Der Dichter ist manchmal so glücklich, das unge- reimte zu reimen, und so wär' es Ihnen zu gestatten, liebes Kind, daß Sie ohne Rückhalt alles, was Sie der Art mitzutheilen haben, ihm zukommen ließen.
Gönnen Sie mir aber auch eine nähere Beschrei- bung dessen, der in fünftägigem Besitz Ihres Herzens war, und ob Sie auch sicher sind, daß der Feind nicht noch im Versteck lauert. Wir haben auch Nachrichten von einem jungen Mann, der in eine große Bärenmütze ge- hüllt in Ihrer Nähe weilt, und vorgiebt, seine Wunden heilen zu müssen, während er vielleicht im Sinne hat, die gefährlichsten zu schlagen.
Erinnern Sie sich jedoch bei so gefahrvollen Zeiten des Freundes, der es angemessener findet, Ihren Her- zenslaunen jetzt nicht in den Weg zu kommen.
G.
Goethe an B.
10ten Juni.
Der Dichter iſt manchmal ſo glücklich, das unge- reimte zu reimen, und ſo wär' es Ihnen zu geſtatten, liebes Kind, daß Sie ohne Rückhalt alles, was Sie der Art mitzutheilen haben, ihm zukommen ließen.
Gönnen Sie mir aber auch eine nähere Beſchrei- bung deſſen, der in fünftägigem Beſitz Ihres Herzens war, und ob Sie auch ſicher ſind, daß der Feind nicht noch im Verſteck lauert. Wir haben auch Nachrichten von einem jungen Mann, der in eine große Bärenmütze ge- hüllt in Ihrer Nähe weilt, und vorgiebt, ſeine Wunden heilen zu müſſen, während er vielleicht im Sinne hat, die gefährlichſten zu ſchlagen.
Erinnern Sie ſich jedoch bei ſo gefahrvollen Zeiten des Freundes, der es angemeſſener findet, Ihren Her- zenslaunen jetzt nicht in den Weg zu kommen.
G.
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Goethe an B.
10ten Juni.
Der Dichter iſt manchmal ſo glücklich, das unge-
reimte zu reimen, und ſo wär' es Ihnen zu geſtatten,
liebes Kind, daß Sie ohne Rückhalt alles, was Sie der
Art mitzutheilen haben, ihm zukommen ließen.
Gönnen Sie mir aber auch eine nähere Beſchrei-
bung deſſen, der in fünftägigem Beſitz Ihres Herzens war,
und ob Sie auch ſicher ſind, daß der Feind nicht noch
im Verſteck lauert. Wir haben auch Nachrichten von
einem jungen Mann, der in eine große Bärenmütze ge-
hüllt in Ihrer Nähe weilt, und vorgiebt, ſeine Wunden
heilen zu müſſen, während er vielleicht im Sinne hat,
die gefährlichſten zu ſchlagen.
Erinnern Sie ſich jedoch bei ſo gefahrvollen Zeiten
des Freundes, der es angemeſſener findet, Ihren Her-
zenslaunen jetzt nicht in den Weg zu kommen.
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/159>, abgerufen am 21.11.2024.
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