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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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gar wohl erinnerlich ist. Er war die Augenweide unse-
rer Kinderjahre, und wir durften ihn nur mit geheilig-
ten Händen anfassen. Bewahr' doch alles sorgfältig,
was Dir die Mutter bei diesen Gelegenheiten aus mei-
ner und der Schwester Kindheit mittheilt; es kann mir
mit der Zeit wichtig werden.

Dein Kapitel über die Blumen würde wohl schwer-
lich Eingang finden bei den Weltweisen, wie bei mir;
denn obschon Dein musikalisches Evangelium etwas hier-
durch geschmälert ist (was ich doch ja nicht zu versäu-
men bitte im nächsten, recht bald zu erwartenden Brief),
so ist es mir dadurch ersetzt, daß meine frühsten Kinder-
jahre sich mir auf eine liebliche Weise drin abspiegeln,
denn auch mir erschienen die Geheimnisse der Flora als
ein unmöglicher Zauber.

Die Geschichte des Myrrthenbaums und der Nonne
erregt warmen Antheil; möge er vor Frost und Scha-
den bewahrt bleiben! Aus voller Überzeugung stimme
ich mit Dir ein, daß die Liebe nicht süßer gepflegt kann
werden, als dieser Baum, und keine zärtliche Pflege
reichlicher belohnt, als durch eine solche Blüthe.

Auch Deine Pilgrimschaft im rauschenden Fluß mit
der allerliebsten Vignette der beiden Kinder giebt ein er-

gar wohl erinnerlich iſt. Er war die Augenweide unſe-
rer Kinderjahre, und wir durften ihn nur mit geheilig-
ten Händen anfaſſen. Bewahr' doch alles ſorgfältig,
was Dir die Mutter bei dieſen Gelegenheiten aus mei-
ner und der Schweſter Kindheit mittheilt; es kann mir
mit der Zeit wichtig werden.

Dein Kapitel über die Blumen würde wohl ſchwer-
lich Eingang finden bei den Weltweiſen, wie bei mir;
denn obſchon Dein muſikaliſches Evangelium etwas hier-
durch geſchmälert iſt (was ich doch ja nicht zu verſäu-
men bitte im nächſten, recht bald zu erwartenden Brief),
ſo iſt es mir dadurch erſetzt, daß meine frühſten Kinder-
jahre ſich mir auf eine liebliche Weiſe drin abſpiegeln,
denn auch mir erſchienen die Geheimniſſe der Flora als
ein unmöglicher Zauber.

Die Geſchichte des Myrrthenbaums und der Nonne
erregt warmen Antheil; möge er vor Froſt und Scha-
den bewahrt bleiben! Aus voller Überzeugung ſtimme
ich mit Dir ein, daß die Liebe nicht ſüßer gepflegt kann
werden, als dieſer Baum, und keine zärtliche Pflege
reichlicher belohnt, als durch eine ſolche Blüthe.

Auch Deine Pilgrimſchaft im rauſchenden Fluß mit
der allerliebſten Vignette der beiden Kinder giebt ein er-

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[338/0370] gar wohl erinnerlich iſt. Er war die Augenweide unſe- rer Kinderjahre, und wir durften ihn nur mit geheilig- ten Händen anfaſſen. Bewahr' doch alles ſorgfältig, was Dir die Mutter bei dieſen Gelegenheiten aus mei- ner und der Schweſter Kindheit mittheilt; es kann mir mit der Zeit wichtig werden. Dein Kapitel über die Blumen würde wohl ſchwer- lich Eingang finden bei den Weltweiſen, wie bei mir; denn obſchon Dein muſikaliſches Evangelium etwas hier- durch geſchmälert iſt (was ich doch ja nicht zu verſäu- men bitte im nächſten, recht bald zu erwartenden Brief), ſo iſt es mir dadurch erſetzt, daß meine frühſten Kinder- jahre ſich mir auf eine liebliche Weiſe drin abſpiegeln, denn auch mir erſchienen die Geheimniſſe der Flora als ein unmöglicher Zauber. Die Geſchichte des Myrrthenbaums und der Nonne erregt warmen Antheil; möge er vor Froſt und Scha- den bewahrt bleiben! Aus voller Überzeugung ſtimme ich mit Dir ein, daß die Liebe nicht ſüßer gepflegt kann werden, als dieſer Baum, und keine zärtliche Pflege reichlicher belohnt, als durch eine ſolche Blüthe. Auch Deine Pilgrimſchaft im rauſchenden Fluß mit der allerliebſten Vignette der beiden Kinder giebt ein er-

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/370>, abgerufen am 24.11.2024.