Wandertage</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ge&#x017F;und voru&#x0364;ber &#x017F;ind.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Mein guter Schneider merkt &#x017F;ich dies,</l><lb/>
              <l>Und thut als ging er fort,</l><lb/>
              <l>Nahm kla&#x0364;glich Ab&#x017F;chied und verließ</l><lb/>
              <l>Sich auf der Mutter Wort,</l><lb/>
              <l>Doch Abends nach der Glocke,</l><lb/>
              <l>Stellt er &#x017F;ich wieder ein,</l><lb/>
              <l>Und ritt auf einem Bocke</l><lb/>
              <l>Zum Tauben&#x017F;chlag hinein.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Da ging er, welch ein Wander&#x017F;chaft,</l><lb/>
              <l>Im Schlage auf und ab,</l><lb/>
              <l>Und wartete bis ihm zur Kraft</l><lb/>
              <l>Die Mutter Nudeln gab,</l><lb/>
              <l>Beim Tag war er auf Rei&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Und auch in mancher Nacht,</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0394] „O! Mutter lebet ewig wohl, „Euch ſeh ich nimmermehr!“ Die Mutter weint entſetzlich: „Das laß ich nicht geſchehen, „Du darfſt mir nicht ſo ploͤzlich „Aus deiner Heimath gehn.“ O! Mutter, nein, ich muß von hier, Iſt das nicht jaͤmmerlich! „Mein Kind, ich weiß dir Rath dafuͤr, „Verbergen will ich dich. „In meinem Taubenſchlage, „Verberg ich dich mein Kind, „Bis deine Wandertage „Geſund voruͤber ſind.“ Mein guter Schneider merkt ſich dies, Und thut als ging er fort, Nahm klaͤglich Abſchied und verließ Sich auf der Mutter Wort, Doch Abends nach der Glocke, Stellt er ſich wieder ein, Und ritt auf einem Bocke Zum Taubenſchlag hinein. Da ging er, welch ein Wanderſchaft, Im Schlage auf und ab, Und wartete bis ihm zur Kraft Die Mutter Nudeln gab, Beim Tag war er auf Reiſen, Und auch in mancher Nacht,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/394
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/394>, abgerufen am 23.11.2024.