Adieu, lieber Herr! -- Die Frau grüß' ich, Rie- mer's Sonett kracht wie neue Sohlen; er soll meiner Geschäfte gewärtig sein, und seinen Diensteifer nicht umsonst gehabt haben.
Gelt', ich mach's grade wie dein Liebchen, schreibe, kritzele, mach' Tintenkleckse und Orthographiefehler, und denk', es schadet nichts, weil er weiß, daß ich ihn liebe, und der Brief, den Du mir geschrieben, war doch so artig und zierlich abgefaßt, das Papier mit goldnem Schnitt! -- Aber, Goethe, erst ganz zuletzt denkst Du an mich! erlaub', daß ich so frei bin Dir einen Ver- weis zu geben, für diesen Brief, fasse alles kurz ab, was Du verlangst und schreib's mit eigner Hand, ich weiß nicht warum Du einen Secretair anstellst um das überflüssige zu melden, ich kann's nicht vertragen, es be- leidigt mich, es macht mich krank; im Anfang glaubt' ich der Brief sei gar nicht an mich, nun trag' ich doch gern' solch einen Brief auf dem Herzen, so lange bis der neue kommt, -- wie kann ich aber mit einer solchen fremden Secretairshand verfahren? nein, diesmal hab' ich Dich in meinem Zorn verdammt, daß Du gleich mit dem Secretair in die alte Schublade eingeklemmt wur- dest, und der Mutter hab' ich gar nicht gesagt, daß Du
Adieu, lieber Herr! — Die Frau grüß' ich, Rie- mer's Sonett kracht wie neue Sohlen; er ſoll meiner Geſchäfte gewärtig ſein, und ſeinen Dienſteifer nicht umſonſt gehabt haben.
Gelt', ich mach's grade wie dein Liebchen, ſchreibe, kritzele, mach' Tintenkleckſe und Orthographiefehler, und denk', es ſchadet nichts, weil er weiß, daß ich ihn liebe, und der Brief, den Du mir geſchrieben, war doch ſo artig und zierlich abgefaßt, das Papier mit goldnem Schnitt! — Aber, Goethe, erſt ganz zuletzt denkſt Du an mich! erlaub', daß ich ſo frei bin Dir einen Ver- weis zu geben, für dieſen Brief, faſſe alles kurz ab, was Du verlangſt und ſchreib's mit eigner Hand, ich weiß nicht warum Du einen Secretair anſtellſt um das überflüſſige zu melden, ich kann's nicht vertragen, es be- leidigt mich, es macht mich krank; im Anfang glaubt' ich der Brief ſei gar nicht an mich, nun trag' ich doch gern' ſolch einen Brief auf dem Herzen, ſo lange bis der neue kommt, — wie kann ich aber mit einer ſolchen fremden Secretairshand verfahren? nein, diesmal hab' ich Dich in meinem Zorn verdammt, daß Du gleich mit dem Secretair in die alte Schublade eingeklemmt wur- deſt, und der Mutter hab' ich gar nicht geſagt, daß Du
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Adieu, lieber Herr! — Die Frau grüß' ich, Rie-
mer's Sonett kracht wie neue Sohlen; er ſoll meiner
Geſchäfte gewärtig ſein, und ſeinen Dienſteifer nicht
umſonſt gehabt haben.
Gelt', ich mach's grade wie dein Liebchen, ſchreibe,
kritzele, mach' Tintenkleckſe und Orthographiefehler, und
denk', es ſchadet nichts, weil er weiß, daß ich ihn liebe,
und der Brief, den Du mir geſchrieben, war doch ſo
artig und zierlich abgefaßt, das Papier mit goldnem
Schnitt! — Aber, Goethe, erſt ganz zuletzt denkſt Du
an mich! erlaub', daß ich ſo frei bin Dir einen Ver-
weis zu geben, für dieſen Brief, faſſe alles kurz ab, was
Du verlangſt und ſchreib's mit eigner Hand, ich weiß
nicht warum Du einen Secretair anſtellſt um das
überflüſſige zu melden, ich kann's nicht vertragen, es be-
leidigt mich, es macht mich krank; im Anfang glaubt'
ich der Brief ſei gar nicht an mich, nun trag' ich doch
gern' ſolch einen Brief auf dem Herzen, ſo lange bis
der neue kommt, — wie kann ich aber mit einer ſolchen
fremden Secretairshand verfahren? nein, diesmal hab'
ich Dich in meinem Zorn verdammt, daß Du gleich mit
dem Secretair in die alte Schublade eingeklemmt wur-
deſt, und der Mutter hab' ich gar nicht geſagt, daß Du
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/229>, abgerufen am 21.11.2024.
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