keit. -- Wenn ich hier in die Kirche gehe, an der Gruft vorbei die meine Eltern und Geschwister deckt, da falte ich die Hände, und das ist mein ganzes Gebet.
Der Vater hat mich zärtlich geliebt, ich hatte eine große Gewalt über ihn; oft schickte mich die Mutter mit einer schriftlichen Bitte an ihn und sagte: laß den Vater nicht los, bis er ja sagt, -- und da hing ich mich an seinen Hals und umklammerte ihn, und da sagte er: Du bist mein liebstes Kind, ich kann nicht versagen.
Der Mutter erinnere ich mich auch noch, ihrer großen Schönheit; sie war so fein und doch so erha- ben, und glich nicht den gewöhnlichen Gesichtern; Du sagtest von ihr, sie sei für die Engel geschaffen, die soll- ten mit ihr spielen. Deine Mutter hat mir erzählt, wie Du sie zum letzten Mal gesehen, daß Du die Hände zusammen schlugst über ihre Schönheit, das war ein Jahr vor ihrem Tod; da lag der General Brentano in unserem Haus' an schweren Wunden; die Mutter pflegte ihn, und er hatte sie so lieb, daß sie ihn nicht verlassen durfte. Sie spielte Schach mit ihm, er sagte: matt! und sank zurück in's Bett; sie ließ mich ho- len, weil er nach den Kindern verlangt hatte, -- ich trat mit ihr an's Bett, -- da lag er blaß und still;
keit. — Wenn ich hier in die Kirche gehe, an der Gruft vorbei die meine Eltern und Geſchwiſter deckt, da falte ich die Hände, und das iſt mein ganzes Gebet.
Der Vater hat mich zärtlich geliebt, ich hatte eine große Gewalt über ihn; oft ſchickte mich die Mutter mit einer ſchriftlichen Bitte an ihn und ſagte: laß den Vater nicht los, bis er ja ſagt, — und da hing ich mich an ſeinen Hals und umklammerte ihn, und da ſagte er: Du biſt mein liebſtes Kind, ich kann nicht verſagen.
Der Mutter erinnere ich mich auch noch, ihrer großen Schönheit; ſie war ſo fein und doch ſo erha- ben, und glich nicht den gewöhnlichen Geſichtern; Du ſagteſt von ihr, ſie ſei für die Engel geſchaffen, die ſoll- ten mit ihr ſpielen. Deine Mutter hat mir erzählt, wie Du ſie zum letzten Mal geſehen, daß Du die Hände zuſammen ſchlugſt über ihre Schönheit, das war ein Jahr vor ihrem Tod; da lag der General Brentano in unſerem Hauſ' an ſchweren Wunden; die Mutter pflegte ihn, und er hatte ſie ſo lieb, daß ſie ihn nicht verlaſſen durfte. Sie ſpielte Schach mit ihm, er ſagte: matt! und ſank zurück in's Bett; ſie ließ mich ho- len, weil er nach den Kindern verlangt hatte, — ich trat mit ihr an's Bett, — da lag er blaß und ſtill;
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keit. — Wenn ich hier in die Kirche gehe, an der Gruft
vorbei die meine Eltern und Geſchwiſter deckt, da falte
ich die Hände, und das iſt mein ganzes Gebet.
Der Vater hat mich zärtlich geliebt, ich hatte eine
große Gewalt über ihn; oft ſchickte mich die Mutter
mit einer ſchriftlichen Bitte an ihn und ſagte: laß
den Vater nicht los, bis er ja ſagt, — und da hing
ich mich an ſeinen Hals und umklammerte ihn, und da
ſagte er: Du biſt mein liebſtes Kind, ich kann nicht
verſagen.
Der Mutter erinnere ich mich auch noch, ihrer
großen Schönheit; ſie war ſo fein und doch ſo erha-
ben, und glich nicht den gewöhnlichen Geſichtern; Du
ſagteſt von ihr, ſie ſei für die Engel geſchaffen, die ſoll-
ten mit ihr ſpielen. Deine Mutter hat mir erzählt,
wie Du ſie zum letzten Mal geſehen, daß Du die
Hände zuſammen ſchlugſt über ihre Schönheit, das war
ein Jahr vor ihrem Tod; da lag der General Brentano
in unſerem Hauſ' an ſchweren Wunden; die Mutter
pflegte ihn, und er hatte ſie ſo lieb, daß ſie ihn nicht
verlaſſen durfte. Sie ſpielte Schach mit ihm, er ſagte:
matt! und ſank zurück in's Bett; ſie ließ mich ho-
len, weil er nach den Kindern verlangt hatte, — ich
trat mit ihr an's Bett, — da lag er blaß und ſtill;
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/215>, abgerufen am 21.11.2024.
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