bilde auslegte und meine Liebe, meine schönen Träume, und hast mit mir gelauscht dem Geflüster der Blätter im Nachtwind; der Stille der fernen weit verbreiteten Nacht. -- Und hast mich geliebt, das weiß ich; wie Du mich an der Hand führtest durch die Straßen, da hab' ich's an Deinem Athem empfunden, am Ton Dei- ner Stimme, an etwas, wie soll ich's Dir bezeichnen, das mich umwehte, daß Du mich aufnahmst in ein in- neres, geheimes Leben, und hattest Dich in diesem Au- genblick mir allein zugewendet und begehrtest nichts als mit mir zu sein; und dies alles, wer wird mir's rau- ben? -- was ist mir verloren? -- Mein Freund, ich habe alles, was ich je genossen. Und wo ich auch hingehe -- mein Glück ist meine Heimath.
Wie die Regentropfen rasseln an den kleinen run- den Fensterscheiben, und wie der Wind furchtbar tobt! Ich habe schon im Bett gelegen, und hatte mich nach der Seite gewendet, und wollte einschlafen in Dir, im Denken an Dich. -- Was heißt das: im Herrn ent- schlafen? Oft fällt mir dieser Spruch ein, wenn ich so zwischen Schlaf und Wachen fühle, daß ich mit Dir beschäftigt bin; -- ich weiß genau, wie das ist: der ganze irdische Tag vergeht dem Liebenden, wie das ir- dische Leben der Seele vergeht; sie ist hie und da in
7*
bilde auslegte und meine Liebe, meine ſchönen Träume, und haſt mit mir gelauſcht dem Geflüſter der Blätter im Nachtwind; der Stille der fernen weit verbreiteten Nacht. — Und haſt mich geliebt, das weiß ich; wie Du mich an der Hand führteſt durch die Straßen, da hab' ich's an Deinem Athem empfunden, am Ton Dei- ner Stimme, an etwas, wie ſoll ich's Dir bezeichnen, das mich umwehte, daß Du mich aufnahmſt in ein in- neres, geheimes Leben, und hatteſt Dich in dieſem Au- genblick mir allein zugewendet und begehrteſt nichts als mit mir zu ſein; und dies alles, wer wird mir's rau- ben? — was iſt mir verloren? — Mein Freund, ich habe alles, was ich je genoſſen. Und wo ich auch hingehe — mein Glück iſt meine Heimath.
Wie die Regentropfen raſſeln an den kleinen run- den Fenſterſcheiben, und wie der Wind furchtbar tobt! Ich habe ſchon im Bett gelegen, und hatte mich nach der Seite gewendet, und wollte einſchlafen in Dir, im Denken an Dich. — Was heißt das: im Herrn ent- ſchlafen? Oft fällt mir dieſer Spruch ein, wenn ich ſo zwiſchen Schlaf und Wachen fühle, daß ich mit Dir beſchäftigt bin; — ich weiß genau, wie das iſt: der ganze irdiſche Tag vergeht dem Liebenden, wie das ir- diſche Leben der Seele vergeht; ſie iſt hie und da in
7*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0179"n="147"/>
bilde auslegte und meine Liebe, meine ſchönen Träume,<lb/>
und haſt mit mir gelauſcht dem Geflüſter der Blätter<lb/>
im Nachtwind; der Stille der fernen weit verbreiteten<lb/>
Nacht. — Und haſt mich geliebt, das weiß ich; wie<lb/>
Du mich an der Hand führteſt durch die Straßen, da<lb/>
hab' ich's an Deinem Athem empfunden, am Ton Dei-<lb/>
ner Stimme, an etwas, wie ſoll ich's Dir bezeichnen,<lb/>
das mich umwehte, daß Du mich aufnahmſt in ein in-<lb/>
neres, geheimes Leben, und hatteſt Dich in dieſem Au-<lb/>
genblick mir allein zugewendet und begehrteſt nichts als<lb/>
mit mir zu ſein; und dies alles, wer wird mir's rau-<lb/>
ben? — was iſt mir verloren? — Mein Freund, ich<lb/><hirendition="#g">habe alles, was ich je genoſſen</hi>. Und wo ich<lb/>
auch hingehe — mein Glück iſt meine Heimath.</p><lb/><p>Wie die Regentropfen raſſeln an den kleinen run-<lb/>
den Fenſterſcheiben, und wie der Wind furchtbar tobt!<lb/>
Ich habe ſchon im Bett gelegen, und hatte mich nach<lb/>
der Seite gewendet, und wollte einſchlafen in Dir, im<lb/>
Denken an Dich. — Was heißt das: im Herrn ent-<lb/>ſchlafen? Oft fällt mir dieſer Spruch ein, wenn ich ſo<lb/>
zwiſchen Schlaf und Wachen fühle, daß ich mit Dir<lb/>
beſchäftigt bin; — ich weiß genau, wie das iſt: der<lb/>
ganze irdiſche Tag vergeht dem Liebenden, wie das ir-<lb/>
diſche Leben der Seele vergeht; ſie iſt hie und da in<lb/><fwplace="bottom"type="sig">7*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[147/0179]
bilde auslegte und meine Liebe, meine ſchönen Träume,
und haſt mit mir gelauſcht dem Geflüſter der Blätter
im Nachtwind; der Stille der fernen weit verbreiteten
Nacht. — Und haſt mich geliebt, das weiß ich; wie
Du mich an der Hand führteſt durch die Straßen, da
hab' ich's an Deinem Athem empfunden, am Ton Dei-
ner Stimme, an etwas, wie ſoll ich's Dir bezeichnen,
das mich umwehte, daß Du mich aufnahmſt in ein in-
neres, geheimes Leben, und hatteſt Dich in dieſem Au-
genblick mir allein zugewendet und begehrteſt nichts als
mit mir zu ſein; und dies alles, wer wird mir's rau-
ben? — was iſt mir verloren? — Mein Freund, ich
habe alles, was ich je genoſſen. Und wo ich
auch hingehe — mein Glück iſt meine Heimath.
Wie die Regentropfen raſſeln an den kleinen run-
den Fenſterſcheiben, und wie der Wind furchtbar tobt!
Ich habe ſchon im Bett gelegen, und hatte mich nach
der Seite gewendet, und wollte einſchlafen in Dir, im
Denken an Dich. — Was heißt das: im Herrn ent-
ſchlafen? Oft fällt mir dieſer Spruch ein, wenn ich ſo
zwiſchen Schlaf und Wachen fühle, daß ich mit Dir
beſchäftigt bin; — ich weiß genau, wie das iſt: der
ganze irdiſche Tag vergeht dem Liebenden, wie das ir-
diſche Leben der Seele vergeht; ſie iſt hie und da in
7*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/179>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.