So schnöd hinweggekehrt, Und sich in dieser Stadt Gewiß verloren hat.
Nachtwächter. Wenn ihr ein Schäfer seyd, so ge- hört ihr zu eurer Heerd, wie bald ists geschehen, daß ein Wolf kommt und zer- trennt die ganze Heerd.
Schäfer. Wenn schon die ganze Heerd Von ihm zertrennet wär, So wär es nicht so viel, Als wenn ich ohne Ziel Sollt ohne Schäfrin seyn, Und nunmehr ganz allein.
Nachtwächter. Ihr werdet schon eine andre finden, Was braucht ihr der so nachzulaufen? Ist sie so gewaltig schön?
Schäfer. Sie ist vortreflich schön Wie eine Götterin, Ihr Auge ist wie Feur, Das macht sie mir so theur, Die liebliche Gestalt Ist wie man Venus mahlt.
Nachtwächter. Von Venus mag ich gar nichts wis- sen, Korporal heraus und Bursche ins Gewehr und führt den Kerl ans Licht.
Schäfer. Gewalt geht stets vor Recht, Mein Treu bezahlt man schlecht,
So ſchnoͤd hinweggekehrt, Und ſich in dieſer Stadt Gewiß verloren hat.
Nachtwaͤchter. Wenn ihr ein Schaͤfer ſeyd, ſo ge- hoͤrt ihr zu eurer Heerd, wie bald iſts geſchehen, daß ein Wolf kommt und zer- trennt die ganze Heerd.
Schaͤfer. Wenn ſchon die ganze Heerd Von ihm zertrennet waͤr, So waͤr es nicht ſo viel, Als wenn ich ohne Ziel Sollt ohne Schaͤfrin ſeyn, Und nunmehr ganz allein.
Nachtwaͤchter. Ihr werdet ſchon eine andre finden, Was braucht ihr der ſo nachzulaufen? Iſt ſie ſo gewaltig ſchoͤn?
Schaͤfer. Sie iſt vortreflich ſchoͤn Wie eine Goͤtterin, Ihr Auge iſt wie Feur, Das macht ſie mir ſo theur, Die liebliche Geſtalt Iſt wie man Venus mahlt.
Nachtwaͤchter. Von Venus mag ich gar nichts wiſ- ſen, Korporal heraus und Burſche ins Gewehr und fuͤhrt den Kerl ans Licht.
Schaͤfer. Gewalt geht ſtets vor Recht, Mein Treu bezahlt man ſchlecht,
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So ſchnoͤd hinweggekehrt,
Und ſich in dieſer Stadt
Gewiß verloren hat.
Nachtwaͤchter. Wenn ihr ein Schaͤfer ſeyd, ſo ge-
hoͤrt ihr zu eurer Heerd, wie bald iſts
geſchehen, daß ein Wolf kommt und zer-
trennt die ganze Heerd.
Schaͤfer. Wenn ſchon die ganze Heerd
Von ihm zertrennet waͤr,
So waͤr es nicht ſo viel,
Als wenn ich ohne Ziel
Sollt ohne Schaͤfrin ſeyn,
Und nunmehr ganz allein.
Nachtwaͤchter. Ihr werdet ſchon eine andre finden,
Was braucht ihr der ſo nachzulaufen?
Iſt ſie ſo gewaltig ſchoͤn?
Schaͤfer. Sie iſt vortreflich ſchoͤn
Wie eine Goͤtterin,
Ihr Auge iſt wie Feur,
Das macht ſie mir ſo theur,
Die liebliche Geſtalt
Iſt wie man Venus mahlt.
Nachtwaͤchter. Von Venus mag ich gar nichts wiſ-
ſen, Korporal heraus und Burſche
ins Gewehr und fuͤhrt den Kerl ans Licht.
Schaͤfer. Gewalt geht ſtets vor Recht,
Mein Treu bezahlt man ſchlecht,
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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/71>, abgerufen am 16.02.2025.
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