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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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zaghafte Natur hinter so grausenhafte pralerische Ideen
verschanzen willst; -- ich sah sie an, sie war beschämt
und senkte den Kopf, und sah auf die Seite und war
blaß; wir waren beide still, lange Zeit. Günderode,
sagte ich, wenn es ernst ist, dann gieb mir ein Zeichen;
-- sie nickte. -- Sie reiste in's Rheingau; von dort
aus schrieb sie mir ein paarmal, wenig Zeilen; -- ich
hab' sie verloren sonst würde ich sie hier einschalten.
Einmal schrieb sie: ist man allein am Rhein, so wird
man ganz traurig, aber mit mehreren zusammen, da
sind grade die schauerlichsten Plätze am Lust aufreizend-
sten, mir aber ist doch lieb, den weiten gedehnten Pur-
purhimmel am Abend allein zu begrüßen, da dichte ich
im Wandlen an einem Mährchen, das will ich Dir vor-
lesen; ich bin jeden Abend begierig wie es weiter geht,
es wird manchmal recht schaurig und dann taucht es
wieder auf. Da sie wieder zurückkam und ich das
Mährchen lesen wollte, sagte sie: es ist so traurig ge-
worden, daß ich's nicht lesen kann; ich darf nichts mehr
davon hören, ich kann es nicht mehr weiter schreiben:
ich werde krank davon; und sie legte sich zu Bett; und
blieb liegen mehrere Tage, der Dolch lag an ihrem Bett;
ich achtete nicht darauf, die Nachtlampe stand dabei, ich
kam herein; Bettine, mir ist vor drei Wochen eine Schwe-

zaghafte Natur hinter ſo grauſenhafte praleriſche Ideen
verſchanzen willſt; — ich ſah ſie an, ſie war beſchämt
und ſenkte den Kopf, und ſah auf die Seite und war
blaß; wir waren beide ſtill, lange Zeit. Günderode,
ſagte ich, wenn es ernſt iſt, dann gieb mir ein Zeichen;
— ſie nickte. — Sie reiſte in's Rheingau; von dort
aus ſchrieb ſie mir ein paarmal, wenig Zeilen; — ich
hab' ſie verloren ſonſt würde ich ſie hier einſchalten.
Einmal ſchrieb ſie: iſt man allein am Rhein, ſo wird
man ganz traurig, aber mit mehreren zuſammen, da
ſind grade die ſchauerlichſten Plätze am Luſt aufreizend-
ſten, mir aber iſt doch lieb, den weiten gedehnten Pur-
purhimmel am Abend allein zu begrüßen, da dichte ich
im Wandlen an einem Mährchen, das will ich Dir vor-
leſen; ich bin jeden Abend begierig wie es weiter geht,
es wird manchmal recht ſchaurig und dann taucht es
wieder auf. Da ſie wieder zurückkam und ich das
Mährchen leſen wollte, ſagte ſie: es iſt ſo traurig ge-
worden, daß ich's nicht leſen kann; ich darf nichts mehr
davon hören, ich kann es nicht mehr weiter ſchreiben:
ich werde krank davon; und ſie legte ſich zu Bett; und
blieb liegen mehrere Tage, der Dolch lag an ihrem Bett;
ich achtete nicht darauf, die Nachtlampe ſtand dabei, ich
kam herein; Bettine, mir iſt vor drei Wochen eine Schwe-

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[95/0127] zaghafte Natur hinter ſo grauſenhafte praleriſche Ideen verſchanzen willſt; — ich ſah ſie an, ſie war beſchämt und ſenkte den Kopf, und ſah auf die Seite und war blaß; wir waren beide ſtill, lange Zeit. Günderode, ſagte ich, wenn es ernſt iſt, dann gieb mir ein Zeichen; — ſie nickte. — Sie reiſte in's Rheingau; von dort aus ſchrieb ſie mir ein paarmal, wenig Zeilen; — ich hab' ſie verloren ſonſt würde ich ſie hier einſchalten. Einmal ſchrieb ſie: iſt man allein am Rhein, ſo wird man ganz traurig, aber mit mehreren zuſammen, da ſind grade die ſchauerlichſten Plätze am Luſt aufreizend- ſten, mir aber iſt doch lieb, den weiten gedehnten Pur- purhimmel am Abend allein zu begrüßen, da dichte ich im Wandlen an einem Mährchen, das will ich Dir vor- leſen; ich bin jeden Abend begierig wie es weiter geht, es wird manchmal recht ſchaurig und dann taucht es wieder auf. Da ſie wieder zurückkam und ich das Mährchen leſen wollte, ſagte ſie: es iſt ſo traurig ge- worden, daß ich's nicht leſen kann; ich darf nichts mehr davon hören, ich kann es nicht mehr weiter ſchreiben: ich werde krank davon; und ſie legte ſich zu Bett; und blieb liegen mehrere Tage, der Dolch lag an ihrem Bett; ich achtete nicht darauf, die Nachtlampe ſtand dabei, ich kam herein; Bettine, mir iſt vor drei Wochen eine Schwe-

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/127>, abgerufen am 21.11.2024.