Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

bilde auslegte und meine Liebe, meine schönen Träume,
und hast mit mir gelauscht dem Geflüster der Blätter
im Nachtwind; der Stille der fernen weit verbreiteten
Nacht. -- Und hast mich geliebt, das weiß ich; wie
Du mich an der Hand führtest durch die Straßen, da
hab' ich's an Deinem Athem empfunden, am Ton Dei-
ner Stimme, an etwas, wie soll ich's Dir bezeichnen,
das mich umwehte, daß Du mich aufnahmst in ein in-
neres, geheimes Leben, und hattest Dich in diesem Au-
genblick mir allein zugewendet und begehrtest nichts als
mit mir zu sein; und dies alles, wer wird mir's rau-
ben? -- was ist mir verloren? -- Mein Freund, ich
habe alles, was ich je genossen. Und wo ich
auch hingehe -- mein Glück ist meine Heimath.

Wie die Regentropfen rasseln an den kleinen run-
den Fensterscheiben, und wie der Wind furchtbar tobt!
Ich habe schon im Bett gelegen, und hatte mich nach
der Seite gewendet, und wollte einschlafen in Dir, im
Denken an Dich. -- Was heißt das: im Herrn ent-
schlafen? Oft fällt mir dieser Spruch ein, wenn ich so
zwischen Schlaf und Wachen fühle, daß ich mit Dir
beschäftigt bin; -- ich weiß genau, wie das ist: der
ganze irdische Tag vergeht dem Liebenden, wie das ir-
dische Leben der Seele vergeht; sie ist hie und da in

7*

bilde auslegte und meine Liebe, meine ſchönen Träume,
und haſt mit mir gelauſcht dem Geflüſter der Blätter
im Nachtwind; der Stille der fernen weit verbreiteten
Nacht. — Und haſt mich geliebt, das weiß ich; wie
Du mich an der Hand führteſt durch die Straßen, da
hab' ich's an Deinem Athem empfunden, am Ton Dei-
ner Stimme, an etwas, wie ſoll ich's Dir bezeichnen,
das mich umwehte, daß Du mich aufnahmſt in ein in-
neres, geheimes Leben, und hatteſt Dich in dieſem Au-
genblick mir allein zugewendet und begehrteſt nichts als
mit mir zu ſein; und dies alles, wer wird mir's rau-
ben? — was iſt mir verloren? — Mein Freund, ich
habe alles, was ich je genoſſen. Und wo ich
auch hingehe — mein Glück iſt meine Heimath.

Wie die Regentropfen raſſeln an den kleinen run-
den Fenſterſcheiben, und wie der Wind furchtbar tobt!
Ich habe ſchon im Bett gelegen, und hatte mich nach
der Seite gewendet, und wollte einſchlafen in Dir, im
Denken an Dich. — Was heißt das: im Herrn ent-
ſchlafen? Oft fällt mir dieſer Spruch ein, wenn ich ſo
zwiſchen Schlaf und Wachen fühle, daß ich mit Dir
beſchäftigt bin; — ich weiß genau, wie das iſt: der
ganze irdiſche Tag vergeht dem Liebenden, wie das ir-
diſche Leben der Seele vergeht; ſie iſt hie und da in

7*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0179" n="147"/>
bilde auslegte und meine Liebe, meine &#x017F;chönen Träume,<lb/>
und ha&#x017F;t mit mir gelau&#x017F;cht dem Geflü&#x017F;ter der Blätter<lb/>
im Nachtwind; der Stille der fernen weit verbreiteten<lb/>
Nacht. &#x2014; Und ha&#x017F;t mich geliebt, das weiß ich; wie<lb/>
Du mich an der Hand führte&#x017F;t durch die Straßen, da<lb/>
hab' ich's an Deinem Athem empfunden, am Ton Dei-<lb/>
ner Stimme, an etwas, wie &#x017F;oll ich's Dir bezeichnen,<lb/>
das mich umwehte, daß Du mich aufnahm&#x017F;t in ein in-<lb/>
neres, geheimes Leben, und hatte&#x017F;t Dich in die&#x017F;em Au-<lb/>
genblick mir allein zugewendet und begehrte&#x017F;t nichts als<lb/>
mit mir zu &#x017F;ein; und dies alles, wer wird mir's rau-<lb/>
ben? &#x2014; was i&#x017F;t mir verloren? &#x2014; Mein Freund, ich<lb/><hi rendition="#g">habe alles, was ich je geno&#x017F;&#x017F;en</hi>. Und wo ich<lb/>
auch hingehe &#x2014; mein Glück i&#x017F;t meine Heimath.</p><lb/>
          <p>Wie die Regentropfen ra&#x017F;&#x017F;eln an den kleinen run-<lb/>
den Fen&#x017F;ter&#x017F;cheiben, und wie der Wind furchtbar tobt!<lb/>
Ich habe &#x017F;chon im Bett gelegen, und hatte mich nach<lb/>
der Seite gewendet, und wollte ein&#x017F;chlafen in Dir, im<lb/>
Denken an Dich. &#x2014; Was heißt das: im Herrn ent-<lb/>
&#x017F;chlafen? Oft fällt mir die&#x017F;er Spruch ein, wenn ich &#x017F;o<lb/>
zwi&#x017F;chen Schlaf und Wachen fühle, daß ich mit Dir<lb/>
be&#x017F;chäftigt bin; &#x2014; ich weiß genau, wie das i&#x017F;t: der<lb/>
ganze irdi&#x017F;che Tag vergeht dem Liebenden, wie das ir-<lb/>
di&#x017F;che Leben der Seele vergeht; &#x017F;ie i&#x017F;t hie und da in<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">7*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0179] bilde auslegte und meine Liebe, meine ſchönen Träume, und haſt mit mir gelauſcht dem Geflüſter der Blätter im Nachtwind; der Stille der fernen weit verbreiteten Nacht. — Und haſt mich geliebt, das weiß ich; wie Du mich an der Hand führteſt durch die Straßen, da hab' ich's an Deinem Athem empfunden, am Ton Dei- ner Stimme, an etwas, wie ſoll ich's Dir bezeichnen, das mich umwehte, daß Du mich aufnahmſt in ein in- neres, geheimes Leben, und hatteſt Dich in dieſem Au- genblick mir allein zugewendet und begehrteſt nichts als mit mir zu ſein; und dies alles, wer wird mir's rau- ben? — was iſt mir verloren? — Mein Freund, ich habe alles, was ich je genoſſen. Und wo ich auch hingehe — mein Glück iſt meine Heimath. Wie die Regentropfen raſſeln an den kleinen run- den Fenſterſcheiben, und wie der Wind furchtbar tobt! Ich habe ſchon im Bett gelegen, und hatte mich nach der Seite gewendet, und wollte einſchlafen in Dir, im Denken an Dich. — Was heißt das: im Herrn ent- ſchlafen? Oft fällt mir dieſer Spruch ein, wenn ich ſo zwiſchen Schlaf und Wachen fühle, daß ich mit Dir beſchäftigt bin; — ich weiß genau, wie das iſt: der ganze irdiſche Tag vergeht dem Liebenden, wie das ir- diſche Leben der Seele vergeht; ſie iſt hie und da in 7*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/179
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/179>, abgerufen am 21.11.2024.