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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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So lauten die Stoßseufzer am Abend, am Morgen
klingt's anders, da regt sich's schon vor Sonnenauf-
gang und treibt mich hinaus, wie einer längst ersehn-
ten Botschaft entgegen. Den Nachen kann ich schon
allein regieren, es ist mein liebstes Morgengebet ihn
listig und verstohlen von der Kette zu lösen, und mich
hinüber an's Ufer zu studieren. Allemal muß ich's wie-
der von neuem lernen, es ist ein Wagstück, mit Muthwill
begonnen, aber sehr andächtig beschlossen; denn ich danke
Gott, wenn ich glücklich gelandet bin. Ohne Wahl belaufe
ich dann einen der vielen Strahlenwege, die sich hier
nach allen Seiten aufthun. Jedesmal lauscht die Er-
wartung im Herzen, jedesmal wird sie gelös't, bald
durch die allumfassende Weite auf der Höh', durch die
Sonne die so plötzlich alles aus dem Schlaf weckt;
ich klimme herab an Felswänden, reinliches Moos,
zierliches Flechtwerk begleitet den Stein, kleine Höhlen
zum Lager wie gegossen, in denen verschnauf' ich, dort
zwischen dunklen Felsen leuchtet ein helleres Grün: kräf-
tig blühend, untadelich, mitten in der Wüste find' ich
die Blume auf reinlichem Heerd, einfache Haushaltung
Gottes; inmitten von Blüthenwänden die Opferstätte

feier-

So lauten die Stoßſeufzer am Abend, am Morgen
klingt's anders, da regt ſich's ſchon vor Sonnenauf-
gang und treibt mich hinaus, wie einer längſt erſehn-
ten Botſchaft entgegen. Den Nachen kann ich ſchon
allein regieren, es iſt mein liebſtes Morgengebet ihn
liſtig und verſtohlen von der Kette zu löſen, und mich
hinüber an's Ufer zu ſtudieren. Allemal muß ich's wie-
der von neuem lernen, es iſt ein Wagſtück, mit Muthwill
begonnen, aber ſehr andächtig beſchloſſen; denn ich danke
Gott, wenn ich glücklich gelandet bin. Ohne Wahl belaufe
ich dann einen der vielen Strahlenwege, die ſich hier
nach allen Seiten aufthun. Jedesmal lauſcht die Er-
wartung im Herzen, jedesmal wird ſie gelöſ't, bald
durch die allumfaſſende Weite auf der Höh', durch die
Sonne die ſo plötzlich alles aus dem Schlaf weckt;
ich klimme herab an Felswänden, reinliches Moos,
zierliches Flechtwerk begleitet den Stein, kleine Höhlen
zum Lager wie gegoſſen, in denen verſchnauf' ich, dort
zwiſchen dunklen Felſen leuchtet ein helleres Grün: kräf-
tig blühend, untadelich, mitten in der Wüſte find' ich
die Blume auf reinlichem Heerd, einfache Haushaltung
Gottes; inmitten von Blüthenwänden die Opferſtätte

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[240/0272] Am 7. Juli. So lauten die Stoßſeufzer am Abend, am Morgen klingt's anders, da regt ſich's ſchon vor Sonnenauf- gang und treibt mich hinaus, wie einer längſt erſehn- ten Botſchaft entgegen. Den Nachen kann ich ſchon allein regieren, es iſt mein liebſtes Morgengebet ihn liſtig und verſtohlen von der Kette zu löſen, und mich hinüber an's Ufer zu ſtudieren. Allemal muß ich's wie- der von neuem lernen, es iſt ein Wagſtück, mit Muthwill begonnen, aber ſehr andächtig beſchloſſen; denn ich danke Gott, wenn ich glücklich gelandet bin. Ohne Wahl belaufe ich dann einen der vielen Strahlenwege, die ſich hier nach allen Seiten aufthun. Jedesmal lauſcht die Er- wartung im Herzen, jedesmal wird ſie gelöſ't, bald durch die allumfaſſende Weite auf der Höh', durch die Sonne die ſo plötzlich alles aus dem Schlaf weckt; ich klimme herab an Felswänden, reinliches Moos, zierliches Flechtwerk begleitet den Stein, kleine Höhlen zum Lager wie gegoſſen, in denen verſchnauf' ich, dort zwiſchen dunklen Felſen leuchtet ein helleres Grün: kräf- tig blühend, untadelich, mitten in der Wüſte find' ich die Blume auf reinlichem Heerd, einfache Haushaltung Gottes; inmitten von Blüthenwänden die Opferſtätte feier-

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/272>, abgerufen am 22.11.2024.