hen führen über den Feind, und dann müßten sie auf mein Geheiß, auf meinen Wink hinunterbrausen in's Thal, und siegend sich verbreiten. Da sah ich die rothen und weißen Fähnlein fliegen, und den Pulverdampf in den sonneblendenden Gefilden; da sah ich sie heranspren- gen im Galopp -- die Siegesboten, mich umringen und mir zujauchzen; da sah und fühlte ich, wie der Geist in der Begeistrung sich löst und zum Himmel auf- schwingt; die Helden, an den Wunden verblutend, zer- schmettert, seelig aufschreiend im Tod', ja, und ich selbst hab' es mit erlebt, -- denn ich fühlte mich auch verwundet, und fühlte wie der Geist Abschied nahm, gern noch verweilt hätte unter den Palmen der Sieges- göttin, und doch, da sie ihn enthob, auch gern sich mit ihr aufschwang. Ja, so hab' ich's erlebt und anderes noch: wo ich mich einsam fühlte, in tiefe, wilde Schluch- ten sah, nicht tief -- untief; unendliche Berge über mir, ahndend die Gegenwart der Geister. Ja, ich nahm mich zusammen und sagte: kommt nur, ihr Geister, kommt nur heran; weil ihr göttlich seid und höher als ich, so will ich mich nicht wehren. Da hörte ich aus dem unsäglichen Gebraus' der Stimmen die Geister sich losreißen; -- sie wichen von einander -- ich sah sie aus der Ferne in glänzendem Fluge mir nahen; durch
hen führen über den Feind, und dann müßten ſie auf mein Geheiß, auf meinen Wink hinunterbrauſen in's Thal, und ſiegend ſich verbreiten. Da ſah ich die rothen und weißen Fähnlein fliegen, und den Pulverdampf in den ſonneblendenden Gefilden; da ſah ich ſie heranſpren- gen im Galopp — die Siegesboten, mich umringen und mir zujauchzen; da ſah und fühlte ich, wie der Geiſt in der Begeiſtrung ſich löſt und zum Himmel auf- ſchwingt; die Helden, an den Wunden verblutend, zer- ſchmettert, ſeelig aufſchreiend im Tod', ja, und ich ſelbſt hab' es mit erlebt, — denn ich fühlte mich auch verwundet, und fühlte wie der Geiſt Abſchied nahm, gern noch verweilt hätte unter den Palmen der Sieges- göttin, und doch, da ſie ihn enthob, auch gern ſich mit ihr aufſchwang. Ja, ſo hab' ich's erlebt und anderes noch: wo ich mich einſam fühlte, in tiefe, wilde Schluch- ten ſah, nicht tief — untief; unendliche Berge über mir, ahndend die Gegenwart der Geiſter. Ja, ich nahm mich zuſammen und ſagte: kommt nur, ihr Geiſter, kommt nur heran; weil ihr göttlich ſeid und höher als ich, ſo will ich mich nicht wehren. Da hörte ich aus dem unſäglichen Gebrauſ' der Stimmen die Geiſter ſich losreißen; — ſie wichen von einander — ich ſah ſie aus der Ferne in glänzendem Fluge mir nahen; durch
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hen führen über den Feind, und dann müßten ſie auf
mein Geheiß, auf meinen Wink hinunterbrauſen in's
Thal, und ſiegend ſich verbreiten. Da ſah ich die rothen
und weißen Fähnlein fliegen, und den Pulverdampf in
den ſonneblendenden Gefilden; da ſah ich ſie heranſpren-
gen im Galopp — die Siegesboten, mich umringen und
mir zujauchzen; da ſah und fühlte ich, wie der Geiſt
in der Begeiſtrung ſich löſt und zum Himmel auf-
ſchwingt; die Helden, an den Wunden verblutend, zer-
ſchmettert, ſeelig aufſchreiend im Tod', ja, und ich
ſelbſt hab' es mit erlebt, — denn ich fühlte mich auch
verwundet, und fühlte wie der Geiſt Abſchied nahm,
gern noch verweilt hätte unter den Palmen der Sieges-
göttin, und doch, da ſie ihn enthob, auch gern ſich mit
ihr aufſchwang. Ja, ſo hab' ich's erlebt und anderes
noch: wo ich mich einſam fühlte, in tiefe, wilde Schluch-
ten ſah, nicht tief — untief; unendliche Berge über
mir, ahndend die Gegenwart der Geiſter. Ja, ich nahm
mich zuſammen und ſagte: kommt nur, ihr Geiſter,
kommt nur heran; weil ihr göttlich ſeid und höher als
ich, ſo will ich mich nicht wehren. Da hörte ich aus
dem unſäglichen Gebrauſ' der Stimmen die Geiſter ſich
losreißen; — ſie wichen von einander — ich ſah ſie
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/317>, abgerufen am 24.11.2024.
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