Wenn die Sonne am heißesten scheint, wird der blaue Himmel oft trübe; man fürchtet Sturm und Ge- witter, beklemmende Luft drückt die Brust, aber endlich siegt die Sonne; ruhig und golden sinkt sie dem Abend in Schoos.
So war mir's, da ich Ihnen geschrieben hatte; ich war beklemmt, wie wenn ein Gewitter sich spüren läßt, und ward oft roth über den Gedanken, daß Sie es un- recht finden möchten, und endlich ward mein Mißtrauen nur durch wenig Worte, aber so lieb gelöst. Wenn Sie wüßten wie schnelle Fortschritte mein Zutrauen in dem- selben Augenblick machte, da ich erkannte, daß Sie es gern wollen! -- Gütiger, freundlich gesinnter Mann! ich bin so unbewandert in Auslegung solcher köstlichen Worte, daß ich schwankte über ihren Sinn; die Mutter aber sagte: sei nicht so dumm, er mag geschrieben ha- ben, was er will, so heißt es, Du sollst ihm schreiben, so oft Du kannst und was Du willst. -- Ach ich kann Ihnen nichts anders mittheilen, als blos, was in mei- nem Herzen vorgeht. O dürft' ich jetzt bei ihm sein, dacht' ich, so glühend hell sollte meine Freudensonne
ihm
An Goethe.
Am 25. Mai.
Wenn die Sonne am heißeſten ſcheint, wird der blaue Himmel oft trübe; man fürchtet Sturm und Ge- witter, beklemmende Luft drückt die Bruſt, aber endlich ſiegt die Sonne; ruhig und golden ſinkt ſie dem Abend in Schoos.
So war mir's, da ich Ihnen geſchrieben hatte; ich war beklemmt, wie wenn ein Gewitter ſich ſpüren läßt, und ward oft roth über den Gedanken, daß Sie es un- recht finden möchten, und endlich ward mein Mißtrauen nur durch wenig Worte, aber ſo lieb gelöſt. Wenn Sie wüßten wie ſchnelle Fortſchritte mein Zutrauen in dem- ſelben Augenblick machte, da ich erkannte, daß Sie es gern wollen! — Gütiger, freundlich geſinnter Mann! ich bin ſo unbewandert in Auslegung ſolcher köſtlichen Worte, daß ich ſchwankte über ihren Sinn; die Mutter aber ſagte: ſei nicht ſo dumm, er mag geſchrieben ha- ben, was er will, ſo heißt es, Du ſollſt ihm ſchreiben, ſo oft Du kannſt und was Du willſt. — Ach ich kann Ihnen nichts anders mittheilen, als blos, was in mei- nem Herzen vorgeht. O dürft' ich jetzt bei ihm ſein, dacht' ich, ſo glühend hell ſollte meine Freudenſonne
ihm
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An Goethe.
Am 25. Mai.
Wenn die Sonne am heißeſten ſcheint, wird der
blaue Himmel oft trübe; man fürchtet Sturm und Ge-
witter, beklemmende Luft drückt die Bruſt, aber endlich
ſiegt die Sonne; ruhig und golden ſinkt ſie dem Abend
in Schoos.
So war mir's, da ich Ihnen geſchrieben hatte; ich
war beklemmt, wie wenn ein Gewitter ſich ſpüren läßt,
und ward oft roth über den Gedanken, daß Sie es un-
recht finden möchten, und endlich ward mein Mißtrauen
nur durch wenig Worte, aber ſo lieb gelöſt. Wenn Sie
wüßten wie ſchnelle Fortſchritte mein Zutrauen in dem-
ſelben Augenblick machte, da ich erkannte, daß Sie es
gern wollen! — Gütiger, freundlich geſinnter Mann!
ich bin ſo unbewandert in Auslegung ſolcher köſtlichen
Worte, daß ich ſchwankte über ihren Sinn; die Mutter
aber ſagte: ſei nicht ſo dumm, er mag geſchrieben ha-
ben, was er will, ſo heißt es, Du ſollſt ihm ſchreiben,
ſo oft Du kannſt und was Du willſt. — Ach ich kann
Ihnen nichts anders mittheilen, als blos, was in mei-
nem Herzen vorgeht. O dürft' ich jetzt bei ihm ſein,
dacht' ich, ſo glühend hell ſollte meine Freudenſonne
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/152>, abgerufen am 21.11.2024.
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