vorgefaselt hat; er sagt, Du verstehst nichts von Musik, und hörst nicht gern vom Tod reden. Ich fragte, wo- her er das wisse; -- er meint, er habe sich Mühe ge- geben, Dich über Musik zu belehren; es sei ihm nicht gelungen; -- vom Tod aber habe er gar nicht ange- fangen, aus Furcht, Dir zu mißfallen. Und wie ich eben in dem alleinigen, mit großen Federbüschen ver- zierten Ehebett darüber nachdenke, hör' ich draußen ein Liedchen singen, in fremder Sprache; so viel Gesang -- so viel Pause! -- ich springe im Silberbär an's Fenster, und gucke hinaus, -- da sitzt mein spanischer Schiffs- mann in der frischen Mondnacht und singt. Ich er- kannt' ihn gleich an der goldnen Quaste auf seiner Mütze; ich sagte: guten Abend Herr Kapitain, ich dachte, Ihr wär't schon vor acht Tagen den Rhein hinab in's Meer geschwommen. Er erkannte mich gleich und meinte, er habe drauf gewartet, ob ich nicht mit wolle. Ich ließ mir das Lied noch einmal singen; es klang sehr feierlich, -- in den Pausen hörte man den Wiederhall an der kleinen scharfkantigen Pfalz, die in mitten umdrängender schwarzer Felsgruppen, mit ihren elfenbeinernen Vesten und silbernen Zinnen ganz in's Mondlicht eingeschmolzen war. --
Lieber Goethe, ich weiß nicht was Dir der Schlos-
vorgefaſelt hat; er ſagt, Du verſtehſt nichts von Muſik, und hörſt nicht gern vom Tod reden. Ich fragte, wo- her er das wiſſe; — er meint, er habe ſich Mühe ge- geben, Dich über Muſik zu belehren; es ſei ihm nicht gelungen; — vom Tod aber habe er gar nicht ange- fangen, aus Furcht, Dir zu mißfallen. Und wie ich eben in dem alleinigen, mit großen Federbüſchen ver- zierten Ehebett darüber nachdenke, hör' ich draußen ein Liedchen ſingen, in fremder Sprache; ſo viel Geſang — ſo viel Pauſe! — ich ſpringe im Silberbär an's Fenſter, und gucke hinaus, — da ſitzt mein ſpaniſcher Schiffs- mann in der friſchen Mondnacht und ſingt. Ich er- kannt' ihn gleich an der goldnen Quaſte auf ſeiner Mütze; ich ſagte: guten Abend Herr Kapitain, ich dachte, Ihr wär't ſchon vor acht Tagen den Rhein hinab in's Meer geſchwommen. Er erkannte mich gleich und meinte, er habe drauf gewartet, ob ich nicht mit wolle. Ich ließ mir das Lied noch einmal ſingen; es klang ſehr feierlich, — in den Pauſen hörte man den Wiederhall an der kleinen ſcharfkantigen Pfalz, die in mitten umdrängender ſchwarzer Felsgruppen, mit ihren elfenbeinernen Veſten und ſilbernen Zinnen ganz in's Mondlicht eingeſchmolzen war. —
Lieber Goethe, ich weiß nicht was Dir der Schloſ-
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vorgefaſelt hat; er ſagt, Du verſtehſt nichts von Muſik,
und hörſt nicht gern vom Tod reden. Ich fragte, wo-
her er das wiſſe; — er meint, er habe ſich Mühe ge-
geben, Dich über Muſik zu belehren; es ſei ihm nicht
gelungen; — vom Tod aber habe er gar nicht ange-
fangen, aus Furcht, Dir zu mißfallen. Und wie ich
eben in dem alleinigen, mit großen Federbüſchen ver-
zierten Ehebett darüber nachdenke, hör' ich draußen ein
Liedchen ſingen, in fremder Sprache; ſo viel Geſang —
ſo viel Pauſe! — ich ſpringe im Silberbär an's Fenſter,
und gucke hinaus, — da ſitzt mein ſpaniſcher Schiffs-
mann in der friſchen Mondnacht und ſingt. Ich er-
kannt' ihn gleich an der goldnen Quaſte auf ſeiner
Mütze; ich ſagte: guten Abend Herr Kapitain, ich
dachte, Ihr wär't ſchon vor acht Tagen den Rhein
hinab in's Meer geſchwommen. Er erkannte mich gleich
und meinte, er habe drauf gewartet, ob ich nicht mit
wolle. Ich ließ mir das Lied noch einmal ſingen; es
klang ſehr feierlich, — in den Pauſen hörte man den
Wiederhall an der kleinen ſcharfkantigen Pfalz, die in
mitten umdrängender ſchwarzer Felsgruppen, mit ihren
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/291>, abgerufen am 22.11.2024.
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