-- ich sah nach dem Fenster, wo es hell war, -- ich wär' so gern' dort gewesen! ich war auf mein fatales Erblager aus dem vorigen Jahrhundert, in dem Ritter und Prälaten schon mögen ihren Geist ausgehaucht ha- ben, und ein Dutzend kleiner Meister vom Hammer, alle emsig, pochten und pickten fest gebannt. Ach, wie sehnt' ich mich nach der kühlen Nachtluft. -- Kann man so närrisch sein. -- Plötzlich hatte ich überwunden, ich stand mitten in der Stube. Auf den Füßen, da bin ich gleich ein Held, es soll mir einer nah' kommen, -- ach, wie pochten mir Herz und Schläfe, die vierzehn Nothhelfer, die ich aus alter Gewohnheit vom Kloster her noch herbeirief, sind auch keine Gesellschaft zum La- chen, da der eine seinen eignen Kopf, der andre sein Eingeweide im Arm trägt, und so weiter. Ich entließ sie alle zum Fenster hinaus. Und du magischer Spie- gel, in dem alles so zauberisch wieder scheint, was ich erlebe, was war's denn, was mich beseligte? -- Nichts! -- Tiefes Bewußtsein, Friede athmen, -- so stand ich am Fenster und erwartete den anbrechenden Tag. --
Bettine.
— ich ſah nach dem Fenſter, wo es hell war, — ich wär' ſo gern' dort geweſen! ich war auf mein fatales Erblager aus dem vorigen Jahrhundert, in dem Ritter und Prälaten ſchon mögen ihren Geiſt ausgehaucht ha- ben, und ein Dutzend kleiner Meiſter vom Hammer, alle emſig, pochten und pickten feſt gebannt. Ach, wie ſehnt' ich mich nach der kühlen Nachtluft. — Kann man ſo närriſch ſein. — Plötzlich hatte ich überwunden, ich ſtand mitten in der Stube. Auf den Füßen, da bin ich gleich ein Held, es ſoll mir einer nah' kommen, — ach, wie pochten mir Herz und Schläfe, die vierzehn Nothhelfer, die ich aus alter Gewohnheit vom Kloſter her noch herbeirief, ſind auch keine Geſellſchaft zum La- chen, da der eine ſeinen eignen Kopf, der andre ſein Eingeweide im Arm trägt, und ſo weiter. Ich entließ ſie alle zum Fenſter hinaus. Und du magiſcher Spie- gel, in dem alles ſo zauberiſch wieder ſcheint, was ich erlebe, was war's denn, was mich beſeligte? — Nichts! — Tiefes Bewußtſein, Friede athmen, — ſo ſtand ich am Fenſter und erwartete den anbrechenden Tag. —
Bettine.
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— ich ſah nach dem Fenſter, wo es hell war, — ich
wär' ſo gern' dort geweſen! ich war auf mein fatales
Erblager aus dem vorigen Jahrhundert, in dem Ritter
und Prälaten ſchon mögen ihren Geiſt ausgehaucht ha-
ben, und ein Dutzend kleiner Meiſter vom Hammer,
alle emſig, pochten und pickten feſt gebannt. Ach, wie
ſehnt' ich mich nach der kühlen Nachtluft. — Kann
man ſo närriſch ſein. — Plötzlich hatte ich überwunden,
ich ſtand mitten in der Stube. Auf den Füßen, da bin
ich gleich ein Held, es ſoll mir einer nah' kommen, —
ach, wie pochten mir Herz und Schläfe, die vierzehn
Nothhelfer, die ich aus alter Gewohnheit vom Kloſter
her noch herbeirief, ſind auch keine Geſellſchaft zum La-
chen, da der eine ſeinen eignen Kopf, der andre ſein
Eingeweide im Arm trägt, und ſo weiter. Ich entließ
ſie alle zum Fenſter hinaus. Und du magiſcher Spie-
gel, in dem alles ſo zauberiſch wieder ſcheint, was ich
erlebe, was war's denn, was mich beſeligte? — Nichts!
— Tiefes Bewußtſein, Friede athmen, — ſo ſtand ich
am Fenſter und erwartete den anbrechenden Tag. —
Bettine.
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/295>, abgerufen am 22.11.2024.
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