Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124.

Bild:
<< vorherige Seite

ter, als ich aber Francoeur mit verbundenem
Kopfe auf dem letzten Wagen liegen gese¬
hen, da weiß ich nicht wie mir geschah; die
Mutter war vergessen, ich nahm Suppe und
Löffel, und, ohne unsre Wohnung abzuschlie¬
ßen, eilte ich dem Wagen nach in die Plei¬
ßenburg. Ich fand ihn; er war schon ab¬
gestiegen, dreist redete ich die Aufseher an,
und wußte dem Verwundeten gleich das
beste Strohlager zu erflehen. Und als er
darauf gelegt, welche Seligkeit, dem Noth¬
leidenden die warme Suppe zu reichen! Er
wurde munter in den Augen und schwor
mir, daß ich einen Heiligenschein um mei¬
nen Kopf trage. Ich antwortete ihm, das
sei meine Haube, die sich im eiligen Bemü¬
hen um ihn aufgeschlagen. Er sagte: der
Heiligenschein komme aus meinen Augen!
Ach, das Wort konnte ich gar nicht verges¬
sen, und hätte er mein Herz nicht schon ge¬
habt, ich hätte es ihm dafür schenken müs¬
sen. Ein wahres, ein schönes Wort! sagte
der Kommandant, und Rosalie fuhr fort:
Das war die schönste Stunde meines Le¬

ter, als ich aber Francoeur mit verbundenem
Kopfe auf dem letzten Wagen liegen geſe¬
hen, da weiß ich nicht wie mir geſchah; die
Mutter war vergeſſen, ich nahm Suppe und
Löffel, und, ohne unſre Wohnung abzuſchlie¬
ßen, eilte ich dem Wagen nach in die Plei¬
ßenburg. Ich fand ihn; er war ſchon ab¬
geſtiegen, dreiſt redete ich die Aufſeher an,
und wußte dem Verwundeten gleich das
beſte Strohlager zu erflehen. Und als er
darauf gelegt, welche Seligkeit, dem Noth¬
leidenden die warme Suppe zu reichen! Er
wurde munter in den Augen und ſchwor
mir, daß ich einen Heiligenſchein um mei¬
nen Kopf trage. Ich antwortete ihm, das
ſei meine Haube, die ſich im eiligen Bemü¬
hen um ihn aufgeſchlagen. Er ſagte: der
Heiligenſchein komme aus meinen Augen!
Ach, das Wort konnte ich gar nicht vergeſ¬
ſen, und hätte er mein Herz nicht ſchon ge¬
habt, ich hätte es ihm dafür ſchenken müſ¬
ſen. Ein wahres, ein ſchönes Wort! ſagte
der Kommandant, und Roſalie fuhr fort:
Das war die ſchönſte Stunde meines Le¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0014" n="82"/>
ter, als ich aber Francoeur mit verbundenem<lb/>
Kopfe auf dem letzten Wagen liegen ge&#x017F;<lb/>
hen, da weiß ich nicht wie mir ge&#x017F;chah; die<lb/>
Mutter war verge&#x017F;&#x017F;en, ich nahm Suppe und<lb/>
Löffel, und, ohne un&#x017F;re Wohnung abzu&#x017F;chlie¬<lb/>
ßen, eilte ich dem Wagen nach in die Plei¬<lb/>
ßenburg. Ich fand ihn; er war &#x017F;chon ab¬<lb/>
ge&#x017F;tiegen, drei&#x017F;t redete ich die Auf&#x017F;eher an,<lb/>
und wußte dem Verwundeten gleich das<lb/>
be&#x017F;te Strohlager zu erflehen. Und als er<lb/>
darauf gelegt, welche Seligkeit, dem Noth¬<lb/>
leidenden die warme Suppe zu reichen! Er<lb/>
wurde munter in den Augen und &#x017F;chwor<lb/>
mir, daß ich einen Heiligen&#x017F;chein um mei¬<lb/>
nen Kopf trage. Ich antwortete ihm, <choice><sic>daß</sic><corr>das</corr></choice><lb/>
&#x017F;ei meine Haube, die &#x017F;ich im eiligen Bemü¬<lb/>
hen um ihn aufge&#x017F;chlagen. Er &#x017F;agte: der<lb/>
Heiligen&#x017F;chein komme aus meinen Augen!<lb/>
Ach, das Wort konnte ich gar nicht verge&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en, und hätte er mein Herz nicht &#x017F;chon ge¬<lb/>
habt, ich hätte es ihm dafür &#x017F;chenken mü&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en. Ein wahres, ein &#x017F;chönes Wort! &#x017F;agte<lb/>
der Kommandant, und Ro&#x017F;alie fuhr fort:<lb/>
Das war die &#x017F;chön&#x017F;te Stunde meines Le¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0014] ter, als ich aber Francoeur mit verbundenem Kopfe auf dem letzten Wagen liegen geſe¬ hen, da weiß ich nicht wie mir geſchah; die Mutter war vergeſſen, ich nahm Suppe und Löffel, und, ohne unſre Wohnung abzuſchlie¬ ßen, eilte ich dem Wagen nach in die Plei¬ ßenburg. Ich fand ihn; er war ſchon ab¬ geſtiegen, dreiſt redete ich die Aufſeher an, und wußte dem Verwundeten gleich das beſte Strohlager zu erflehen. Und als er darauf gelegt, welche Seligkeit, dem Noth¬ leidenden die warme Suppe zu reichen! Er wurde munter in den Augen und ſchwor mir, daß ich einen Heiligenſchein um mei¬ nen Kopf trage. Ich antwortete ihm, das ſei meine Haube, die ſich im eiligen Bemü¬ hen um ihn aufgeſchlagen. Er ſagte: der Heiligenſchein komme aus meinen Augen! Ach, das Wort konnte ich gar nicht vergeſ¬ ſen, und hätte er mein Herz nicht ſchon ge¬ habt, ich hätte es ihm dafür ſchenken müſ¬ ſen. Ein wahres, ein ſchönes Wort! ſagte der Kommandant, und Roſalie fuhr fort: Das war die ſchönſte Stunde meines Le¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Achim von Arnims Erzählung „Der tolle Invalide au… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnima_invalide_1818
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnima_invalide_1818/14
Zitationshilfe: Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124, hier S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnima_invalide_1818/14>, abgerufen am 29.03.2024.