Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Adieu, lieber Herr! -- Die Frau grüß' ich, Rie-
mer's Sonett kracht wie neue Sohlen; er soll meiner
Geschäfte gewärtig sein, und seinen Diensteifer nicht
umsonst gehabt haben.

Gelt', ich mach's grade wie dein Liebchen, schreibe,
kritzele, mach' Tintenkleckse und Orthographiefehler, und
denk', es schadet nichts, weil er weiß, daß ich ihn liebe,
und der Brief, den Du mir geschrieben, war doch so
artig und zierlich abgefaßt, das Papier mit goldnem
Schnitt! -- Aber, Goethe, erst ganz zuletzt denkst Du
an mich! erlaub', daß ich so frei bin Dir einen Ver-
weis zu geben, für diesen Brief, fasse alles kurz ab, was
Du verlangst und schreib's mit eigner Hand, ich weiß
nicht warum Du einen Secretair anstellst um das
überflüssige zu melden, ich kann's nicht vertragen, es be-
leidigt mich, es macht mich krank; im Anfang glaubt'
ich der Brief sei gar nicht an mich, nun trag' ich doch
gern' solch einen Brief auf dem Herzen, so lange bis
der neue kommt, -- wie kann ich aber mit einer solchen
fremden Secretairshand verfahren? nein, diesmal hab'
ich Dich in meinem Zorn verdammt, daß Du gleich mit
dem Secretair in die alte Schublade eingeklemmt wur-
dest, und der Mutter hab' ich gar nicht gesagt, daß Du

Adieu, lieber Herr! — Die Frau grüß' ich, Rie-
mer's Sonett kracht wie neue Sohlen; er ſoll meiner
Geſchäfte gewärtig ſein, und ſeinen Dienſteifer nicht
umſonſt gehabt haben.

Gelt', ich mach's grade wie dein Liebchen, ſchreibe,
kritzele, mach' Tintenkleckſe und Orthographiefehler, und
denk', es ſchadet nichts, weil er weiß, daß ich ihn liebe,
und der Brief, den Du mir geſchrieben, war doch ſo
artig und zierlich abgefaßt, das Papier mit goldnem
Schnitt! — Aber, Goethe, erſt ganz zuletzt denkſt Du
an mich! erlaub', daß ich ſo frei bin Dir einen Ver-
weis zu geben, für dieſen Brief, faſſe alles kurz ab, was
Du verlangſt und ſchreib's mit eigner Hand, ich weiß
nicht warum Du einen Secretair anſtellſt um das
überflüſſige zu melden, ich kann's nicht vertragen, es be-
leidigt mich, es macht mich krank; im Anfang glaubt'
ich der Brief ſei gar nicht an mich, nun trag' ich doch
gern' ſolch einen Brief auf dem Herzen, ſo lange bis
der neue kommt, — wie kann ich aber mit einer ſolchen
fremden Secretairshand verfahren? nein, diesmal hab'
ich Dich in meinem Zorn verdammt, daß Du gleich mit
dem Secretair in die alte Schublade eingeklemmt wur-
deſt, und der Mutter hab' ich gar nicht geſagt, daß Du

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0229" n="197"/>
          <p>Adieu, lieber Herr! &#x2014; Die Frau grüß' ich, Rie-<lb/>
mer's Sonett kracht wie neue Sohlen; er &#x017F;oll meiner<lb/>
Ge&#x017F;chäfte gewärtig &#x017F;ein, und &#x017F;einen Dien&#x017F;teifer nicht<lb/>
um&#x017F;on&#x017F;t gehabt haben.</p><lb/>
          <p>Gelt', ich mach's grade wie dein Liebchen, &#x017F;chreibe,<lb/>
kritzele, mach' Tintenkleck&#x017F;e und Orthographiefehler, und<lb/>
denk', es &#x017F;chadet nichts, weil er weiß, daß ich ihn liebe,<lb/>
und der Brief, den Du mir ge&#x017F;chrieben, war doch &#x017F;o<lb/>
artig und zierlich abgefaßt, das Papier mit goldnem<lb/>
Schnitt! &#x2014; Aber, Goethe, er&#x017F;t ganz zuletzt denk&#x017F;t Du<lb/>
an mich! erlaub', daß ich &#x017F;o frei bin Dir einen Ver-<lb/>
weis zu geben, für die&#x017F;en Brief, fa&#x017F;&#x017F;e alles kurz ab, was<lb/>
Du verlang&#x017F;t und &#x017F;chreib's mit eigner Hand, ich weiß<lb/>
nicht warum Du einen Secretair an&#x017F;tell&#x017F;t um das<lb/>
überflü&#x017F;&#x017F;ige zu melden, ich kann's nicht vertragen, es be-<lb/>
leidigt mich, es macht mich krank; im Anfang glaubt'<lb/>
ich der Brief &#x017F;ei gar nicht an mich, nun trag' ich doch<lb/>
gern' &#x017F;olch einen Brief auf dem Herzen, &#x017F;o lange bis<lb/>
der neue kommt, &#x2014; wie kann ich aber mit einer &#x017F;olchen<lb/>
fremden Secretairshand verfahren? nein, diesmal hab'<lb/>
ich Dich in meinem Zorn verdammt, daß Du gleich mit<lb/>
dem Secretair in die alte Schublade eingeklemmt wur-<lb/>
de&#x017F;t, und der Mutter hab' ich gar nicht ge&#x017F;agt, daß Du<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0229] Adieu, lieber Herr! — Die Frau grüß' ich, Rie- mer's Sonett kracht wie neue Sohlen; er ſoll meiner Geſchäfte gewärtig ſein, und ſeinen Dienſteifer nicht umſonſt gehabt haben. Gelt', ich mach's grade wie dein Liebchen, ſchreibe, kritzele, mach' Tintenkleckſe und Orthographiefehler, und denk', es ſchadet nichts, weil er weiß, daß ich ihn liebe, und der Brief, den Du mir geſchrieben, war doch ſo artig und zierlich abgefaßt, das Papier mit goldnem Schnitt! — Aber, Goethe, erſt ganz zuletzt denkſt Du an mich! erlaub', daß ich ſo frei bin Dir einen Ver- weis zu geben, für dieſen Brief, faſſe alles kurz ab, was Du verlangſt und ſchreib's mit eigner Hand, ich weiß nicht warum Du einen Secretair anſtellſt um das überflüſſige zu melden, ich kann's nicht vertragen, es be- leidigt mich, es macht mich krank; im Anfang glaubt' ich der Brief ſei gar nicht an mich, nun trag' ich doch gern' ſolch einen Brief auf dem Herzen, ſo lange bis der neue kommt, — wie kann ich aber mit einer ſolchen fremden Secretairshand verfahren? nein, diesmal hab' ich Dich in meinem Zorn verdammt, daß Du gleich mit dem Secretair in die alte Schublade eingeklemmt wur- deſt, und der Mutter hab' ich gar nicht geſagt, daß Du

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/229
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/229>, abgerufen am 21.11.2024.