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Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124.

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daß er dadurch einen so heftigen Zorn und
Widerwillen gegen Geistliche, Kirchen und
heilige Bilder empfinde, daß er ihnen flu¬
chen müsse und wisse nicht warum, und um
sich diesen Gedanken zu entschlagen, überlasse
er sich jedem Einfall, er tanze und trinke
und so in dem Umtriebe des Bluts werde
ihm besser. Ich schob alles auf die Gefan¬
genschaft, obgleich ich wohl ahnete, daß
es der Teufel sei, der ihn plage. Er wurde
ausgewechselt durch die Vorsorge seines
Obersten, der ihn beim Regimente wohl ver¬
mißt hatte, denn Francoeur ist ein außeror¬
dentlicher Soldat. Mit leichtem Herzen zo¬
gen wir aus Leipzig und bildeten eine schöne
Zukunft in unsern Gesprächen aus. Kaum
waren wir aber aus der Noth, ums tägli¬
che Bedürfniß, zum Wohlleben der gut ver¬
sorgten Armee in die Winterquartiere ge¬
kommen, so stieg die Heftigkeit meines Man¬
nes mit jedem Tage, er trommelte Tage¬
lang, um sich zu zerstreuen, zankte, machte
Händel, der Oberst konnte ihn nicht begrei¬
fen; nur mit mir war er sanft wie ein Kind.

daß er dadurch einen ſo heftigen Zorn und
Widerwillen gegen Geiſtliche, Kirchen und
heilige Bilder empfinde, daß er ihnen flu¬
chen müſſe und wiſſe nicht warum, und um
ſich dieſen Gedanken zu entſchlagen, überlaſſe
er ſich jedem Einfall, er tanze und trinke
und ſo in dem Umtriebe des Bluts werde
ihm beſſer. Ich ſchob alles auf die Gefan¬
genſchaft, obgleich ich wohl ahnete, daß
es der Teufel ſei, der ihn plage. Er wurde
ausgewechſelt durch die Vorſorge ſeines
Oberſten, der ihn beim Regimente wohl ver¬
mißt hatte, denn Francoeur iſt ein außeror¬
dentlicher Soldat. Mit leichtem Herzen zo¬
gen wir aus Leipzig und bildeten eine ſchöne
Zukunft in unſern Geſprächen aus. Kaum
waren wir aber aus der Noth, ums tägli¬
che Bedürfniß, zum Wohlleben der gut ver¬
ſorgten Armee in die Winterquartiere ge¬
kommen, ſo ſtieg die Heftigkeit meines Man¬
nes mit jedem Tage, er trommelte Tage¬
lang, um ſich zu zerſtreuen, zankte, machte
Händel, der Oberſt konnte ihn nicht begrei¬
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[87/0019] daß er dadurch einen ſo heftigen Zorn und Widerwillen gegen Geiſtliche, Kirchen und heilige Bilder empfinde, daß er ihnen flu¬ chen müſſe und wiſſe nicht warum, und um ſich dieſen Gedanken zu entſchlagen, überlaſſe er ſich jedem Einfall, er tanze und trinke und ſo in dem Umtriebe des Bluts werde ihm beſſer. Ich ſchob alles auf die Gefan¬ genſchaft, obgleich ich wohl ahnete, daß es der Teufel ſei, der ihn plage. Er wurde ausgewechſelt durch die Vorſorge ſeines Oberſten, der ihn beim Regimente wohl ver¬ mißt hatte, denn Francoeur iſt ein außeror¬ dentlicher Soldat. Mit leichtem Herzen zo¬ gen wir aus Leipzig und bildeten eine ſchöne Zukunft in unſern Geſprächen aus. Kaum waren wir aber aus der Noth, ums tägli¬ che Bedürfniß, zum Wohlleben der gut ver¬ ſorgten Armee in die Winterquartiere ge¬ kommen, ſo ſtieg die Heftigkeit meines Man¬ nes mit jedem Tage, er trommelte Tage¬ lang, um ſich zu zerſtreuen, zankte, machte Händel, der Oberſt konnte ihn nicht begrei¬ fen; nur mit mir war er ſanft wie ein Kind.

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124, hier S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnima_invalide_1818/19>, abgerufen am 21.11.2024.