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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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Wir hatten alle Umwege der Wisper gemacht; der kluge
Wegweiser dachte, wenn wir uns von der nicht entfern-
ten, müßten wir endlich das Ziel erreichen, da die Wis-
per an dem Brunnen vorüber führt, und so hatte er
uns auf einen Weg geführt, der wohl selten von Men-
schen betreten wird. Da wir dort ankamen, erleichterte
er seine Brust durch ein Heer von Seufzern. Ich glaub',
der fürchtete sich nicht allein vor dem Teufel, sondern
vor Gott und allen Heiligen, daß sie ihn würden zur
Rechenschaft ziehen, weil er uns in's Verderben gestürzt
habe; -- kaum waren wir angekommen, so schlug die
Kukuksuhr in der einsamen Hütte bei dem Brunnen,
und mahnte an den Rückweg. Es war acht Uhr! zu
essen war nichts, auch kein Brod, nur Salat mit Salz
ohne Essig und Öl. Eine Frau mit zwei Kindern wohnte
da; ich frug, von was sie lebe; sie deutete mir in die
Ferne auf den Backofen, der zwischen vier majestätische
Eichen auf einem freien Platz in voller Gluth stand.
Ihr kleines Söhnchen schleppte eben ein Reiserbündel
hinter sich heran; sein Hemdchen hatte noch Ärmel, die
Hinterwand und den Knopf vom Kragenbund, mit dem
es befestigt war; vorne war es weggerissen; seine Schwe-
ster-psyche wiegte sich quer über einen Block auf einem
langen Backschieber; auf dem als Gegengewicht die zu

Wir hatten alle Umwege der Wiſper gemacht; der kluge
Wegweiſer dachte, wenn wir uns von der nicht entfern-
ten, müßten wir endlich das Ziel erreichen, da die Wis-
per an dem Brunnen vorüber führt, und ſo hatte er
uns auf einen Weg geführt, der wohl ſelten von Men-
ſchen betreten wird. Da wir dort ankamen, erleichterte
er ſeine Bruſt durch ein Heer von Seufzern. Ich glaub',
der fürchtete ſich nicht allein vor dem Teufel, ſondern
vor Gott und allen Heiligen, daß ſie ihn würden zur
Rechenſchaft ziehen, weil er uns in's Verderben geſtürzt
habe; — kaum waren wir angekommen, ſo ſchlug die
Kukuksuhr in der einſamen Hütte bei dem Brunnen,
und mahnte an den Rückweg. Es war acht Uhr! zu
eſſen war nichts, auch kein Brod, nur Salat mit Salz
ohne Eſſig und Öl. Eine Frau mit zwei Kindern wohnte
da; ich frug, von was ſie lebe; ſie deutete mir in die
Ferne auf den Backofen, der zwiſchen vier majeſtätiſche
Eichen auf einem freien Platz in voller Gluth ſtand.
Ihr kleines Söhnchen ſchleppte eben ein Reiſerbündel
hinter ſich heran; ſein Hemdchen hatte noch Ärmel, die
Hinterwand und den Knopf vom Kragenbund, mit dem
es befeſtigt war; vorne war es weggeriſſen; ſeine Schwe-
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[332/0364] Wir hatten alle Umwege der Wiſper gemacht; der kluge Wegweiſer dachte, wenn wir uns von der nicht entfern- ten, müßten wir endlich das Ziel erreichen, da die Wis- per an dem Brunnen vorüber führt, und ſo hatte er uns auf einen Weg geführt, der wohl ſelten von Men- ſchen betreten wird. Da wir dort ankamen, erleichterte er ſeine Bruſt durch ein Heer von Seufzern. Ich glaub', der fürchtete ſich nicht allein vor dem Teufel, ſondern vor Gott und allen Heiligen, daß ſie ihn würden zur Rechenſchaft ziehen, weil er uns in's Verderben geſtürzt habe; — kaum waren wir angekommen, ſo ſchlug die Kukuksuhr in der einſamen Hütte bei dem Brunnen, und mahnte an den Rückweg. Es war acht Uhr! zu eſſen war nichts, auch kein Brod, nur Salat mit Salz ohne Eſſig und Öl. Eine Frau mit zwei Kindern wohnte da; ich frug, von was ſie lebe; ſie deutete mir in die Ferne auf den Backofen, der zwiſchen vier majeſtätiſche Eichen auf einem freien Platz in voller Gluth ſtand. Ihr kleines Söhnchen ſchleppte eben ein Reiſerbündel hinter ſich heran; ſein Hemdchen hatte noch Ärmel, die Hinterwand und den Knopf vom Kragenbund, mit dem es befeſtigt war; vorne war es weggeriſſen; ſeine Schwe- ſter-pſyche wiegte ſich quer über einen Block auf einem langen Backſchieber; auf dem als Gegengewicht die zu

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/364>, abgerufen am 24.11.2024.