unter den schwärmenden Bienen ruhig zu sein, befiel mich die Furcht, ich lief, und der ganze Schwarm mir nach. Endlich hab' ich's doch gelernt, es hat mir tau- send Freud gemacht, oft hab' ich ihnen einen Besuch gemacht und einen duftenden Strauß hingehalten, auf den sie sich setzten. Den kleinen Bienengarten hab' ich gepflegt, und die gewürzigen dunklen Nelken besonders hab' ich hineingepflanzt. Die alte Nonne that mir auch den Gefallen, zu behaupten, daß man alle Blumen, die ich gepflanzt hatte, aus dem Honig herausschmecke. So lehrte sie mich auch, daß wenn die Bienen erstarrt wa- ren, sie wieder beleben. Sie rieb sich die Hand mit Nesseln und mit einem duftenden Kräutchen, welches man Katzenstieg nennt; machte den großen Schieber des Bienenhauses auf und steckte die Hand hinein. Da setz- ten sie sich alle auf die Hand, und wärmten sich, das hab' ich oft auch mitgemacht; da steckte die kleine Hand und die große Hand im Bienenkorb. Jetzt wollt' ich's auch probiren, aber ich hatte nicht mehr das Herz; siehst du, so verliert man seine Unschuld und die hohen Gaben, die man durch sie hat.
Bald hab' ich auch den Eigenthümer des Korbes kennen lernen, indem ich am mitten Berg lag, um im Schatten ein wenig zu faulenzen, hört' ich ein Getrap-
unter den ſchwärmenden Bienen ruhig zu ſein, befiel mich die Furcht, ich lief, und der ganze Schwarm mir nach. Endlich hab' ich's doch gelernt, es hat mir tau- ſend Freud gemacht, oft hab' ich ihnen einen Beſuch gemacht und einen duftenden Strauß hingehalten, auf den ſie ſich ſetzten. Den kleinen Bienengarten hab' ich gepflegt, und die gewürzigen dunklen Nelken beſonders hab' ich hineingepflanzt. Die alte Nonne that mir auch den Gefallen, zu behaupten, daß man alle Blumen, die ich gepflanzt hatte, aus dem Honig herausſchmecke. So lehrte ſie mich auch, daß wenn die Bienen erſtarrt wa- ren, ſie wieder beleben. Sie rieb ſich die Hand mit Neſſeln und mit einem duftenden Kräutchen, welches man Katzenſtieg nennt; machte den großen Schieber des Bienenhauſes auf und ſteckte die Hand hinein. Da ſetz- ten ſie ſich alle auf die Hand, und wärmten ſich, das hab' ich oft auch mitgemacht; da ſteckte die kleine Hand und die große Hand im Bienenkorb. Jetzt wollt' ich's auch probiren, aber ich hatte nicht mehr das Herz; ſiehſt du, ſo verliert man ſeine Unſchuld und die hohen Gaben, die man durch ſie hat.
Bald hab' ich auch den Eigenthümer des Korbes kennen lernen, indem ich am mitten Berg lag, um im Schatten ein wenig zu faulenzen, hört' ich ein Getrap-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0326"n="294"/>
unter den ſchwärmenden Bienen ruhig zu ſein, befiel<lb/>
mich die Furcht, ich lief, und der ganze Schwarm mir<lb/>
nach. Endlich hab' ich's doch gelernt, es hat mir tau-<lb/>ſend Freud gemacht, oft hab' ich ihnen einen Beſuch<lb/>
gemacht und einen duftenden Strauß hingehalten, auf<lb/>
den ſie ſich ſetzten. Den kleinen Bienengarten hab' ich<lb/>
gepflegt, und die gewürzigen dunklen Nelken beſonders<lb/>
hab' ich hineingepflanzt. Die alte Nonne that mir auch<lb/>
den Gefallen, zu behaupten, daß man alle Blumen, die<lb/>
ich gepflanzt hatte, aus dem Honig herausſchmecke. So<lb/>
lehrte ſie mich auch, daß wenn die Bienen erſtarrt wa-<lb/>
ren, ſie wieder beleben. Sie rieb ſich die Hand mit<lb/>
Neſſeln und mit einem duftenden Kräutchen, welches<lb/>
man Katzenſtieg nennt; machte den großen Schieber des<lb/>
Bienenhauſes auf und ſteckte die Hand hinein. Da ſetz-<lb/>
ten ſie ſich alle auf die Hand, und wärmten ſich, das<lb/>
hab' ich oft auch mitgemacht; da ſteckte die kleine Hand<lb/>
und die große Hand im Bienenkorb. Jetzt wollt' ich's<lb/>
auch probiren, aber ich hatte nicht mehr das Herz; ſiehſt<lb/>
du, ſo verliert man ſeine Unſchuld und die hohen Gaben,<lb/>
die man durch ſie hat.</p><lb/><p>Bald hab' ich auch den Eigenthümer des Korbes<lb/>
kennen lernen, indem ich am mitten Berg lag, um im<lb/>
Schatten ein wenig zu faulenzen, hört' ich ein Getrap-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[294/0326]
unter den ſchwärmenden Bienen ruhig zu ſein, befiel
mich die Furcht, ich lief, und der ganze Schwarm mir
nach. Endlich hab' ich's doch gelernt, es hat mir tau-
ſend Freud gemacht, oft hab' ich ihnen einen Beſuch
gemacht und einen duftenden Strauß hingehalten, auf
den ſie ſich ſetzten. Den kleinen Bienengarten hab' ich
gepflegt, und die gewürzigen dunklen Nelken beſonders
hab' ich hineingepflanzt. Die alte Nonne that mir auch
den Gefallen, zu behaupten, daß man alle Blumen, die
ich gepflanzt hatte, aus dem Honig herausſchmecke. So
lehrte ſie mich auch, daß wenn die Bienen erſtarrt wa-
ren, ſie wieder beleben. Sie rieb ſich die Hand mit
Neſſeln und mit einem duftenden Kräutchen, welches
man Katzenſtieg nennt; machte den großen Schieber des
Bienenhauſes auf und ſteckte die Hand hinein. Da ſetz-
ten ſie ſich alle auf die Hand, und wärmten ſich, das
hab' ich oft auch mitgemacht; da ſteckte die kleine Hand
und die große Hand im Bienenkorb. Jetzt wollt' ich's
auch probiren, aber ich hatte nicht mehr das Herz; ſiehſt
du, ſo verliert man ſeine Unſchuld und die hohen Gaben,
die man durch ſie hat.
Bald hab' ich auch den Eigenthümer des Korbes
kennen lernen, indem ich am mitten Berg lag, um im
Schatten ein wenig zu faulenzen, hört' ich ein Getrap-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/326>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.